Über Tod, Trauer und Verlust sprechen
Hilfe Der Kinder- und Jugendhospizdienst der Malteser bietet mit einer Trauergruppe eine Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche, die einen Angehörigen oder Freund verloren haben
Landkreis „Oh, toll, heute malen wir mit Acrylfarben, darf ich einen Handabdruck machen?“Die zehnjährige Maresa strahlt beim Anblick der vielen Farbflaschen und Tuben auf dem Tisch, die Evelyn LaibleSchmid und Astrid Bart-Pfäffle für das Treffen in den Räumen des Malteser-Hilfsdienstes in Dillingen vorbereitet haben. Außer Maresa ist heute noch ihre 15-jährige Schwester Sophie und die 14-jährige Ines gekommen. Ein relativ kleiner Kreis an diesem Abend. „Sonst kommen meist noch zwei Jungs“, erklärt Sophie, die Älteste der Jugendlichen.
Fast auf den Tag fünf Jahre ist es her, dass die beiden Mädchen aus dem Landkreis Donau-Ries ihren Vater verloren haben. „Er hatte Krebs“, erzählt Sophie und berichtet weiter: „Eigentlich war es ihm in den Wochen vorher schon wieder viel besser gegangen und er musste
„Es ist gerade für Trauernde manchmal viel einfacher, mit einem außenstehenden, nicht unmittelbar betroffenen Menschen über den Verlust zu sprechen.“
Evelyn Laible Schmid
nur noch in sehr großen Abständen zur Nachuntersuchung. Doch plötzlich hatte er schlimme Rückenschmerzen und dann war ziemlich schnell klar, dass der Krebs wieder zurückgekehrt war. Dann ging alles ganz schnell.“Inzwischen könne sie gut darüber sprechen, die Anfangszeit sei aber schon richtig hart gewesen. Mit am schlimmsten sei gewesen, dass die Menschen um sie herum sich nicht getraut hätten, sie anzusprechen. „Dadurch fühlt man sich noch einsamer und total alleingelassen. Alle nehmen Rücksicht und behandeln einen ganz anders, dabei bin ich doch der gleiche Mensch geblieben“, reflektiert die Jugendliche.
Die 14-jährige Ines hat ebenfalls ihren Vater verloren. Er kam vor einem Jahr bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Ein unbegreiflicher Schock für das Mädchen, das keine Geschwister hat und froh ist, nun in der Gruppe mit jemandem über alles reden zu können. Aufs Foto möchte die Jugendliche nicht. Sie kann noch nicht so befreit über alles sprechen wie die anderen, das Geschehene ist bei ihr noch zu präsent.
Auch für Ines war die erste Zeit nach dem Tod des Vaters fast unerträglich. Sie konnte die ersten Wochen nicht in die Schule gehen und musste auch eine Weile stationär in einer Klinik bleiben, um das Erlebte zu verarbeiten. In der Gruppe fühlt sie sich wohl, auch sie hat das Gefühl, hier verstanden zu werden und schätzt es, sagen zu können, wenn es ihr schlecht geht. In der Gruppe wird geweint und gelacht, werden Erinnerungen ausgetauscht und geredet, und wenn jemand einfach mal nichts sagen möchte, wird das respektiert.
Jeden ersten Montag im Monat kommen die Jugendlichen aus den Landkreisen Dillingen, DonauRies, Neu-Ulm und Günzburg in der Dienststelle der Malteser in Dillingen zusammen, um in der Jugendtrauergruppe miteinander zu reden, zu spielen, Fragen zu stellen und das Gefühl zu bekommen verstanden zu werden. „Nur wer so etwas wie wir erlebt hat, kann nachempfinden, wie sich das anfühlt, was alles in einem vorgeht und kann verstehen, dass man manchmal einfach nichts versteht“, antwortet Sophie auf die Frage, warum sie gerne in die Gruppe kommt.
Die beiden ehrenamtlichen Betreuerinnen sind da, um den Jugendlichen Impulse zu geben, stehen ihnen für Gespräche zur Verfügung, hören zu, sind manchmal auch Ventil für Aggressionen und emotionale Ausbrüche, die die Heranwachsenden in ihrem familiären Umfeld oft unterdrücken.
„Es ist gerade für Trauernde manchmal viel einfacher, mit einem außenstehenden, nicht unmittelbar betroffenen Menschen über den Verlust zu sprechen und seine Sorgen und Ängste mitzuteilen, aber gleichzeitig sind hier die anderen Jugendlichen, die zwar unterschiedliche Schicksale, Geschichten und Erfahrungen gemacht haben, die aber doch Ähnliches erlebt haben und ähnlich fühlen“, erklärt Evelyn Laible-Schmid. Sie und ihre Kollegin Astrid Bart-Pfäffle haben eine spezielle Ausbildung zur Trauerbegleitung absolviert. „Die Arbeit ist nicht immer einfach, aber das Schöne ist: Kinder und Jugendliche sind von Natur aus neugierig und dadurch viel eher bereit als Erwachsene, über Themen wie Tod, Trauer und Verlust zu sprechen. Das ist auch für uns eine große Bereicherung und macht die Aufgabe so wertvoll“, erzählt Astrid Bart-Pfäffle.
Neuankömmlinge sind manchmal überrascht und sogar entsetzt von der positiven und fröhlichen Stimmung in der Gruppe, doch bisher haben nach einer gewissen Zeit alle ihr Lachen und ihre Unbeschwertheit gerade innerhalb dieser Gruppe Gleichgesinnter wiedergefunden, ohne den geliebten Menschen dabei zu vergessen oder der Trauer nicht gerecht zu werden.
An diesem Abend gibt es in der Gruppe Grund zu feiern, denn endlich wurde der Wunsch der Jugendlichen erfüllt, die Räume wohnlicher und gemütlicher zu gestalten. Am Morgen des Februartreffens sind zwei nagelneue, rote Sofas angekommen, die Wände wurden bereits vorher in freundlichem Gelb gestrichen, demnächst kommen noch Sitzsäcke.
Mit Begeisterung haben die Mädchen in den eineinhalb Stunden Steine bemalt und ein buntes Plakat aus Handabdrücken, Herzen und Peace-Zeichen kreiert und ganz nebenbei eine wunderbar unbeschwerte Unterhaltung unter Freunden geführt.