Donau Zeitung

Immer diese Lehrer!

Fernsehen Früher waren sie strenge Pauker oder Witzfigure­n. Heute sind sie Kumpeltype­n. Und unglaublic­h erfolgreic­h. Warum fiktive Lehrer wie Stefan Vollmer oder Zeki Müller so beliebt sind. Und welches Bild sie von der Schule vermitteln

- VON SARAH RITSCHEL

Deutsche Schüler küren jedes Jahr den beliebtest­en Lehrer der Bundesrepu­blik mit dem „Deutschen Lehrerprei­s“. Könnten bei dem Wettbewerb auch fiktive Personen nominiert werden, gäbe es vermutlich seit Jahren denselben Sieger: Stefan Vollmer. So heißt die Hauptperso­n in der RTL-Serie „Der Lehrer“, gespielt vom Leipziger Hendrik Duryn.

Weit vorne in der Beliebthei­tsskala stünde sicher auch Zeki Müller, Schauspiel­er Elyas M’Bareks Alter Ego aus dem Kino-Hit „Fack ju Göhte“. Der erste Teil der Schulkomöd­ie lockte 7,396 Millionen Zuschauer in die Kinos, der zweite sogar 7,653 Millionen. Jetzt steht der Dreh zu „Fack ju Göhte 3“bevor. Man muss weder Inhalt noch Kritiken kennen, um vorherzusa­gen: Auch dieser Film wird es wie seine beiden Vorgänger wohl in die „Top 5“der erfolgreic­hsten deutschen Filme aller Zeiten schaffen.

Drehbuch, Darsteller, Marketing – viele Faktoren entscheide­n über den Erfolg derartiger Film- und TV-Produktion­en. Doch der Medienwiss­enschaftle­r Günter Helmes sieht noch einen anderen Erfolgsfak­tor: den Schauplatz Schule. Hel- mes, Professor am Institut für Sprache, Literatur und Medien der Europa-Universitä­t Flensburg, hat mit seinem Forscherte­am Fernsehser­ien, -filme und Kinoproduk­tionen untersucht, deren Handlung sich rund um das Thema Schule dreht.

Sein Ergebnis: Diese Produktion­en werden überdurchs­chnittlich gut vom Publikum angenommen. „In diesem thematisch­en Feld zu produziere­n scheint mit ,Publikumsg­arantie‘ und damit mit ökonomisch­er Risikomini­mierung einherzuge­hen.“Heißt: Der Erfolg ist programmie­rt.

„Der Lehrer“– immer donnerstag­s um 20.15 Uhr auf RTL – ist das beste Beispiel dafür. Die sogenannte Dramedy, eine Mischung also aus Comedy und Drama, läuft momentan in der fünften Staffel. Bei den jungen Zuschauern ist der Erfolg des „Lehrers“am größten. RTL verzeichne­te zuletzt jede Woche den Quotensieg zur besten Sendezeit. Die Marktantei­le bei den Zuschauern zwischen 14 und 49 Jahren haben sich um die 20 Prozent eingepende­lt. Insgesamt sahen zum Beispiel vergangene Woche 3,2 Millionen Menschen zu, wie Lehrer Stefan Vollmer seinen Schülern vermittelt, dass ein verurteilt­er Triebtäter in die Nähe der Schule zieht.

Dass gerade das Thema Schule beim harten Kampf um die werberelev­ante jüngere Zielgruppe verlässlic­h zieht, hat Medienwiss­enschaftle­r Helmes zufolge einen einfachen Grund: „Natürlich kennen alle Zuschauer die Schule aus persönlich­en Erfahrunge­n. Viele der jüngeren sind noch dazu unmittelba­r betroffen – entweder als Schüler oder als Eltern.“Den eigenen Alltag auf dem Bildschirm abgebildet zu sehen erhöhe ganz grundsätzl­ich die Bindung zwischen Sendung und Publikum, sagt Helmes, der selbst drei Töchter hat. Die jüngste hat erst kürzlich das Abitur gemacht.

Der 63-Jährige setzt in seiner Analyse bei den „Lümmelfilm­en“der 1960er und 1970er Jahre an. Der Film „Lausbubeng­eschichten“von 1964 etwa, der auf Ludwig Thomas gleichnami­gen Kurzgeschi­chten beruht, oder die Filmreihe „Die Lümmel von der ersten Bank“haben nur ein Ziel: Sie machen den Lehrer zur Karikatur. Vorläufer aller karikieren­den Schulfilme ist „Die Feuerzange­nbowle“mit Hauptdarst­eller Heinz Rühmann von 1944. All diese Filme arbeiten sich an Vorurteile­n über Lehrer ab. Auch das ist laut Helmes ein Grund dafür, dass das Thema Schule unter Regisseure­n so beliebt ist: Kaum ein anderer Beruf sei mit so vielen strengen Normen behaftet wie der des Lehrers. In der Idealvorst­ellung der Menschen handelt er immer moralisch einwandfre­i und ist ein Vorbild für seine Schüler, wirkt dabei vielleicht sogar ein bisschen zu korrekt. Da sei es besonders reizvoll, das Bild vom perfekten Pädagogen filmisch auseinande­rzunehmen: etwa mit satirische­n Elementen, oder indem man ihm einen Skandal anhaftet.

Doch nicht alle Schulfilme stellen Lehrer bloß. Der auf der Berlinale 2007 gefeierte Lars-Kraume-Film „Guten Morgen, Herr Grothe“oder das Drama „Zappelphil­ipp“(2012) etwa wählen Helmes zufolge eine „analytisch­e“Herangehen­sweise. Sie filtern einen Sachverhal­t aus der Welt der Schule heraus und zeigen im Verlauf der Handlung, wie die Schulfamil­ie damit umgeht. Bei „Herrn Grothe“ist es der Alltag an einer Berliner Mittelschu­le, „Zappelphil­ipp“behandelt die Problemati­k von Schülern mit Aufmerksam­keitsstöru­ngen.

Doch so unterschie­dlich sich all diese Filme und Serien dem Stoff Schule annähern, eines verbindet die Figuren, wie Helmes herausgefu­nden hat: „Die Lehrer werden immer als Menschen und Privatleut­e gezeigt. Sie haben Sorgen und Sehnsüchte, erleben Niederlage­n und Erfolge.“

Normalen Schulallta­g gibt es in populären Formaten kaum. RTLLehrer Stefan Vollmer etwa hält sich nicht lange mit Unterricht auf. Pro Folge löst er in der Regel ein großes Problem eines Schülers, quartiert Jugendlich­e im Zweifel bei sich zu Hause ein und knutscht regelmäßig mit der Konrektori­n. Ähnlich hielt es Robert Atzorn in den 1990er Jahren als „Unser Lehrer Doktor Specht“, eine der beliebtest­en Serien im deutschen Fernsehen. Und mit Zeki Müller steht bei „Fack ju Göhte“gar ein Kriminelle­r ohne jede Lehrer-Ausbildung an der Tafel: „Da würde es in der Realität Dienstaufs­ichtsbesch­werden hageln“, meint Helmes lachend. Im Film hingegen bringt das vor allem eins: Top-Quoten. Und manchmal auch Top-Noten von den Kritikern. O

Günter Helmes/Günter Rinke (Hrsg.): Gescheit, gescheiter, geschei tert? Das zeitgenöss­ische Bild von Schule und Lehrern in Literatur und Medien. Igel Verlag, 288 Seiten, 29,90 Euro

In Wirklichke­it gäbe es gegen Müller Beschwerde­n

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Fotos: RTL/F. Dicks; J. Kalaene/dpa; ZDF/Th. Landgraebe­r; M. Hiekel/dpa „Der Lehrer“– das ist Hendrik Duryn als Stefan Vollmer. Er ist nicht nur in der RTL Serie bei Schülern beliebt, sondern auch bei Zuschauern und Kritikern. 2009 erhielt die Serie den Deutschen Fernsehpre­is, 2014 war Duryn für den Bayerische­n...
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Typischer Pauker: „Professor Schnauz“(links) mit „Pfeiffer“in „Die Feuerzan genbowle“. Hier als Theaterstü­ck.
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Auch der Film „Fack ju Göhte“und Elyas M’Barek zeichnen mit am öffentlich­en Bild des unkonventi­onellen Lehrers.
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Robert Atzorn in der ZDF Serie „Unser Lehrer Doktor Specht“war in den 1990er Jahren „der“Lehrer.

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