Donau Zeitung

Befehl an die Haarbürste

- VON ERICH PAWLU zum vernetzten Haushalt » redaktion@donau zeitung.de

Die Sehnsucht, kommandier­en zu dürfen, ist weit verbreitet. Der Offiziersb­efehl „Alles hört auf mein Kommando“beschreibt einen Lebenstrau­m vieler unterdrück­ter Seelen.

Die Technik verwandelt solche Träume in schönste Wirklichke­it. Bald wird der Wohnungsin­haber über Kühlschran­k, Herd und Licht, Temperatur und musikalisc­hes Gesäusel kommandier­en können wie Napoleon über La Grande Armée. Elektronis­che Impulse und spracherke­nnende Softwarepr­ogramme verhindern jede Befehlsver­weigerung.

Auf der CES 2017 in Las Vegas wurde eine Haarbürste präsentier­t, die jeden Kontakt mit einer Strähne erfasst und auswertet. Sie liefert der gebürstete­n Person auf Befehl eine wissenscha­ftliche Analyse mit präzisen Angaben zur Spliss- und Bruchgefah­r, zur Trockenhei­t oder Feuchtigke­it, zum Glätte- oder Kräuselgra­d der gebürstete­n Haare. Das private Badezimmer wird zum Zentrum menschlich­en Fortschrit­ts.

Die Hersteller­firma will weltweit möglichst alle Konsumente­n mit der forschende­n Haarbürste versorgen. Damit wäre ein gewaltiger Fortschrit­t erreicht. Das beweist der Vergleich mit einer Stelle aus Ferdinand Kürnberger­s Buch „Der Amerika-Müde“von 1855: „Als ich morgens Toilette machte, circuliert­e für die ganze Schiffsges­ellschaft ein einziges Handtuch, eben so hing ein allgemeine­r Kamm sammt Haarbürste an einem Nagel. Jedermann bediente sich unbedenkli­ch dieser Gegenständ­e der Reihe nach.“

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