Befehl an die Haarbürste
Die Sehnsucht, kommandieren zu dürfen, ist weit verbreitet. Der Offiziersbefehl „Alles hört auf mein Kommando“beschreibt einen Lebenstraum vieler unterdrückter Seelen.
Die Technik verwandelt solche Träume in schönste Wirklichkeit. Bald wird der Wohnungsinhaber über Kühlschrank, Herd und Licht, Temperatur und musikalisches Gesäusel kommandieren können wie Napoleon über La Grande Armée. Elektronische Impulse und spracherkennende Softwareprogramme verhindern jede Befehlsverweigerung.
Auf der CES 2017 in Las Vegas wurde eine Haarbürste präsentiert, die jeden Kontakt mit einer Strähne erfasst und auswertet. Sie liefert der gebürsteten Person auf Befehl eine wissenschaftliche Analyse mit präzisen Angaben zur Spliss- und Bruchgefahr, zur Trockenheit oder Feuchtigkeit, zum Glätte- oder Kräuselgrad der gebürsteten Haare. Das private Badezimmer wird zum Zentrum menschlichen Fortschritts.
Die Herstellerfirma will weltweit möglichst alle Konsumenten mit der forschenden Haarbürste versorgen. Damit wäre ein gewaltiger Fortschritt erreicht. Das beweist der Vergleich mit einer Stelle aus Ferdinand Kürnbergers Buch „Der Amerika-Müde“von 1855: „Als ich morgens Toilette machte, circulierte für die ganze Schiffsgesellschaft ein einziges Handtuch, eben so hing ein allgemeiner Kamm sammt Haarbürste an einem Nagel. Jedermann bediente sich unbedenklich dieser Gegenstände der Reihe nach.“