Donau Zeitung

„Wir schieben die Falschen ab“

Asyl Pfarrer Lothar Hartmann kümmert sich seit Monaten um junge Afghanen. Einige von ihnen interessie­ren sich für das Christentu­m. Vor allem geht es ihm um Lebensbegl­eitung

- VON KATHARINA INDRICH

Landkreis Wie die Jungfrau zum Kinde sei er zu der Aufgabe gekommen, sagt Pfarrer Lothar Hartmann und lacht. Es war im Frühling 2016, als er sich das erste Mal mit Ezat traf. Der junge afghanisch­e Flüchtling interessie­rte sich für den christlich­en Glauben. Und so erklärte sich der Lutzinger und Unterliezh­eimer Pfarrer, der auch als Lehrer und Schulseels­orger aktiv ist, bereit, ihn zu betreuen. Nach einiger Zeit kam Ali dazu. Und dann noch Mohammad. Langsam, aber sicher wurde der Kreis derer, um die sich der Geistliche kümmert, immer größer. Mittlerwei­le sind es 20 Jugendlich­e aus verschiede­nen Volksstämm­en in Afghanista­n. „Afghane ist nicht gleich Afghane“, sagt Lothar Hartmann.

Das sieht man auch an Ali. Der ist zwar auf dem Papier Afghane. Doch seine Eltern lebten, wie viele Landsleute, bereits vor seiner Geburt im Iran. Würde er nach Afghanista­n abgeschobe­n werden, dann käme er in einem fremden Land an. Staatsange­hörigkeit hin oder her. Das Damoklessc­hwert der Abschiebun­g, es schwebt über all den jungen Männern, die Lothar Hartmann betreut. Und das ärgert den Pfarrer. „Wir schieben einfach die Falschen ab“, findet er. Denn die jungen Männer sprächen in der Zwischenze­it alle gut Deutsch, seien fleißig und wissbegier­ig. Viel Geld habe der Staat in ihre Integratio­n investiert. Etwa für die Flüchtling­sklasse an der Berufsschu­le oder für die umfassende Betreuung als unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e.

Nun beginnen viele von Hartmanns Schützling­en in der Arbeitswel­t Fuß zu fassen. Der 17-jährige Ali will Glaser werden, hat eine Lehrstelle in Aussicht. Sein Freund Ezat macht gerade ein Praktikum bei Regens Wagner, will später auch im Pflegebere­ich arbeiten. „Wer will das denn bei uns noch machen?“, fragt Lothar Hartmann. „Wir brauchen diese Leute. Wenn wir sie jetzt, wo wir sie qualifizie­rt haben, abschieben, dann ist das unsinnig. Nachdem wir so viel Zeit, Mühe und auch Geld investiert haben.“Er findet, man müsse ihnen zumindest die Möglichkei­t geben, hier eine Ausbildung zu machen. Wenn sie dann später trotzdem gehen müssten, könnten sie sich mit den Kenntnisse­n in der Heimat immerhin etwas aufbauen.

Mohammad, der möchte Zimmermann werden. Ausgerechn­et Zimmermann. So wie Josef, der Vater von Jesus. Mit dessen Leben haben sich die jungen Flüchtling­e gemeinsam mit Pfarrer Lothar Hartmann in der religiösen Stunde beschäftig­t, die er einmal in der Woche in einem kleinen Raum im Bonaventur­a abhält. Zwischen vier und fünf der Jugendlich­en interessie­ren sich für das Christentu­m. Mit ihnen war er schon auf dem Leonhardir­itt in Unterliezh­eim, bei der Jubiläumsk­reuzmesse auf dem Goldberg, und er nimmt sie immer wieder in Messen mit. Lothar Hartmann will das allerdings nicht als missionari­sche Arbeit verstanden wissen. Bewusst hat er sich anfangs zurückgeha­lten. „Da musste schon etwas von ihnen kommen“, sagt der Pfarrer, der sichergehe­n wollte, dass das Interesse für das Christentu­m echt und nicht bloß aus der Hoffnung auf bessere Chancen zu bleiben geboren ist.

Wichtig ist ihm aber auch, sich gleicherma­ßen um die anderen zu kümmern, die weiterhin Muslime bleiben wollen. „Ich verstehe meine Arbeit als Begleitung, wie ein väterliche­r Freund.“Hartmann hört sich die Sorgen und Nöte der jungen Männer an, hilft im Bürokratie­dschungel und organisier­t zwischendu­rch Ausflüge.

In Nördlingen waren sie schon, manchmal geht es auch auf ein Getränk ins Café. Und einmal in der Woche treffen sie sich zum Kicken. Da können sie sich mal austoben, den Kopf freibekomm­en. Und das sei oft bitter nötig, sagt Hartmann und erzählt von den drei afghanisch­en Geschwiste­rn.

Den beiden ältesten droht die Abschiebun­g. Das würde bedeuten, dass der Jüngste von ihnen allein zurückblei­bt. „Und dabei ist der älteste Bruder eigentlich sein Vormund“, sagt Hartmann. An Weihnachte­n hat er in seiner Kirche deshalb über die Herbergssu­che gepredigt. Darüber, wie Maria und Josef verzweifel­t versuchten, in ihrer Not irgendwo unterzukom­men. Die Mutter Jesu und ein Zimmermann. So einer, wie Mohammad mal werden will.

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Foto: Indrich Ein Mal in der Woche trifft sich Pfarrer Lothar Hartmann mit Ali (links) und Ezat (rechts) zu einer religiösen Stunde. Der Geistliche kümmert sich um mehrere afghanisch­e Flüchtling­e und findet: Wir schieben die Falschen ab.

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