„Wir schieben die Falschen ab“
Asyl Pfarrer Lothar Hartmann kümmert sich seit Monaten um junge Afghanen. Einige von ihnen interessieren sich für das Christentum. Vor allem geht es ihm um Lebensbegleitung
Landkreis Wie die Jungfrau zum Kinde sei er zu der Aufgabe gekommen, sagt Pfarrer Lothar Hartmann und lacht. Es war im Frühling 2016, als er sich das erste Mal mit Ezat traf. Der junge afghanische Flüchtling interessierte sich für den christlichen Glauben. Und so erklärte sich der Lutzinger und Unterliezheimer Pfarrer, der auch als Lehrer und Schulseelsorger aktiv ist, bereit, ihn zu betreuen. Nach einiger Zeit kam Ali dazu. Und dann noch Mohammad. Langsam, aber sicher wurde der Kreis derer, um die sich der Geistliche kümmert, immer größer. Mittlerweile sind es 20 Jugendliche aus verschiedenen Volksstämmen in Afghanistan. „Afghane ist nicht gleich Afghane“, sagt Lothar Hartmann.
Das sieht man auch an Ali. Der ist zwar auf dem Papier Afghane. Doch seine Eltern lebten, wie viele Landsleute, bereits vor seiner Geburt im Iran. Würde er nach Afghanistan abgeschoben werden, dann käme er in einem fremden Land an. Staatsangehörigkeit hin oder her. Das Damoklesschwert der Abschiebung, es schwebt über all den jungen Männern, die Lothar Hartmann betreut. Und das ärgert den Pfarrer. „Wir schieben einfach die Falschen ab“, findet er. Denn die jungen Männer sprächen in der Zwischenzeit alle gut Deutsch, seien fleißig und wissbegierig. Viel Geld habe der Staat in ihre Integration investiert. Etwa für die Flüchtlingsklasse an der Berufsschule oder für die umfassende Betreuung als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
Nun beginnen viele von Hartmanns Schützlingen in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. Der 17-jährige Ali will Glaser werden, hat eine Lehrstelle in Aussicht. Sein Freund Ezat macht gerade ein Praktikum bei Regens Wagner, will später auch im Pflegebereich arbeiten. „Wer will das denn bei uns noch machen?“, fragt Lothar Hartmann. „Wir brauchen diese Leute. Wenn wir sie jetzt, wo wir sie qualifiziert haben, abschieben, dann ist das unsinnig. Nachdem wir so viel Zeit, Mühe und auch Geld investiert haben.“Er findet, man müsse ihnen zumindest die Möglichkeit geben, hier eine Ausbildung zu machen. Wenn sie dann später trotzdem gehen müssten, könnten sie sich mit den Kenntnissen in der Heimat immerhin etwas aufbauen.
Mohammad, der möchte Zimmermann werden. Ausgerechnet Zimmermann. So wie Josef, der Vater von Jesus. Mit dessen Leben haben sich die jungen Flüchtlinge gemeinsam mit Pfarrer Lothar Hartmann in der religiösen Stunde beschäftigt, die er einmal in der Woche in einem kleinen Raum im Bonaventura abhält. Zwischen vier und fünf der Jugendlichen interessieren sich für das Christentum. Mit ihnen war er schon auf dem Leonhardiritt in Unterliezheim, bei der Jubiläumskreuzmesse auf dem Goldberg, und er nimmt sie immer wieder in Messen mit. Lothar Hartmann will das allerdings nicht als missionarische Arbeit verstanden wissen. Bewusst hat er sich anfangs zurückgehalten. „Da musste schon etwas von ihnen kommen“, sagt der Pfarrer, der sichergehen wollte, dass das Interesse für das Christentum echt und nicht bloß aus der Hoffnung auf bessere Chancen zu bleiben geboren ist.
Wichtig ist ihm aber auch, sich gleichermaßen um die anderen zu kümmern, die weiterhin Muslime bleiben wollen. „Ich verstehe meine Arbeit als Begleitung, wie ein väterlicher Freund.“Hartmann hört sich die Sorgen und Nöte der jungen Männer an, hilft im Bürokratiedschungel und organisiert zwischendurch Ausflüge.
In Nördlingen waren sie schon, manchmal geht es auch auf ein Getränk ins Café. Und einmal in der Woche treffen sie sich zum Kicken. Da können sie sich mal austoben, den Kopf freibekommen. Und das sei oft bitter nötig, sagt Hartmann und erzählt von den drei afghanischen Geschwistern.
Den beiden ältesten droht die Abschiebung. Das würde bedeuten, dass der Jüngste von ihnen allein zurückbleibt. „Und dabei ist der älteste Bruder eigentlich sein Vormund“, sagt Hartmann. An Weihnachten hat er in seiner Kirche deshalb über die Herbergssuche gepredigt. Darüber, wie Maria und Josef verzweifelt versuchten, in ihrer Not irgendwo unterzukommen. Die Mutter Jesu und ein Zimmermann. So einer, wie Mohammad mal werden will.