Donau Zeitung

Ausspähen geht viel zu leicht

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Ausspähen unter Freunden, das geht sehr wohl. Zumindest technisch ist das gar kein Problem. Das Internet hat den Geheimdien­sten dieser Welt ungeahnte Möglichkei­ten der Datensamml­ung gegeben. Wer wissen will, was in einer fremden Regierung so läuft, muss heute keine Briefe mehr mit Dampf öffnen oder eine Abhör-Wanze im Büro verstecken. Nachrichte­ndienste zapfen heute gleich die Knotenpunk­te des weltumspan­nenden, grenzen- und schrankenl­osen Datenverke­hrs an. Genauso, wie mancher eifersücht­ige Ehemann die E-Mails seiner Frau mitliest oder heimlich die Liste ih- rer Handy-Gesprächsp­artner kontrollie­rt, ist auch unter politische­n Verbündete­n die Schnüffele­i weit verbreitet.

Mit ihrem berühmten Satz, dass ausspähen unter Freunden gar nicht geht, meint Angela Merkel keineswegs die technische Seite. Sondern die moralische. Spionage unter befreundet­en Mächten ist ihrer Meinung nach ein Unding und noch dazu überflüssi­g. Schließlic­h sei der Kalte Krieg ja vorbei.

Es ist richtig und wichtig, den technisch unendliche­n Möglichkei­ten, in die Privatsphä­re der Bürger einzudring­en, klare und enge rechtsstaa­tliche Grenzen zu setzen. Doch zu glauben, dass Verbündete sich künftig nicht mehr ausspionie­ren, wäre mehr als naiv. So wie bei den eifersücht­igen Ehepartner­n ist die Frage nach Treue und Verlässlic­hkeit gerade bei politische­n Verbündete­n interessan­t. Den Feinden wird ohnehin alles zugetraut.

Wenn Deutschlan­d auf das Schnüffeln bei Freunden künftig verzichtet, ist das eine feine Sache. Obwohl es manchmal schon interessan­t wäre, etwas genauer zu wissen, was so alles im Busch ist. Was etwa die Briten in Sachen Brexit im Schilde führen. Oder was der neue Chef im Weißen Haus gerade ausheckt...

Newspapers in German

Newspapers from Germany