Ein Stück Geschichte auf Stippvisite
Kirche Seit der Säkularisation war die Stiftungsurkunde der Dillinger Franziskanerinnen nicht mehr im Mutterhaus. Anlass für ihre kurze Rückkehr war die Vorstellung eines Buchs
Zum ersten Mal seit der Säkularisation kehrte die Stiftungsurkunde der Franziskanerinnen nach Dillingen zurück.
Dillingen Das Stück Papier, das da auf dem samtenen Kissen liegt, ist 553 Jahre alt. 1464 wurde die Urkunde von Kardinal Peter von Schaumberg in mittelalterlichem Deutsch geschrieben und gesiegelt. Damit hatten die Dillinger Franziskanerinnen, deren Dokumente beim großen Feuer am Lichtmesstag 1438 verbrannt waren, wieder eine Stiftungsurkunde. Sie ist eines der wertvollsten Besitztümer der Schwestern. Und doch mussten sie lange Zeit auf ihre Urkunde verzichten. Denn in der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts kam sie zunächst nach München und später nach Augsburg, wo sie im Staatsarchiv aufbewahrt wird. Wenn die Schwestern sie sehen wollten, dann mussten sie dorthin fahren. Es hat Generaloberin Sr. Roswitha Heinrich einige Telefonate und Überredungskunst gekostet. Doch am Ende war sie erfolgreich.
Anlässlich der Präsentation des Buches „Geschichte der Dillinger Franziskanerinnen von 1241 bis 1900“, das die gebürtige Dillingerin Michaela Haas verfasst hat, kehrte die Urkunde jetzt ins Mutterhaus zurück. Wenn auch nur für einige Tage. Schon am Montag müssen die Schwestern sie wieder zurückbringen. Zu zweit, gesichert in einer Stahlbox. Nur mit weißen Handschuhen darf das kostbare Dokument, das für seine Reise nach Dillingen mit 30 000 Euro versichert ist, berührt werden. Gezeigt werden durfte die Urkunde nur in einem Glaskasten, der die richtige Luftfeuchtigkeit besitzt und auf den nicht zu viel Licht fällt.
Gleich darunter liegt im Glaskasten eine andere alte Urkunde. Ein Kaufvertrag für ein Waldstück, wie die Generaloberin erklärt. 2009 haben die Schwestern das Dokument gekauft, nachdem es in den Vereinigten Staaten aufgetaucht war. Dabei, sagt Schwester Roswitha Heinrich, hätte es eigentlich, ebenso wie die Stiftungsurkunde, im Staatsarchiv lagern sollen. Und so fragte die Generaloberin bei einem Besuch vor einiger Zeit dort den Archivar, ob sie denn neben der Stiftungsurkunde auch den Kaufvertrag, der da schon in Dillingen war, einsehen konnte. Groß sei bei dem die Über- raschung gewesen, als er sie nicht finden konnte. Auch diese Begebenheit ist ein kleines Kapitel in der 775-jährigen Geschichte der Dillinger Franziskanerinnen. Die ersten 659 Jahre hat die 2003 verstorbene Schwester Michaela Haas in jahrelanger Arbeit in einem Buch zusammengefasst, das im Jubiläumsjahr 2016 verlegt wurde und pünktlich vor Heiligabend ausgeliefert werden konnte.
Lange hat die gebürtige Dillingerin, die 1953 nach Brasilien ging, für das Buch recherchiert. Hat in Bibliotheken geforscht, alte Aufzeichnungen studiert und sich sogar in das geheime Archiv des Vatikans gewagt. Für ein Buch, das zunächst vor allem dazu gedacht war, die Geschichte der Ordensgemeinschaft den brasilianischen Mitschwestern in portugiesischer Sprache näherzubringen. Nun, anlässlich des Jubiläumsjahres, wurde das Buch ins Deutsche übersetzt und im Kunstverlag Josef Fink verlegt. Auch eine englische Version, etwa für die Schwestern in den USA und Indien, soll in diesem Jahr entstehen. Damit auch sie tiefere Einblicke in die wechselvolle Geschichte des Ordens bekommen. In das Leben der Schwestern, die ihnen vorausgegangen sind und den Orden über 775 Jahre am Leben erhielten. Die mit Armut, Krieg und Krankheit kämpften, gegen die Widrigkeiten der Geschichte und eine männlich dominierte Elite, die ihnen immer wieder Steine in den Weg legte. „Es ist ein dankbarer Rückblick auf die Fügung Gottes durch die Jahrhunderte“, sagt die Generaloberin bei der Vorstellung des Buches im Kapitelsaal des Mutterhauses. Das Buch vertiefe den Zusammenhalt der interkulturellen Zusammenarbeit der Ordensgemeinschaft. „Es animiert und ermutigt, aus unserer reichen Geschichte mit ihren Höhen und Tiefen zu lernen. Ein gutes Miteinander braucht das Wissen um die geschichtliche Verankerung.“Auch aus diesem Grund wollen die Franziskanerinnen die Geschichte weiterschreiben. Noch harre die Zeit ab dem Jahr 1900 ihrer Aufarbeitung. Stoff genug also für ein weiteres Buch.