Rotes Kreuz rüstet sich für Terror Einsätze
Katastrophenschutz Ehrenamtliche Retter sollen auf Anschläge vorbereitet werden. Es geht um mehr als Medizin
Schwabmünchen Es geht vor allem um eines: Zeit. Höchstens 20 bis 30 Sekunden pro Patient. „Mehr werden Sie nicht haben.“Oskar Mahler ist Oberstabsarzt der Bundeswehr, und er weiß, was es heißt, zwischen Schüssen und Explosionen Menschenleben zu retten. Das soll er nun auch Sanitätern des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) beibringen. Mahler steht in einem Lehrsaal beim BRK in Schwabmünchen, im Halbkreis um ihn herum ehrenamtliche Retter aus ganz Bayern.
Vergangenen Samstag startete die Hilfsorganisation ihre Ausbildung für „besondere Einsatzlagen“. Heißt unter anderem: Terroranschläge, Attentate oder Amokläufe. Es ist die Reaktion auf die Vorfälle in Würzburg, Ansbach und München im vergangenen Jahr. „Wir haben es mit Einsätzen von neuer Qualität zu tun, darauf wollen wir unsere Kräfte vorbereiten“, erklärt Michael Raut, Landesbereitschaftsleiter beim BRK.
Die Hilfsorganisation setzt damit auch eine Handlungsempfehlung des bayerischen Innenministeriums vom vergangenen Sommer um. Die besagt unter anderem, dass die Ausstattung der Rettungskräfte mit Mitteln ergänzt werden, die bislang Teil der Militärmedizin waren. Neu ist beispielsweise ein sogenanntes „Tourniquet“, ein Instrument zum schnellen Abbinden von stark blutenden Extremitäten, etwa nach einem Bombenanschlag. Daneben enthält das Zusatz-Set für „TerrorPatienten“ ein gutes Dutzend weiterer Bestandteile. Beim BRK sind laut eigener Aussage seit Ende 2016 alle Rettungswagen damit ausgestattet. Eine leicht abgespeckte Variante davon sollen nun auch alle ehrenamtlichen Kräfte im Katastrophenschutz erhalten – diejenigen also, die beispielsweise bei Volksfesten Sanitätsdienste leisten. Um den Umgang mit den neuen Hilfsmitteln zu lernen, sind rund 80 Führungskräfte und „Multiplikatoren“nach Schwabmünchen gekommen. Die theoretischen und praktischen Einweisungen in den Umgang mit Terror-Lagen sollen sie an ihre Bezirksund Ortsverbände im gesamten Freistaat weitergeben. Ziel des BRK ist es, damit bis zum Ende des Jahres rund 20000 Kräfte aus dem Katastrophenschutz sowie bis zu 10 000 aus der Wasserwacht zu erreichen.
„Sie sollen mit neuen Verletzungsmustern umgehen können“, sagt der BRK-Landesarzt, Professor Peter Sefrin. Beispiel: abgetrennte Gliedmaßen nach einer Explosion oder Verletzungen durch Schussund Stichwaffen. Darüber hinaus müssen die Helfer noch etwas anderes lernen: die besonderen Gefahren eines Terroreinsatzes. „Unter normalen Umständen konzentrieren sich die Helfer nur auf ihren Patienten“, sagt Raut. „Aber wir müssen sie für ihren Eigenschutz sensibilisieren.“Bestehe akute Gefahr für Leib und Leben, müssten die Rettungskräfte imstande sein, etwa einen schreienden Patienten liegen zu lassen. Bei einem Terroreinsatz ginge es auch nicht mehr um die sofortige Vollversorgung jedes Patienten.
Wichtiger sei es, erst alle aus der Gefahrenzone zu befördern. „Das kann die Wertewelt eines Sanitäters schon mal auf den Kopf stellen“, sagt Raut. Das neue Ausbildungskonzept hat das BRK zusammen mit der Bundeswehr und Vertretern einer israelischen Hilfsorganisation erarbeitet. „Das sind Profis auf diesem Gebiet“, erklärt Raut.