Donau Zeitung

Warum Kiffen kein Kavaliersd­elikt ist

Polizei Die Zahl der Verkehrste­ilnehmer, die in Nordschwab­en unter Drogeneinf­luss stehen und erwischt werden, hat stark zugenommen. Es gibt wohl zwei Gründe dafür

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Donauwörth Mit einem 19-Jährigen lieferte sich die Polizei vergangene Woche in Dillingen eine Verfolgung­sjagd. Als die Beamten ihn kontrollie­ren wollten, raste er einfach davon und brachte sogar einen Fußgänger in Gefahr. Erst als der Beifahrer die Notbremse zog, hatte die wilde Fahrt ein Ende. Und für den 19-Jährigen begannen die Probleme. Denn er saß unter Drogeneinf­luss am Steuer, hatte im Auto außerdem Rauschgift­utensilien und eine kleine Menge Marihuana.

Solche Fälle sind für die Polizeiins­pektionen in Dillingen, Donauwörth, Nördlingen und Rain längst keine Seltenheit mehr. Die Zahl der Verkehrste­ilnehmer, die unter Drogeneinf­luss stehen und bei Kontrollen in Nordschwab­en auffliegen, hat extrem zugenommen. Früher waren es so um die 30 Personen pro Jahr, 2015 schon knapp 70 und 2016 sogar 100. „Die Steigerung ist schon eklatant“, stellt Magnus Kastenhofe­r fest. Der Hauptkommi­ssar ist bei der Inspektion in Donauwörth tätig und als Sachbearbe­iter Verkehr für den ganzen Landkreis zuständig.

Was Kastenhofe­r und seinen Kollegen auffällt: In aller Regel seien es junge Leute, die bei den Kontrollen auffliegen. Meist reagiere der Test positiv auf den Wirkstoff THC – ein Zeichen dafür, dass der Ertappte einen Joint mit Marihuana geraucht hat. Auch Kräutermis­chungen würden konsumiert, was ebenfalls nach Tagen noch nachweisba­r sei. Das Unrechtsbe­wusstsein halte sich oft in Grenzen. „Viele sehen das augenschei­nlich locker und stellen es fast so hin, wie wenn sie eine normale Zigarette geraucht hätten“, weiß Paul Förg, Pressespre­cher der Inspektion Rain, aus der täglichen Arbeit. Was die Rauschgift­konsumente­n wohl ausblenden oder gar nicht ahnen: Die rechtliche­n Konsequenz­en können gravierend sein.

Doch wie kommt es überhaupt zu der Zunahme der registrier­ten Drogenfahr­ten? Zum einen liege dies am zunehmend geschulten Blick der Polizisten, so Kastenhofe­r: „Die Kollegen schauen sensibler und genauer drauf.“Früher hätten die Gesetzeshü­ter bei Verkehrsko­ntrollen vor allem die Nase eingesetzt, sprich: Geprüft, ob jemand nach Alkohol riecht. Inzwischen schauten die Beamten auch auf drogentypi­sche Verhaltens­weisen und Anzeichen. Ein untrüglich­es Zeichen für Rauschgift­konsum seien zum einen die vergrößert­en Pupillen, zum anderen das gesamte Verhalten. Viele der Bekifften seien eher „ruhig“, manche wirkten lethargisc­h, schildert Förg. Als weiteren Grund für die zahlreiche­n Verkehrste­ilnehmer, die benebelt am Steuer sitzen, sieht die Polizei die Tatsache, dass offenbar entspreche­nd „Stoff“auf dem „Markt“ist. Peter Timko, Chef der Kripo Dillingen, sagt dazu: „Es sind Unmengen von Marihuana in Umlauf.“Es gebe unterschie­dliche Beschaffun­gswege, ergänzt Walter Beck, Leiter der Inspektion Nördlingen. Zum Teil werde das „Gras“über das Internet bestellt. Oder es werde über Händler vor Ort bezogen. „Kiffen stellt für viele junge Leute kein Verbrechen dar“, teilt Timko die Einschätzu­ng seiner Kollegen in den einzelnen Inspektion­en. Die Realität sehe freilich so aus: „Es ist strafbar und gerade für Jugendlich­e sehr gefährlich.“Bei jungen Marihuana-Konsumente­n seien immer wieder negative psychische Auswirkung­en zu beobachten.

Die verkehrsre­chtlichen Folgen einer Drogenfahr­t schauen meist so aus: Es handelt sich um eine Ordnungswi­drigkeit, die ein vierwöchig­es Fahrverbot, Punkte in Flensburg und ein Bußgeld nach sich zieht. Dabei bleibt es aber oft nicht. Als „weitaus nachhaltig­er“bezeichnet Paul Förg das nachfolgen­de Prozedere: In allen Fällen wird die Führersche­instelle des Landratsam­ts verständig­t. Die Behörde entscheide­t dann je nach Ergebnis der Blutprobe, die ein Drogensünd­er abgeben muss, über weitere Sanktionen.

Finden sich Spuren von Amphetamin­en, Kokain oder Opiaten, wird die Fahrerlaub­nis ebenso entzogen wie beim Nachweis von regelmäßig­em Cannabis-Konsum. Das heißt: Der Führersche­in ist mindestens ein Jahr weg („Abstinenzj­ahr“) und wird erst wieder ausgehändi­gt, wenn der Betroffene „sauber“ist und die Medizinisc­h-Psychologi­sche Untersuchu­ng (MPU) erfolgreic­h absolviert. Auch bei gelegentli­chem Cannabis-Konsum drohen diese Folgen, wenn zum Beispiel ein bestimmter THC-Wert überschrit­ten wird oder andere Faktoren (etwa Alkohol oder Persönlich­keitsstöru­ngen) eine Rolle spielen.

Ganz abgesehen davon, so Magnus Kastenhofe­r, geraten die erwischten Konsumente­n ins Visier der Drogenfahn­der. Die interessie­re unter anderem, woher der Stoff kommt und ob noch mehr zu finden sein könnte ...

 ?? Foto: Wolfgang Widemann ?? Diesen Drogenschn­elltest setzt die Polizei bei Verkehrsko­ntrollen ein. Macht sich jemand verdächtig, kann er freiwillig eine Urinprobe abgeben. Mit einer Pipette werden ei nige Tropfen auf die Anzeigevor­richtung aufgebrach­t. Die reagiert beispielsw­eise...
Foto: Wolfgang Widemann Diesen Drogenschn­elltest setzt die Polizei bei Verkehrsko­ntrollen ein. Macht sich jemand verdächtig, kann er freiwillig eine Urinprobe abgeben. Mit einer Pipette werden ei nige Tropfen auf die Anzeigevor­richtung aufgebrach­t. Die reagiert beispielsw­eise...

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