Donau Zeitung

Worum ein syrischer Zahnarzt die deutschen Kollegen beneidet

Serie Rami Alrahban studierte in Damaskus Zahnmedizi­n und hatte seine eigene Praxis. In Donauwörth hospitiert er jetzt und merkt: Die Patienten machen den größten Unterschie­d

- VON LARISSA TORRES DE MEDEIROS

Höchstädt Über der Wohnzimmer­Couch hängt eine riesengroß­e Bayern-München-Fahne, gegenüber ist auf dem Schrank ein weiß-blauer Fußball drapiert. Die Begeisteru­ng, mit der Rami Alrahban über das runde Leder spricht, könnte annehmen lassen, dass er ein Fußballspi­eler wäre. Aber nein. Der 29-jährige Syrer ist Zahnarzt. In Damaskus hat er fünf Jahre Zahnmedizi­n studiert. 2012 schloss er das Studium ab, arbeitete zunächst als angestellt­er Zahnarzt, bevor er seine eigene Praxis in der syrischen Hauptstadt eröffnete. „Alles lief super“, erzählt er. Bald schon hatte er einen Patientens­tamm. Er richtete sich eine schöne Wohnung ein und heiratete. In jedem Land der Welt würde nach so einem Start ein traumhafte­s Leben vor dem jungen Mann liegen. Doch Rami Alrahban hat alles in seinem Heimatland zurückgela­ssen, denn der Krieg war immer näher gerückt und die Angst vor der IS wurde immer größer. Sogar seine junge Frau ließ er zurück.

Die Flucht in einem Schlauchbo­ot, das während der Überfahrt auch noch ein Leck bekam, sei das schlimmste Erlebnis für ihn gewesen. Sämtliches Gepäck musste über Bord geworfen werden. Nach fast vier Wochen auf der Balkanrout­e erreichte er 2016 Deutschlan­d. „Ich wollte natürlich sofort in meinem Beruf arbeiten.“Dazu musste er erst einmal die deutsche Sprache pauken. Inzwischen hat er die sogenannte B2-Prüfung bestanden. Das entspricht einer „selbststän­digen Sprachverw­endung“. Nun muss er noch nachweisen, dass er sein Zahnmedizi­n-Studium in Syrien abgeschlos­sen und einige Zeit praktizier­t hat. Wenn die Arbeitserl­aubnis erteilt ist, beginnt das Approbatio­nsverfahre­n. Möglicherw­eise muss er in Deutschlan­d einige Semester nachstudie­ren. Außerdem steht noch ein fachbezoge­ner Sprachkurs an.

Wie komplizier­t das Verfahren eines ausländisc­hen Berufsabsc­hlusses ist, kann man im Internet nachlesen. Unter www.anerkennun­g-indeutschl­and.de hält das BAMF (Bundesamt für Migration) und das BMBF (Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung) Informatio­nen bereit.

Zurzeit hospitiert Rami Alrahban in der Zahnarztpr­axis von Dr. Manfred und Sonja Heinlin in Donauwörth. Der 29-Jährige schaut den

Auf der Flucht

Kollegen und Kolleginne­n genau auf die Finger und hört zu, wie sie mit den Patienten sprechen. Dabei beobachtet er mit Interesse die Unterschie­de des berufliche­n Alltags eines Zahnarztes in Syrien und in Deutschlan­d. „Die Patienten selbst sind der größte Unterschie­d“, meint er lachend. „Während in Syrien der Patient zum Arzt sagt, was er tun soll und wie er behandelt werden möchte, sind die Patienten in Deutschlan­d ganz anders. Sie akzeptiere­n die Entscheidu­ngen und vertrauen dem Arzt.“Außerdem sei die Erziehung auch im zahnmedizi­nischen Bereich in Deutschlan­d weiter. Da die Syrer im Allgemeine­n sehr viel Zucker essen, ist Karies ein sehr weit verbreitet­es Problem. „Da haben wir noch eine Menge Arbeit vor uns, vor allem müssen wir bei den Kindern ansetzen“, sagt der junge Zahnarzt.

In Damaskus hatte er ohne Assistenz gearbeitet. „Manchmal hätte ich vier Hände gebraucht, um alles zu erledigen, von der Buchhaltun­g und Terminverg­abe bis zu den Be- handlungen. Das erscheint mir hier angenehmer.“Zu den deutschen Patienten hat er schon einen guten Draht. An Weihnachte­n gab es sogar ein kleines Geschenk von einem älteren Herrn. „Das hat mich sehr gefreut.“Dr. Heinlin mahnt ihren Praktikant­en zur Geduld. Sie glaubt, dass ihr syrischer Praktikant einige Semester in Deutschlan­d studieren muss. Das könnte bis zu zwei Jahre dauern. Aktuell arbeitet Rami Alrahban in der Höchstädte­r Praxis mit Modellen, eine Arbeit, die deutsche Zahnärzte ebenfalls von Zeit zu Zeit machen.

Sein Faible für den bayerische­n Fußballclu­b begann schon in Syrien, als Rami Alrahban elf Jahre alt war. An das legendäre Endspiel im Jahr 1999 gegen Manchester United in der Champions League kann er sich noch gut erinnern: „Die Bayern haben in den letzten Minuten leider mit 1:2 verloren.“Den Durchhalte­willen und den Kampfgeist der Fußballelf vor Augen will der junge Flüchtling selbst nicht lockerlass­en und sein eigenes Ziel weiterverf­olgen: Als Zahnarzt in Deutschlan­d sesshaft zu werden. Seine Frau Heba, die vor Kurzem über den Familienna­chzug nach Höchstädt kam, wird ihm dabei sicher helfen. (mit bäs) Katharina Hillenbran­d vom Asylkreis Buttenwies­en half beim Übersetzen.

 ?? Fotos: Larissa Torres de Medeiros ?? Rami Alrahban hatte eine eigene Zahnarztpr­axis in Syrien. 2016 floh er vor der IS nach Deutschlan­d und landete in Höchstädt. In einer Donauwörth­er Zahnarztpr­axis hospitiert der 29 Jährige zurzeit.
Fotos: Larissa Torres de Medeiros Rami Alrahban hatte eine eigene Zahnarztpr­axis in Syrien. 2016 floh er vor der IS nach Deutschlan­d und landete in Höchstädt. In einer Donauwörth­er Zahnarztpr­axis hospitiert der 29 Jährige zurzeit.
 ??  ?? Rami Alrahban und sein Frau Heba. Der Syrer ist seit seiner Kindheit ein Bayern Fan.
Rami Alrahban und sein Frau Heba. Der Syrer ist seit seiner Kindheit ein Bayern Fan.

Newspapers in German

Newspapers from Germany