Feinde der Bücher
Archivtreffen In Rischgau wurden zahlreiche ehrenamtliche Helfer im Kampf gegen Motten, Mäuse und Schimmel geschult. Sonst kann es teuer werden
Rischgau Wer denkt, Archivare hätten in ihrem Beruf keine Feinde, der irrt. Was die Diplom-Restauratorin Cornelia Rauch-Ernst den rund 20 erschienenen Archivpflegern aus dem ganzen Landkreis nahebrachte, erinnerte stellenweise an die Einsatzbesprechung aus Actionfilmen. Mit etwas Fantasie zumindest, denn die Feinde der Ehrenamtlichen erinnern nicht wirklich an Superschurken mit finsteren Plänen. RauchErnst leitete mit einem „Putzig, ne?“in den Almanach der gefährlichen Kreaturen ein. Dazu wurde eine unschuldig dreinschauende Maus an die Wand des Rischgauer Bürgerhauses projiziert.
Für die Archivpfleger kann der Nager für viel Ungemach sorgen. Packt die Maus erst mal der Appetit, frisst sie sich durch jeden noch so dicken Wälzer. Das belegte die Restauratorin mit einigen Bildbelegen völlig zerkauter Bücher. Wertingens Stadtarchivar Johannes Mordstein stellte die Restauratorin, die in Höchstädt zunächst eine Buchbinderlehre absolviert hatte, mit den Worten vorgestellt: „Ein beschädigtes, altes Buch beschert ihr einen Stich ins Herz.“Rauch-Ernst arbeitete schon in Amerika und in der Schweiz.
Tatsächlich brachte Rauch-Ernst ihr Lebensthema, den Schutz und Erhalt alter Schriften, den rund 30 Zuhörern mit viel Leidenschaft nahe. Denn der Teufel liegt bei der Archivpflege oft im Detail, was man ihrem Vortrag entnehmen konnte.
Mit Ausnahme des hauptamtlichen Archivars Johannes Mordstein aus Wertingen sind in der Archivpflege im Landkreis keine Profis am Werk. Die Arbeit ist ehrenamtlich, ausgebildete Archivare finden sich nicht. Deshalb ist das mittlerweile jährlich stattfindende Archivtreffen eine gute Gelegenheit zur Weiterbildung, findet Mordstein.
So lernten die Anwesenden nicht nur viel über die Fressgewohnheiten der Maus, sondern auch über schädliche Gewohnheiten zahlreicher anderer Tiere. So legen Insekten ihre Larven in den alten Schriften. Das früher gebräuchliche Papier mit größerem Holzanteil ist für viele Insektenlarven die perfekte Brutumgebung. Die frisch geschlüpften Larven ernähren sich dann vom Papier, wodurch viele kleine Löcher entstehen. Einen fast mystischen Ruf genießt unter Archivaren der winzige Bücherskorpion. „Ich selbst habe noch keinen gesehen“, sagte Rauch-Ernst. Den Insekten kann man noch verhältnismäßig einfach zu Leibe rücken, nämlich mit Pheromonfallen. Oder mit anderen Insekten, die beispielsweise Motten sehr effektiv bekämpfen: Schlupfwespen stechen in die Larven der Motte und legen dort ihre eigenen Eier ab. Die geschlüpften Nachkommen ernähren sich von der Mottenlarve, wodurch diese stirbt.
Deutlich weniger gruselig, allerdings auch schwieriger gestaltet sich der Kampf gegen einen anderen Feind: Schimmel. Denn nur allzu oft findet Cornelia Rauch-Ernst in Archiven, die sie besucht, viel zu gute Bedingungen für den Pilzerreger.
Warm und feucht brauchen es die Schimmelpilze, um zu wachsen. Schimmelsporen befänden sich beinahe überall. Haben sie sich erst einmal ausgebreitet, ist den aktiven Schimmelkulturen auf den Büchern nur schwer beizukommen. Der Schimmel richtet innerhalb kurzer Zeit irreparable Schäden an den Büchern an, da er die Zellen in den Buchseiten zersetzt.
Was dann tun? Eine Möglichkeit bestehe in der Bestrahlung. Gammastrahlen seien äußerst effektiv gegen aktive Schimmelkulturen – zerstörten aber auch die Buchseiten selbst. Eine sehr aufwendige Methode stellt die Trockenreinigung dar. Dann müsse jede Seite einzeln gereinigt werden, sagte Rauch-Ernst. Hat der Schimmel schon gewütet, sei die Restaurierung oft nur noch mit enormem Aufwand und damit einhergehenden Kosten zu machen. Will die Gemeinde ein bedeutendes Exemplar retten, seien die Kosten manchmal im „fünfstelligen Bereich“.
Eine solche Summe sei natürlich in den allermeisten Fällen nicht gerechtfertigt. Damit es nicht dazu kommt, sollten die Anwesenden in ihren Archiven dafür sorgen, dass es der Schimmel schon von vornherein schwer hat, sich auszubreiten. Bei der anschließenden Führung durch das gerade erst gegründete Archiv in Villenbach präsentierte der dortige Archivar Dieter Meissle ein Hygrometer, mit dem sich Temperatur und Luftfeuchtigkeit stets anzeigen lassen. Dem Schimmel machen Temperaturen zwischen 18 und 22 Grad und Luftfeuchtigkeit von unter 65 Prozent das Leben schwer.