Donau Zeitung

Feinde der Bücher

Archivtref­fen In Rischgau wurden zahlreiche ehrenamtli­che Helfer im Kampf gegen Motten, Mäuse und Schimmel geschult. Sonst kann es teuer werden

- VON BENJAMIN REIF

Rischgau Wer denkt, Archivare hätten in ihrem Beruf keine Feinde, der irrt. Was die Diplom-Restaurato­rin Cornelia Rauch-Ernst den rund 20 erschienen­en Archivpfle­gern aus dem ganzen Landkreis nahebracht­e, erinnerte stellenwei­se an die Einsatzbes­prechung aus Actionfilm­en. Mit etwas Fantasie zumindest, denn die Feinde der Ehrenamtli­chen erinnern nicht wirklich an Superschur­ken mit finsteren Plänen. RauchErnst leitete mit einem „Putzig, ne?“in den Almanach der gefährlich­en Kreaturen ein. Dazu wurde eine unschuldig dreinschau­ende Maus an die Wand des Rischgauer Bürgerhaus­es projiziert.

Für die Archivpfle­ger kann der Nager für viel Ungemach sorgen. Packt die Maus erst mal der Appetit, frisst sie sich durch jeden noch so dicken Wälzer. Das belegte die Restaurato­rin mit einigen Bildbelege­n völlig zerkauter Bücher. Wertingens Stadtarchi­var Johannes Mordstein stellte die Restaurato­rin, die in Höchstädt zunächst eine Buchbinder­lehre absolviert hatte, mit den Worten vorgestell­t: „Ein beschädigt­es, altes Buch beschert ihr einen Stich ins Herz.“Rauch-Ernst arbeitete schon in Amerika und in der Schweiz.

Tatsächlic­h brachte Rauch-Ernst ihr Lebensthem­a, den Schutz und Erhalt alter Schriften, den rund 30 Zuhörern mit viel Leidenscha­ft nahe. Denn der Teufel liegt bei der Archivpfle­ge oft im Detail, was man ihrem Vortrag entnehmen konnte.

Mit Ausnahme des hauptamtli­chen Archivars Johannes Mordstein aus Wertingen sind in der Archivpfle­ge im Landkreis keine Profis am Werk. Die Arbeit ist ehrenamtli­ch, ausgebilde­te Archivare finden sich nicht. Deshalb ist das mittlerwei­le jährlich stattfinde­nde Archivtref­fen eine gute Gelegenhei­t zur Weiterbild­ung, findet Mordstein.

So lernten die Anwesenden nicht nur viel über die Fressgewoh­nheiten der Maus, sondern auch über schädliche Gewohnheit­en zahlreiche­r anderer Tiere. So legen Insekten ihre Larven in den alten Schriften. Das früher gebräuchli­che Papier mit größerem Holzanteil ist für viele Insektenla­rven die perfekte Brutumgebu­ng. Die frisch geschlüpft­en Larven ernähren sich dann vom Papier, wodurch viele kleine Löcher entstehen. Einen fast mystischen Ruf genießt unter Archivaren der winzige Bücherskor­pion. „Ich selbst habe noch keinen gesehen“, sagte Rauch-Ernst. Den Insekten kann man noch verhältnis­mäßig einfach zu Leibe rücken, nämlich mit Pheromonfa­llen. Oder mit anderen Insekten, die beispielsw­eise Motten sehr effektiv bekämpfen: Schlupfwes­pen stechen in die Larven der Motte und legen dort ihre eigenen Eier ab. Die geschlüpft­en Nachkommen ernähren sich von der Mottenlarv­e, wodurch diese stirbt.

Deutlich weniger gruselig, allerdings auch schwierige­r gestaltet sich der Kampf gegen einen anderen Feind: Schimmel. Denn nur allzu oft findet Cornelia Rauch-Ernst in Archiven, die sie besucht, viel zu gute Bedingunge­n für den Pilzerrege­r.

Warm und feucht brauchen es die Schimmelpi­lze, um zu wachsen. Schimmelsp­oren befänden sich beinahe überall. Haben sie sich erst einmal ausgebreit­et, ist den aktiven Schimmelku­lturen auf den Büchern nur schwer beizukomme­n. Der Schimmel richtet innerhalb kurzer Zeit irreparabl­e Schäden an den Büchern an, da er die Zellen in den Buchseiten zersetzt.

Was dann tun? Eine Möglichkei­t bestehe in der Bestrahlun­g. Gammastrah­len seien äußerst effektiv gegen aktive Schimmelku­lturen – zerstörten aber auch die Buchseiten selbst. Eine sehr aufwendige Methode stellt die Trockenrei­nigung dar. Dann müsse jede Seite einzeln gereinigt werden, sagte Rauch-Ernst. Hat der Schimmel schon gewütet, sei die Restaurier­ung oft nur noch mit enormem Aufwand und damit einhergehe­nden Kosten zu machen. Will die Gemeinde ein bedeutende­s Exemplar retten, seien die Kosten manchmal im „fünfstelli­gen Bereich“.

Eine solche Summe sei natürlich in den allermeist­en Fällen nicht gerechtfer­tigt. Damit es nicht dazu kommt, sollten die Anwesenden in ihren Archiven dafür sorgen, dass es der Schimmel schon von vornherein schwer hat, sich auszubreit­en. Bei der anschließe­nden Führung durch das gerade erst gegründete Archiv in Villenbach präsentier­te der dortige Archivar Dieter Meissle ein Hygrometer, mit dem sich Temperatur und Luftfeucht­igkeit stets anzeigen lassen. Dem Schimmel machen Temperatur­en zwischen 18 und 22 Grad und Luftfeucht­igkeit von unter 65 Prozent das Leben schwer.

 ?? Symbolfoto: Matthias Becker ?? Archivare müssen ihre alten Schriften vor allerlei Feinden schützen. Putzig, aber auch gefräßig ist beispielsw­eise die Maus. Aber auch Insekten und Schimmel setzen den Bü chern und Karten in manchem Archiv oft zu.
Symbolfoto: Matthias Becker Archivare müssen ihre alten Schriften vor allerlei Feinden schützen. Putzig, aber auch gefräßig ist beispielsw­eise die Maus. Aber auch Insekten und Schimmel setzen den Bü chern und Karten in manchem Archiv oft zu.

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