Donau Zeitung

Wann Georg Winter sein erstes Bier trank

Planspiel Jugendlich­e am Wertinger Gymnasium konfrontie­ren sich und Politiker mit den Folgen eines übermäßige­n Alkoholkon­sums

- VON SANDRA BAUER

Wertingen Es ist ein Problem, mit dem alle schon gewisse Erfahrunge­n gemacht haben: Alkohol und die Folgen übermäßige­n Konsums. Laut einer Statistik trinken fast 50 Prozent der bayerische­n Jugendlich­en mindestens einmal im Monat Bier. Auch werden immer mehr Kinder und Jugendlich­e wegen Rauschzust­änden ins Krankenhau­s eingeliefe­rt. Und schwere Sachbeschä­digungen und Gewaltdeli­kte nach Alkoholkon­sum bei Jugendlich­en nehmen zu. „Der Gruppendru­ck ist ein Problem, damals, heute und in Zukunft“, sagt SPD-Politiker Herbert Woerlein. Vielleicht war das auch der Grund, dass die beiden zehnten Klassen des Gymnasiums Wertingen sich gerade dieses Thema für ihr Planspiel „Der Landtag sind wir!“ausgesucht haben?

In dem Planspiel, das der Sozialkund­elehrer Bernd Niebel erneut an die Schule geholt hatte, versetzten sich die Jugendlich­en in echte Politiker und diskutiert­en über einen Gesetzesen­twurf der Freien Wähler „zur Bekämpfung des übermäßige­n Alkoholkon­sums und die hierdurch bedingte Begleitkri­minalität sowie Gesundheit­sgefährdun­g Jugendlich­er in Bayern“. Denn Jugendschu­tz ist zwar Bundesrech­t, doch die Länder können Gesetze zur Umsetzung erlassen.

Die Teamer der Ludwig-Maxi- milians-Universitä­t in München, die am Lehrstuhl CAP (Centrum für angewandte Politikfor­schung) in der Forschungs­gruppe „Jugend und Europa“arbeiten, teilten jedem Schüler eine Rolle zu. Dazu erhielt jeder Material zur aktuellen Gesetzesla­ge, zur Problemati­k an sich und zur Position der „eigenen“Partei. Als Politiker der CSU, der SPD, der Freien Wähler oder der Grünen befassten die Schüler sich mit der Frage, ob ein Verkaufsve­rbot alkoholisc­her Getränke zwischen 22 Uhr und 5 Uhr in Geschäften und Verkaufsst­ellen und eine tägliche Sperrstund­e für den Ausschank ab 2 Uhr, auch auf Vereinsfes­ten und in Zelten, sinnvoll wäre. Die Teamer ermutigten die „Politiker für einen Tag“, sich wirklich auf das Thema einzulasse­n. Und so stritten sie zum Beispiel darüber, ob Verbote hier überhaupt eine Wirkung hätten oder den Alkoholkon­sum sogar noch reizvoller machen. Dass Aufklärung und Prävention wichtig sind, darüber waren sich die Jugendlich­en über die Parteigren­zen hinweg schnell einig. Sie entwickelt­en viele konkrete Ideen, die weit über die Schule hinaus reichten.

„Die Jugendlich­en schützen, aber nicht die Erwachsene­n bestrafen“, so formuliert­e ein Schüler in der zweiten Lesung des Plenums die Position der SPD zum Verkaufsve­rbot und zu den frühen Sperrzeite­n sogar am Wochenende, was ihm Spontan- applaus des Politikers Herbert Woerlein einbrachte. Besonders interessan­t für die Jugendlich­en war dann auch, was die „echten“Landtagsab­geordneten zum Thema Alkohol zu sagen hatten. MdL Georg Winter (CSU) überrascht­e alle mit seinem persönlich­en Statement, bei dem er weit ausholte: Er sei in einer Gaststätte groß geworden und habe von klein auf Alkoholpro­bleme in extremer Form erlebt. Er habe deswegen weder Alkohol noch Zigaretten angerührt. Und das obwohl es damals eine Schwäche war, Wasser zu trinken, was heute ja durchaus gesellscha­ftlich anerkannt sei. Sein erstes Bier habe er im Alter von 27 Jahren getrunken. Und auch dies passierte letztlich aus einem gewissen Verpflicht­ungsgefühl heraus. „Selbst ein Radler war für mich eine Herausford­erung“, erzählt er schmunzeln­d.

Abgeordnet­er Woerlein bestätigt, dass die Erwachsene­n in der Pflicht seien: „Der Papa, der nach der Arbeit erst einmal zwei, drei Halbe reinschütt­et, ist ein problemati­sches Vorbild.“Im Elternhaus, aber auch in der Schule müsse man die Kinder und Jugendlich­en stärken. „Wenn sie das Gefühl bekommen: ‚Ich kann etwas, ich kann mich in eine Gemeinscha­ft einfinden!’, dann brauchen sie den Alkohol nicht.“Genau deswegen seien die Schulen mit ihren Angeboten über den Unterricht hinaus so wichtig. Die 16-jährige Schülerin Evelyn Redl macht eben solche Erfahrunge­n in der Redaktion der Schülerzei­tung. Sie arbeitet im Planspiel in der Pressegrup­pe mit. „Stürzen Sie sich so schnell wie möglich in die Recherche!“, hieß es in den Anweisunge­n, die sie in der Pressemapp­e vorfand. Genau das fand Evelyn „cool“. Der journalist­ische Alltag mit Stress, Zeitdruck und Technikpro­blemen gefiel ihr: „Wir haben als Journalist­en sehr viel herumrenne­n müssen.“Und sie hatte sogar das Glück, Johann Häusler (FW) interviewe­n zu dürfen. Der Politiker konnte aufgrund eines anderen Termins nicht an der Schlussrun­de teilnehmen, kam aber am Vormittag vorbei und konnte somit in die Sitzungen der Ausschüsse und Fraktionen schauen.

Häusler lobte die Schüler für die engagierte­n Diskussion­en, sprach von einem „guten demokratis­chen Prozess“und erzählte vom Klima auf den „echten“Sitzungen des Landtags: „Von unten nach oben wird es immer profession­eller und showeffekt­hascherisc­her.“

Die rasende Reporterin Evelyn übernahm es in der Schlussrun­de dann auch, die Fragen des Presseteam­s an die Politiker zu stellen, zu denen sich noch Landtagsab­geordnete Christine Kamm (Die Grünen) gesellte und mit ihrer freundlich­en, zugewandte­n Art das positive Bild der „Politiker zum Anfassen“abrundete.

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Fotos: Sandra Bauer Politiker zum Anfassen (von links): die Landtagsab­geordneten Georg Winter (CSU), Herbert Woerlein (SPD) und Christine Kamm (Die Grünen).
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Evelyn Redl als rasende Reporterin im Interview mit MdL Johann Häusler.

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