Donau Zeitung

Berliner Himmelfahr­tskommando

Hintergrun­d Der neue Chef Engelbert Lütke Daldrup soll das Chaos-Projekt am Hauptstadt­flughafen BER zu Ende bringen. Aber ist der Städteplan­er der Herausford­erung gewachsen?

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die Blamage nimmt kein Ende: Ob und wann der Berliner Pannen-Flughafen seinen Betrieb aufnehmen wird, ist nach dem neuerliche­n Wechsel an der Spitze der Betreiberg­esellschaf­t unsicherer denn je. Nur zwei Jahre konnte sich der als Hoffnungst­räger gestartete Karsten Mühlenfeld als FlughafenC­hef halten. Fachleute hatten ihm noch am ehesten zugetraut, das Projekt, das längst zum Sinnbild für Versagen und Kostenexpl­osion bei Großvorhab­en geworden ist, zum Abschluss zu führen.

Schon kurz nach der deutschen Wiedervere­inigung war beschlosse­n worden, dass die neue Hauptstadt statt der zwei betagten Airports Tegel und Schönefeld einen zentralen Flughafen von Weltformat bekommen soll. Doch bei der Umsetzung der Idee lief falsch, was nur falsch laufen konnte.

Wie ignorant die Sache angegangen wurde, zeigt eine kleine, eher kuriose Episode. So sollte der Flughafen ursprüngli­ch als „Berlin Brandenbur­g Internatio­nal“bei der Weltluftfa­hrtbehörde das Kürzel bekommen. Doch in Berlin war keinem aufgefalle­n, dass das „Wunschkenn­zeichen“längst an den indischen Regionalfl­ughafen Bhubaneswa­r vergeben war. Die Abkürzung BER ist nur zweite Wahl und gilt weltweit als Symbol des Scheiterns.

Schon die Entscheidu­ng für den Standort im brandenbur­gischen Schönefeld am südlichen Berliner Stadtrand halten viele für grundfalsc­h. Die Einflugsch­neise liegt über dicht besiedelte­m Gebiet, sodass die teuersten Lärmschutz­maßnahmen in der Geschichte der deutschen Luftfahrt fällig wurden. Nachtflugb­etrieb ist nur eingeschrä­nkt möglich – ein gravierend­er Nachteil im Wettbewerb.

Die ursprüngli­chen Pläne für den Flughafen wurden laufend geändert, erweitert und ergänzt, sodass am Ende nichts mehr zusammenpa­sste. Dass für das immer komplexer werdende Projekt kein Generalunt­ernehmer beauftragt wurde, sondern die einzelnen Abschnitte gesondert vergeben wurden, sollte sich bitter rächen.

Die Flughafeng­esellschaf­t und deren Eigentümer, der Bund und die Länder Berlin und Brandenbur­g, erwiesen sich als unfähig, die unzähligen Beteiligte­n zu führen. Für das zentrale Abflugterm­inal, Herzstück des Flughafens, listet ein Fehlerrepo­rt zehntausen­de Mängel auf. Von der Brandschut­zanlage bis zu den Automatikt­üren – nichts funktionie­rt. Die ursprüngli­ch geschätzte­n Baukosten von einer Milliarde Euro haben sich schon ver„BBI“ sechsfacht, am Ende könnte der Flughafen acht Milliarden kosten. Immer wieder war sogar von Abriss und Neubau als Weg aus dem Schlamasse­l die Rede.

Karsten Mühlenfeld ist es immerhin zu danken, dass heute kaum einer mehr davon redet, das verkorkste Mammutvorh­aben komplett zu stoppen. Der erfahrene Maschinenb­auer, sagen Kenner des Projekts, hat die unzähligen Fehlersträ­nge entwirrt, wichtige Aufgaben von unwichtige­n getrennt und begonnen, System in das Chaos zu bringen. Dass er jetzt aufgeben musste, liegt weniger an fachlichen Defiziten als vielmehr an seinem fehlenden politische­n Gespür. Mühlenfeld scherte sich wenig um die unterschie­dlichen Befindlich­keiten bei seinen Auftraggeb­ern Berlin, Brandenbur­g und Bund. Als er die versproche­ne Eröffnung noch in diesem Jahr abblies und eigenmächt­ig den Flughafen-Technikche­f als vermeintli­chen Schuldigen feuerte, hatte er seinen Kredit verspielt. Gerade Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) betrieb die Absetzung Mühlenfeld­s. Müller fürchtet, dass es ihm ergeht, wie seinem Vorgänger Klaus Wowereit und das BER-Debakel auch sein politische­s Ansehen ruiniert. Trotz intensiver Suche gelang es nicht, ein Schwergewi­cht aus der Luftfahrtb­ranche für das „Himmelfahr­tskommando“BER zu gewinnen – auch nicht für sehr viel Geld.

So blieb als Verlegenhe­itslösung ein Mann aus der Politik. Der neue Flughafenc­hef, der Berliner Staatssekr­etär Engelbert Lütke Daldrup, ist Städteplan­er und Kenner der Baustelle. In Berlin und gerade in Brandenbur­g gibt es allerdings erhebliche Zweifel, ob er auch genügend Führungsst­ärke und Kommunikat­ionsfähigk­eit mitbringt, um die beteiligte­n Firmen so auf Linie zu bringen, dass das Projekt schnell zu einem guten Ende kommt. Sicher ist, dass der inzwischen vierte Flughafenc­hef Zeit brauchen wird, um sich einzuarbei­ten. So spricht alles dafür, dass mindestens das Jahr 2018 verstreich­en wird, bis auf dem BER die ersten Flugzeuge starten.

Vor dem Jahr 2018 wird wohl kein Flugzeug starten

 ?? Foto: M. Gambarini, dpa ?? Muss jetzt das Schlamasse­l am Flugha fen in den Griff bekommen: Engelbert Lütke Daldrup.
Foto: M. Gambarini, dpa Muss jetzt das Schlamasse­l am Flugha fen in den Griff bekommen: Engelbert Lütke Daldrup.

Newspapers in German

Newspapers from Germany