Donau Zeitung

Bergsteige­r rettet Begleiter

Unglück Stefan Mühlhans sah mit an, wie sein Freund bei einer Tour im österreich­ischen Kaisergebi­rge über 300 Meter in die Tiefe stürzte. Der Aichacher reagierte schnell

- VON LAURA JOCHAM

Augsburg/Kufstein Wie sein Bekannter vor seinen Augen hunderte Meter in die Tiefe stürzte, wird Stefan Mühlhans wohl nie vergessen. „Das Bild hat sich in mein Gedächtnis gebrannt“, sagt er. Mit zwei Freunden aus München unternahm der Aichacher, der in Augsburg arbeitet, am vergangene­n Wochenende eine Bergtour in Österreich. Alles verlief nach Plan. Bis sein Begleiter, Kai Henne, von einem Schneebroc­ken getroffen wurde und über 300 Meter in die Tiefe stürzte – und überlebte.

Die Bergsteige­r hatten sich auf eine ganz normale Tour zum Gipfel des Scheffauer­s im Kaisergebi­rge eingestell­t. Schon seit 30 Jahren sind sie befreundet, unternehme­n regelmäßig zusammen Touren. „Wir waren gut ausgerüste­t, hatten Steigeisen und Pickel dabei“, erinnert sich Mühlhans. Die Gruppe hatte den Südhang für den Aufstieg gewählt, war bereits seit sieben Uhr morgens unterwegs. Bis mittags wollten die drei es bis zum Gipfel geschafft haben. Kurz vor dem Ziel mussten Mühlhans, Henne und dessen Lebensgefä­hrtin eine Eisrinne überqueren. Henne machte den Anfang.

Schon da fielen Schneebroc­ken herab. Der 49-Jährige wollte umkehren. Und wurde getroffen. Er verlor das Gleichgewi­cht. Hennes Partnerin und Mühlhans sahen mit an, wie er in die Tiefe gerissen wurde. „Wie er uns dabei ansah, das habe ich noch genau vor Augen“, sagt Mühlhans. Seiner Meinung nach war die Entscheidu­ng umzukehren aber richtig.

Den Moment beschreibt der ebenfalls 49-Jährige, der als Leiter des Zentralen Projektman­agements für unser Unternehme­n, die PresseDruc­kund Verlags-GmbH, arbeitet, als surreal. „Wo gerade noch jemand stand, ist plötzlich keiner mehr.“Seine Angst galt dem Freund: Hat er überlebt? Trotz wei- cher Knie bewahrte Mühlhans die Fassung. Die Freundin des Verunglück­ten nahm die Ausgangsro­ute zurück ins Tal. Währenddes­sen suchte Mühlhans die Umgebung ab, versuchte, Blicke auf die Eisrinne zu erhaschen und seinen Freund auf dem Handy zu erreichen.

Über 300 Meter weiter unten lag Henne bewusstlos, teils von Eis und Schnee begraben. Das Klingeln seines Telefons weckte ihn auf. „Als mich Kai dann zurückrief, war ich sehr erleichter­t“, sagt Mühlhans. In diesem Moment zählte für ihn nur: „Wer sprechen kann, der lebt.“

In der Zwischenze­it hatte der Aichacher schon einen befreundet­en deutschen Bergretter informiert. Der setzte sich mit einer Einheit im österreich­ischen Kufstein, unweit des Kaisergebi­rges, in Verbindung. Hennes Lebensgefä­hrtin hatte den Verunglück­ten mittlerwei­le auch entdeckt. Innerhalb einer halben Stunde konnte er so gefunden und versorgt werden. Alle drei Bergsteige­r wurden schließlic­h von Hubschraub­ern geborgen. Henne liegt momentan in einem Krankenhau­s in Kufstein – mit einer großen Platzwunde, gerissenen Außenbände­rn und laut Mühlhans zehn gebrochene­n Rippen.

Bleibt die Frage, weshalb sich die kleine Lawine gelöst hatte. Mühlhans vermutet als Grund die Temperatur. „Wir hatten mit 12 bis 13 Grad gerechnet. Tatsächlic­h war es viel wärmer.“Der Schnee in der Steilrinne sei möglicherw­eise deshalb ins Rutschen gekommen.

Für die drei Bergsteige­r zählt jetzt, dass Henne schnell wieder gesund wird. Besonders bedeutend war für Mühlhans vor allem ein Moment: „Als sich Kai im Krankenhau­s unter Tränen bedankt hat, dass ich an seiner Rettung beteiligt war.“Als Retter will sich der Aichacher trotzdem nicht so recht bezeichnen lassen. Seiner Meinung nach gebührt der Titel den Einsatzkrä­ften der Bergwacht. „Ich habe nur schnell reagiert und mein Bestes gegeben.“Vom Bergsteige­n hält ihn der Unfall seines Freundes nicht ab. „Ich fühle mich aber schon geläutert und werde in Zukunft noch vorsichtig­er sein.“

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Foto: Stefan Mühlhans Dieses Bild entstand, kurz bevor Kai Henne (vorne) mehrere hundert Meter in die Tie fe stürzte.
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Stefan Mühlhans

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