Wenn sich die Wertinger mit Dillingen freuen
Krankenhaus Vor fünf Jahren schloss die Zusamtaler Geburtshilfe. Ein Blick zurück
Wertingen/Dillingen Wertingen teilt sein Schicksal mit mehr als 30 weiteren Geburtsstationen in Bayern, die in den vergangenen zehn Jahren geschlossen wurden. Doch jetzt trat ein, was niemand dachte: Im Freistaat kommen wieder mehr Kinder auf die Welt. Deshalb geraten mittlerweile die noch bestehenden Geburtshilfestationen an ihre Kapazitätsgrenzen. Während in der Region Bürger aktuell um die Wiedereröffnung der Geburtsstation in Illertissen kämpfen, wehren sich Weilheim und Bad Tölz gegen Schließungspläne (wir berichteten).
Wertingens Geburtshilfe traf es vor knapp fünf Jahren. Damals hatten die beiden Frauenärzte Dr. Martin Wiedenmann und Dr. Jan Balej ihre belegärztliche Tätigkeit eingestellt. Grund war die Haftpflichtversicherung in Höhe von 38000 Euro, die der Landkreis Dillingen nicht mehr voll bezahlen wollte. Damals stand die Deckelung auf 15 000 Euro im Raum. Dr. Wiedenmann sollte die Differenzsumme von 23000 künftig selbst übernehmen. Beide Frauenärzte haben zwar nach wie vor ihre Praxen in Wertingen, wechselten aber ans Donauwörther Krankenhaus, wo sie bis heute als Honorarärzte mit einer Hauptabteilung im Rücken arbeiten.
Für die Zusamtaler war die Schließung der Geburtshilfe ein herber Schlag. Sie kämpften schon vier Jahre zuvor für deren Erhalt. Mehr als 4000 Bürger und Bürgerinnen hatten in einer Großdemonstration vor der Wertinger Kreisklinik am 5. April 2008 leidenschaftliche Appelle an die Verantwortlichen gerichtet.
Dr. Johann Popp erinnert sich noch gut daran zurück: „Damals ging es aber um mehr als nur um den Erhalt der Geburtshilfe. Der Bestand des ganzen Krankenhauses stand 2008 auf dem Spiel.“Der Rückhalt aus der Bevölkerung sei ein äußerst wichtiges Signal an die Politik gewesen.
Die Menschen hätten eindrucksvoll gezeigt, dass sie nicht auf die Wertinger Klinik verzichten wollen. „Auf den Zusammenhalt der Zusamtaler Bewohner bin ich heute noch stolz“, sagt Popp, der als stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat der Kreiskliniken gGmH sitzt. Seit der Demonstration vor neun Jahren habe die Wertinger Kreisklinik wesentliche Stärkung erfahren, baulich wie personell, so Popp. Für die Geburtshilfeabteilung jedoch seien die Qualitätsanforderungen 2012 kaum mehr einzuhalten gewesen.
Selbst für die Schwesterklinik in Dillingen wurde es in letzter Zeit zunehmend schwerer, die Geburtshilfe aufrecht zu erhalten, bedingt durch Fachärztemangel und massiv gestiegene Haftpflichtprämien für Hebammen und für Belegärzte.
„Ich bin froh, dass wir nun im Landkreis Dillingen eine hauptamtliche Geburtshilfe erhalten werden“, sagt Ottilie Probst, Betriebsratsvorsitzende der Wertinger Kreisklinik. Damit sei die wohnortnahe Versorgung werdender Mütter gesichert. Mit einem weinenden Auge denkt sie an die Zeit zurück, als in Wertingen noch Kinder geboren wurden. Aber: „Es gibt keinen Weg mehr zurück.“
Auch Wertingens Bürgermeister Willy Lehmeier sieht das so: „Wir hatten 2012 leider nicht das Glück, Frauenärzte zu finden.“Wenn jetzt zwei neue Ärzte in Dillingen die Frauenheilkunde abdecken, sei dies auch für die Wertinger von Vorteil. Wegen des Fachärztemangels sei ein enger Schulterschluss mit Dillingen nötiger denn je. Die Stadt Wertingen hat in den vergangenen zehn Jahren mehr als fünf Millionen Euro in ihr Krankenhaus investiert, eine weitere Million steht im aktuellen Haushalt bereit. „Wir helfen uns gegenseitig“, bekräftigt Lehmeier die Zusammenarbeit.
Mehr Gemeinsinn hätte sich die Wertinger Hebamme Klara Gerlesberger gewünscht. Sie war jahrzehntelang im Wertinger Krankenhaus tätig, erlebte noch die Hauptabteilung und den Umbau in ein Belegsystem. „Wir waren immer da, wenn Schwangere zum Entbinden kamen, die Ärzte konnten auf uns bauen, wir waren für den Landkreis tätig.“
Trotzdem habe es nie eine offizielle Verabschiedung gegeben, bedauert Gerlesberger. Für die Frauen seien die Dillinger Pläne ein Glücksfall. „Vielleicht verraucht ja mit den neuen Frauenärzten der Wertinger Zorn.“