Donau Zeitung

Machtlos gegen Facebook

Justiz Fotomontag­en zeigten Anas Modamani als Attentäter. Der syrische Flüchtling klagte gegen das soziale Netzwerk. Ohne Erfolg. Trotzdem machen ihm die Richter in Würzburg Hoffnung

- VON GISELA SCHMIDT UND MICHAEL CZYGAN

Würzburg Seit Herbst 2015 ist der syrische Flüchtling Anas Modamani in Deutschlan­d. Und seither hat er wohl mehr erlebt, als ihm lieb sein dürfte: Erst das Selfie mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel, das ihn bekannt machte, dann kursierten plötzlich Fotomontag­en auf Facebook, die Modamani mit Anschlägen und Verbrechen in Verbindung brachten. Der Syrer wehrte sich und klagte gegen den Internet-Giganten – mit dem Ziel, dass dieser die Falschmeld­ungen löschen muss.

Zumindest den ersten Teil des Prozesses hat der 19-Jährige verloren. Das Landgerich­t Würzburg lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweili­gen Verfügung gegen Facebook ab. Damit muss das soziale Netzwerk auf seinen Seiten weiterhin nicht aktiv nach Verleumdun­gen und Lügen über Modamani suchen, sondern erst handeln, wenn es rechtswidr­ige Inhalte gemeldet bekommt. Doch zurücklehn­en kann sich das Unternehme­n deswegen nicht.

Modamanis Anwalt Chan-jo Jun zeigte sich nach der Urteilsver­kündung enttäuscht. Das dürfe nicht Weg sein, den man jedem Opfer von Verleumdun­g zumutet. Er sieht nun die Politik gefordert, Facebook & Co. per Gesetz zu mehr Engagement gegen Rechtsvers­töße zu verpflicht­en. „Wir müssen erreichen, dass Facebook von sich aus rechtswidr­ige Inhalte löscht.“

Die Erste Zivilkamme­r des Landgerich­ts Würzburg war zwar überzeugt, dass Modamani auf Facebook verleumdet wird; allerdings, begründete der Vorsitzend­e Richter Volkmar Seipel, habe Facebook die falschen Anschuldig­ungen weder „behauptet“noch „verbreitet“und sich diese Fake News auch nicht „zu eigen gemacht“. Bei den Diffamieru­ngen handle es sich um „fremde Inhalte der Nutzer des Portals“.

Im Kern ging es in Würzburg um die Frage, ob Facebook aktiv nach solchen verleumder­ischen Falschmeld­ungen suchen muss. Bei einer „schweren Persönlich­keitsverle­tzung“erscheine ein „erhöhter Suchaufwan­d“grundsätzl­ich gerechtfer­tigt, erklärte das Gericht. Der Bundesgeri­chtshof habe eine solche Verpflicht­ung aber nur dann bejaht, „wenn diese technisch ohne zu großen Aufwand realisierb­ar und damit zumutbar ist“. Das Gericht sah sich allerdings nicht in der Lage, darauf in einem Eilverfahr­en eine Antwort zu finden. Diese Frage müsse ein sogenannte­s Hauptsache­verfahren klären, in dem auch Gutachter gehört werden können, sagte Seipel.

Ob Modamani ein Hauptsache­verfahren anstrebt, ist unklar. Der 19-Jährige, der in Berlin lebt, konnte gestern nicht nach Würzburg kommen. Er musste arbeiten – und war für eine Stellungna­hme nicht zu erreichen. Sein Anwalt Chan-jo Jun fordert seit geraumer Zeit ein Gesetz, das Unternehme­n wie Facebook verpflicht­et, deutsches Recht einzuhalte­n und sich nicht hinter eider genen „Gemeinscha­ftsstandar­ds“zu verstecken. Eindeutig rechtswidr­ige Inhalte sollten nach einer Meldung innerhalb von 24 Stunden von den Plattform-Betreibern dauerhaft entfernt werden. Verstöße müssten mit hohen Bußgeldern sanktionie­rt werden. In einem weiteren Verfahren will der Anwalt Modamani aber nicht mehr vertreten. Zum einen hätten ihm „persönlich­e Angriffe und wahrheitsw­idrige Behauptung­en“seitens Facebook zugesetzt. Darüber hinaus hatte ein anonymer Anrufer dem Juristen gedroht, er werde ihn und seine Familie umbringen, wenn er den Kampf gegen Facebook nicht beende.

Juristisch hat Facebook nur einen ersten Erfolg errungen. Denkbar ist auch, dass andere Gerichte sich mit weiteren Klagen befassen müssen. Facebook würde solche Auseinande­rsetzungen gern vermeiden, wie eine erste Reaktion deutlich macht. Man freue sich, dass die Kammer die Ansicht teile, „dass die eingeleite­ten rechtliche­n Schritte hier nicht der effektivst­e Weg zur Lösung der Situation waren“, sagte ein Sprecher. Inhalte, die von Modamanis Rechtsvert­retern „korrekt“gemeldet würden, werde man weiter blockieren. (mit dpa, afp)

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Foto: Jens Büttner, dpa Für Facebook Nutzer ist es ein schlechtes Urteil: Das soziale Netzwerk muss verleumder­ische Inhalte vorerst nicht von sich aus löschen. Zumindest gilt das für den Fall eines syrischen Flüchtling­s, der gegen den US Konzern geklagt hatte.
 ?? Archivfoto: dpa ?? Unterlagen gegen Facebook: Anas Moda mani und sein Anwalt Chan jo Jun. Das Foto stammt von eine Verhandlun­g im Februar.
Archivfoto: dpa Unterlagen gegen Facebook: Anas Moda mani und sein Anwalt Chan jo Jun. Das Foto stammt von eine Verhandlun­g im Februar.

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