Engpässe bei Arzneimitteln
Medizin Derzeit sind Medikamente aus 280 Wirkstoffen nicht verfügbar. Für manche gibt es keine Alternative. Diese Probleme bestehen schon lange. Mit einem Gesetz soll sich das nun ändern
Berlin Dass Patienten die Medikamente bekommen, die sie dringend benötigen, ist nicht immer selbstverständlich. Denn zunehmend kommt es zu Lieferengpässen. Betroffen sind im Wesentlichen Arzneimittel, die nur für Krankenhäuser hergestellt werden – darunter viele Injektionslösungen, Antibiotika, Krebsmedikamente und Anästhetika.
Doch woran liegt das? Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, sieht als einen Grund für Lieferengpässe, dass sich unter den Herstellern Monopole für bestimmte Arzneimittel gebildet hätten. Sobald es bei einem Hersteller zu Schwierigkeiten komme, treffe dies die ganze Lieferkette bis hin zu den Patienten.
Ein neues Arzneimittelgesetz soll nun Abhilfe schaffen. Gesundheitspolitiker der Koalition haben in Gesprächen am Montag beschlossen, dass Pharmaunternehmen in Zukunft Lieferengpässe direkt an Krankenhausapotheken melden müssen. Das Gesetz soll bereits an diesem Donnerstag verabschiedet werden.
Der AOK Baden-Württemberg, der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) geht das allerdings nicht weit genug. Sie forderten am Mittwoch, dass Pharmaunternehmen verpflichtet werden, ihre Lagerbestände sowie kurzfristige Lieferprobleme an das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn zu melden. Bislang geschah das nur auf freiwilliger Basis. Dies würden Hersteller jedoch ausnutzen, um ihre Lieferfähigkeit zu beschönigen, sagte Wolf-Dieter Ludwig.
Die Zahlen zeigen die Dramatik Situation: Derzeit listet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Engpässe bei 24 Wirkstoffen auf, die „überwiegend zur Behandlung lebensbedrohlicher oder schwerwiegender Erkrankungen bestimmt und für die keine Alternativpräparate verfügbar sind“.
Tatsächlich nicht verfügbar seien jedoch derzeit Arzneimittel aus etwa 280 verschiedenen Wirkstoffen, wie eine Umfrage des ADKA unter Krankenhausapotheken zeigte. 30 dieser Wirkstoffe werden von den Apotheken als versorgungskritisch eingestuft. Auf der Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel finden sich davon derzeit lediglich acht.
Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, sagte: „Die Meldepflicht für nicht lieferbare Medikamente im KrankenhausSektor ist begrüßenswert. Aber es ist nur ein erster Schritt. Weitere müssen folgen.“Denn allein dadurch, dass ein neues Gesetz komme, sei das Problem noch nicht gelöst. Dem stellvertretenden SPDFraktionsvorsitzenden Karl Lauterbach zufolge käme es zum Teil sogar vor, dass Medikamente, für die in Deutschland Lieferengpässe gemeldet sind, im Ausland weiterder hin vom Hersteller verkauft werden – dort aber zu deutlich höheren Preisen.
Im Gegensatz zu Krankenhäusern seien die Arzneimittel in deutschen Apotheken sehr gut verfügbar, sagte Hermann. Im vergangenen Jahr sei bei lediglich 0,6 Prozent der Arzneimittel in Apotheken dokumentiert worden, dass sie nicht geliefert werden können. „Das ist jede 167. Packung“, verdeutlichte er. Müsste ein Arzneimittel bestellt werden, läge dieses in 99 Prozent der Fälle am nächsten Tag zur Abholung in der Apotheke bereit. Hermann sagte: „Ein Versorgungsengpass ist das nicht.“