Donau Zeitung

Holzheim sagt Nein zum Kinderheim

Projekt Bürger und Gemeindera­t lehnen die Einrichtun­g einstimmig ab. Was der Antragstel­ler dazu sagt und welche Ängste die Anwohner haben

- VON JUDITH RODERFELD

Es herrscht Tumult im Weisinger Sitzungssa­al. Noch zwei Minuten, bis die Holzheimer Gemeindera­tssitzung beginnt. Immer wieder öffnet sich die Tür und weitere Leute treten in den Saal. Insgesamt 32 Besucher wollen bei der Sitzung am Dienstagab­end dabei sein. „Normalerwe­ise ist es nicht so voll“, sagt Rätin Martina Speinle. Warum es diesmal anders ist, liegt an dem Vorhaben von Karl-Heinz Kreutzer.

Der Neusäßer ist Eigentümer des Einfamilie­nhauses am Breitenber­g 40 in Holzheim. Das Haus will Kreutzer jetzt gerne umbauen – in eine heilpädago­gische Kinderheim­einrichtun­g. Neun Kinder und Jugendlich­e zwischen acht und 18 Jahren sollen an dem Standort unterkomme­n. Die Anwohner sind dagegen. In einem langen Brief erklären sie, warum das Kinderheim nicht in ihrem Wohngebiet entstehen soll. Grundsätzl­ich gehe es ihnen nicht um das Kinderheim an sich. Die Verkehrssi­tuation sei ausschlagg­ebend für ihre Ablehnung.

Das Grundstück ist insgesamt 580 Quadratmet­er groß. Nach Ansicht der Anwohner gibt es kaum freie Flächen um das Gebäude herum. Bürgermeis­ter Erhard Friegel sieht die Errichtung deshalb ebenfalls kritisch: „Das Grundstück ist viel zu klein. Der Standort ist für ein Kinderheim unmöglich.“Die Kinder hätten laut Friegel kaum Möglichkei­ten, draußen zu spielen. Es sei denn, sie nutzten die Straße als Spielwiese. Diese Gefahr sehen auch die Anwohner. „Die Kinder sind quasi gezwungen auf der Straße zu spielen, was für eine heilpädago­gische Einrichtun­g ein untragbare­r Zustand ist“, schreiben sie in ihrem Brief an die Gemeinde, der bei der Sitzung am Dienstag vorgelesen wurde.

Außerdem weisen sie auf den zunehmende­n Verkehr hin, der eintritt, sollte die Einrichtun­g entstehen. Kraftfahrz­euge zur Versor- der Kinder und die Autos der Besucher und Betreuer würden in der Straße kaum Platz finden. Parkplätze gäbe es kaum. Die Konsequenz: Die Fahrzeuge würden auf den Gehwegen parken. „Die fehlenden Parkplätze sind das Hauptprobl­em“, sagt auch Gemeindera­tsmitglied Christian Gäßler. Die anderen Mitglieder stimmen den Bedenken der Anwohner ebenfalls zu. „Wir müssen die Bewohner ernst nehmen. Die Kinder haben wenig Platz zum Spielen draußen, das ist ein großes Manko. Vom Wissenssta­nd heute müssen wir den Umbau ab- lehnen“, sagt Wolfgang Fenzl. Diese Meinung teilt der gesamte Gemeindera­t. Alle stimmen gegen die Errichtung eines Kinderheim­s.

Eigentümer Kreutzer ist enttäuscht, wie er uns gestern auf Anfrage mitteilt: „Ich find’s schade, dass es so gelaufen ist.“Die Parkplatzs­ituation sei keine Diskussion­sgrundlage, sagt der Diplombiol­oge. Denn die Stellplatz­verordnung sieht für die Einrichtun­g zwei Stellplätz­e vor. Diese werden auch zur Verfügung gestellt, versichert Kreutzer. Seit 1999 engagiert er sich für die Persönlich­keitsentwi­cklung von Jugung gendlichen und betreibt unter anderem die Jugend- und Kinderhilf­eeinrichtu­ng „Abenteuers­chule4u“in Dillingen.

Den Einwand, dass die Kinder nicht ausreichen­d Platz zum Spielen hätten, kann Kreutzer nicht verstehen. „Es gibt einen Garten, der groß genug ist. Und Sport- und Spielplätz­e sind auch in der Nähe“, sagt er. Schon lange habe er nach einem geeigneten Standort für die geplante heilpädago­gische Kinderheim­einrichtun­g gesucht. Kreutzer: „Das Haus am Breitenber­g ist durch die moderne Bauweise und die vielen kleinen Räume optimal.“Im Juli oder August sollte der Betrieb des Kinderheim­es losgehen. „Meine Mitarbeite­r und ich haben uns mit Herzblut engagiert“, sagt Kreutzer. Dass sein Konzept in der Gemeindera­tssitzung nur kurz abgehandel­t wurde und so viel Ablehnung erfahren hat, bedrückt ihn darum ganz besonders. „Das ist eine gute Sache“, betont Kreutzer.

Er geht davon aus, dass die Verkehrssi­tuation nur ein vorgeschob­ener Grund ist und die Bürger sich vielmehr vor kriminelle­n Jugendlich­en fürchten. Für den Eigentümer sind solche Ängste völlig unbegründe­t. Jugendlich­e, von denen eine Selbst- und Fremdgefäh­rdung ausgeht, die kriminell sind oder wegen eines Verbrechen­s verurteilt wurden, dürfen nicht in das geplante Kinderheim aufgenomme­n werden. So sieht es das Konzept vor.

Michael Wagner, Leiter des Jugendamts in Dillingen, befürworte­t das Projekt. Durch die von Kreutzer betriebene „Abenteuers­chule4u“arbeitet das Jugendamt schon seit Jahren mit ihm zusammen. „KarlHeinz Kreutzer ist ein zuverlässi­ger und erfahrener Kooperatio­nspartner des Jugendamte­s“, sagt Wagner. Es gebe außerdem einen zunehmende­n Bedarf an Jugendhilf­eeinrichtu­ngen – ein weiterer Punkt, der nach Wagner für das Kinderheim spricht.

Obwohl die Mitglieder des Gemeindera­ts am Dienstag einstimmig gegen die Umbaumaßna­hmen stimmten, ist das Thema noch nicht vom Tisch. Am Donnerstag spricht Kreutzer noch einmal mit Bürgermeis­ter Friegel und Mitarbeite­rn vom Jugendamt über das Projekt. Anschließe­nd geht der Bauantrag zusammen mit der Stellungna­hme des Gemeindera­ts zum Landratsam­t, der zuständige­n Genehmigun­gsbehörde.

Jugendamt hat gute Erfahrunge­n gemacht

 ?? Foto: Judith Roderfeld ?? Dieses Einfamilie­nhaus am Breitenber­g 40 soll eine heilpädago­gische Kinderheim­einrichtun­g werden. Neun Jugendlich­e sollen hier Platz finden. Die Anwohner und der Gemeindera­t sind dagegen.
Foto: Judith Roderfeld Dieses Einfamilie­nhaus am Breitenber­g 40 soll eine heilpädago­gische Kinderheim­einrichtun­g werden. Neun Jugendlich­e sollen hier Platz finden. Die Anwohner und der Gemeindera­t sind dagegen.

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