Im Schatten einer Blutbuche
Poetischer Blick (29) Wo steht das Denkmal? Es geht um eine Kugel und eine Erinnerung
Landkreis Eine Kugel, in der Kontur ein Kreis, symbolisch eigentlich etwas stimmig Abschließendes, etwas Vollkommenes, ruht auf einem Podest, das für sie viel zu groß ist. Sinngemäß zu dem in Stein Gemeißelten müsste ein Reiterdenkmal darauf stehen; andererseits: in Stein gemeißelt stehen da Namen, Namen von Menschen, gefallen im Kugelhagel, gefallen in der Ausübung einer Forderung, die ausgesprochen wurde von denen, die doch wussten, nicht die Konsequenzen ihres chauvinistischen Handelns tragen zu müssen. Die Leidtragenden sind diesbezüglich nur selten auch die Verursacher ihres Elends. Jeder der Erinnerten ist unschuldig am Erlittenen; und das ist eigentlich unerträglich.
Die Kugel, das Runde, das Wiederkehrende rundet sich in diesen Jahren nun auch zeitlich ab: es ist ein Jahrhundert vorüber, da der Wahnsinn tobte, Unzählige sinnlos ihr Leben verloren. Seltsam dieses periodische Erinnern, weil die Zeit eine Schlaufe komplettiert hat, etwas wiederkehrt wie eine himmlische Konstellation zum jubilarischen Mal. Wie sinnig zudem, dass das hier Beschriebene im Schatten einer Blutbuche steht, sommers unter rötlich gefärbtem Laub.
Und ist ein Baum nicht selbst ein Symbol des Wiederkehrenden? Sein Blattwerk vor allem erinnert doch Jahr für Jahr an das Immergleiche. Ein Ort des Erinnerns also; ein kugeltragendes Podest beschriftet mit Namen Gewesener unter einem Laubbaum im Wechsel der Jahreszeiten: ein „memento mori“(Gedenke, dass Du sterben musst).
Und doch kann auch Trost empfunden werden, denn bald wird die Buche an diesem besagten Ort wieder Blätter tragen, mit frühlingshaftem Trieb.