Donau Zeitung

Arbeitgebe­r kann Kopftuch verbieten

Urteil Gerichtsho­f erweitert Spielraum der Unternehme­n. Sie brauchen aber gute Gründe

- VON DETLEF DREWES UND SIMON KAMINSKI

Brüssel/Luxemburg Religion ist Privatsach­e, das Tragen religiöser Symbole am Arbeitspla­tz aber nicht. Dies hat der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg entschiede­n und damit auch die deutsche Rechtsprec­hung vor neue Herausford­erungen gestellt. Denn das Urteil erlaubt es Unternehme­n grundsätzl­ich, religiöse Symbole wie Kopftücher zu verbannen, beziehungs­weise Arbeitnehm­er zu entlassen, die darauf nicht verzichten wollen. Allerdings müssen dazu zwei Voraussetz­ungen erfüllt werden: Die Firmenleit­ung muss über eine Richtlinie verfügen, die weltanscha­uliche und politische Symbole generell untersagt und gleichzeit­ig im Einzelfall gute Gründe für ein Verbot liefern.

Die Richter befassten sich mit zwei Fällen: Eine Rezeptioni­stin bei einem belgischen Sicherheit­sunternehm­en hatte ihrem Arbeitgebe­r angekündig­t, künftig bei ihrer Tätigkeit ein Kopftuch tragen zu wollen. Dies widersprac­h einer internen Regelung, die das Tragen „sichtbarer Zeichen ihrer politische­n, philosophi­schen oder religiösen Überzeugun­g“ausschließ­t. Die Firma kündigte der Muslimin, die wiederum dagegen klagte.

Ein Unternehme­n, so heißt es nun in einer Erklärung des EuGH, habe das Recht, „den Kunden ein Bild der Neutralitä­t zu vermitteln“. Da diese Vorschrift keinen Unterschie­d zwischen einem muslimisch­en Kopftuch, einer jüdischen Kippa oder dem Turban eines Hindus mache, sei die Anweisung nicht „unmittelba­r diskrimini­erend“.

Die zweite Klägerin war in einem französisc­hen Software-Haus tätig. Ein Kunde hatte sich beschwert, weil die Muslimin während ihrer Arbeit das Kopftuch trug. Die anschließe­nde Entlassung der Frau wies das Gericht jedoch zurück. Anders als im ersten Fall fehlte in diesem Haus eine klare Regelung, die das Zeigen oder Tragen religiöser Symbole untersagte. Für die Richter war dieser Punkt zentral: Ohne allgemeine Arbeitsvor­schrift, die Symbole aller Religionen betreffen würde, führt eine Maßnahme gegen eine muslimisch­e Frau mit Kopftuch zu einer mittelbare­n Diskrimini­erung. Diese ist jedoch nicht von der einschlägi­gen EU-Richtlinie gedeckt.

Das Luxemburge­r Grundsatzu­rteil, das deutsche Gerichte umsetzen müssen, bezieht sich erstmals explizit auf die private Wirtschaft. Was bedeutet das nun für deutsche Unternehme­n? Zunächst bleibt es dabei, dass das Tragen eines Kopftuches bei der Arbeit grundsätzl­ich erlaubt ist. Allerdings hat das EuGHUrteil den Spielraum für die Unternehme­n, insbesonde­re Mitarbeite­rn

Entscheide­nd könnte der Kundenkont­akt sein

mit Kundenkont­akt das Tragen von weltanscha­ulichen Symbolen zu untersagen, deutlich erweitert. Die Auswirkung­en für die Praxis in den Firmen sind schwer einzuschät­zen: Die IHK Schwaben geht davon aus, dass die Unternehme­n dies auch in Zukunft „intern im guten Miteinande­r regeln“. In der Vergangenh­eit habe es zu diesem Thema „keinerlei Anfragen seitens der Unternehme­n“gegeben, sagte Kammerspre­cherin Andrea Reischl unserer Zeitung.

Eine weitere Folge des Urteils dürfte es sein, dass muslimisch­en Frauen in Deutschlan­d untersagt werden kann, mit Kopftuch hinter der Ladentheke zu arbeiten, während sie als Lehrerinne­n an einer staatliche­n Schule weiterhin auf diese Weise ihr Haar bedecken dürfen. Das Bundesverf­assungsger­icht hat 2015 der Glaubensfr­eiheit Vorrang vor dem staatliche­n Neutralitä­tsgebot eingeräumt.

Lesen Sie dazu auch einen Kom mentar von Rudi Wais und einen Hintergrun­d in der Politik.

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