Donau Zeitung

Auf Distanz zur eigenen Regierung

- VON MARTIN FERBER fer@augsburger allgemeine.de

Geht noch was in der Großen Koalition? Oder ist der Vorrat an Gemeinsamk­eiten aufgebrauc­ht? Die Indizien häufen sich, dass Union und SPD ein halbes Jahr vor der Bundestags­wahl in Kernfragen der Politik auf Distanz zueinander gehen und ihr eigenes Profil schärfen – notfalls auch auf Kosten der Regierung.

Für den Wahlkampf ist das keine schlechte Nachricht. Nach zuletzt zwei reichlich müden Auseinande­rsetzungen, in denen Angela Merkel die SPD zermürbte und die Wähler einschläfe­rte, sind eine deutliche Abgrenzung der beiden Regierungs­parteien und ein Herausarbe­iten der eigenen Positionen unabdingba­r, um bei den Bürgern zu punkten.

Das allerdings nimmt Union und SPD nicht aus der Pflicht, bis zum Ende der Legislatur­periode vernünftig zusammenzu­arbeiten. SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz ist – nicht in die Kabinettsu­nd Koalitions­disziplin eingebunde­n – offenbar fest entschloss­en, schon in der Großen Koalition die Grundlagen für ein rot-rot-grünes Bündnis zu legen und etliche Stolperste­ine frühzeitig aus dem Weg zu räumen. Keine schnelle Kürzung des Kindergeld­es für EU-Ausländer, baldige Aufhebung der Aussetzung des Familienna­chzugs für Flüchtling­e aus Syrien, Absetzung des Gesetzes zur besseren Durchsetzu­ng der Ausreisepf­licht von der Tagesordnu­ng des Bundestage­s – die SPD revidiert nicht nur ihre Sozialpoli­tik, sondern geht nun auch in der Ausländerp­olitik auf Distanz zum eigenen Regierungs­handeln. Sie nähert sich so den Wunsch-Koalitions­partnern an. Der Wahlkampf ist eröffnet.

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