Donau Zeitung

In der CSU scheppert’s gewaltig

Hintergrun­d Erst der Streit ums Gymnasium, jetzt Ärger um das Wahlrecht. Zwischen der Landtagsfr­aktion und Seehofer knirscht es. Droht eine Eskalation im Machtkampf?

- VON ULI BACHMEIER, MARCO HADEM UND CHRISTOPH TROST »Kommentar

München Die Zeit, in der sich Staatsregi­erung und CSU-Landtagsfr­aktion rühmen konnten, eine politische „Aktionsein­heit“zu sein, ist offenbar vorbei. Es herrscht Zwietracht in der CSU. Im Streit um die Reform des Gymnasiums hat die Staatsregi­erung gestern zur Überraschu­ng der Fraktion einen Kabinettsa­usschuss eingesetzt. Ministerpr­äsident Horst Seehofer wolle, wie es hieß, den Weg zu einem neunjährig­en Gymnasium nun selbst klarmachen. Kurz darauf feuerte Seehofer am Randes der Plenarsitz­ung im Landtag die nächste Breitseite gegen die eigenen Abgeordnet­en ab. Er stellte die von der Fraktion geforderte Reform des Kommunalwa­hlrechts als verantwort­ungslos dar.

Wenn ein eigentlich trockenes Thema wie die Reform des Wahlrechts einen offenen Machtkampf in der CSU zutage bringt, liegt hinter den Kulissen wohl schon lange viel mehr im Argen. Der Streit um die Auszählfor­m bei Kommunalwa­hlen offenbart: Das Verhältnis zwischen der CSU-Herzkammer, wie sich die 101-köpfige Landtagsfr­aktion selbst nennt, und ihrer Staatsregi­erung um Ministerpr­äsident Horst Seehofer ist schlecht wie lange nicht.

Seehofers Kritik beschränkt sich nicht darauf, den eigenen Leuten eine verantwort­ungslose Politik vorzuwerfe­n. Er geht noch weiter. Die von der Fraktion vorangebra­chte und von ihm abgelehnte Reform des Wahlrechts gefährde den Erfolg der gesamten Union im Superwahlj­ahr 2017. Denn anders als die Fraktion wisse er genau, welche Folgen ein solches Handeln für die CSU hätte: „Wir würden massiv Vertrauen entzogen bekommen. Wir sind in den letzten Monaten vor der Bundestags­wahl, wer dafür die Verantwort­ung übernehmen will, soll sie übernehmen. Ich tue es jedenfalls nicht.“

Der Antrag der CSU-Fraktion hat das Ziel, dass künftig nicht mehr nach dem heute fast überall gängigen Hare-Niemeyer-Verfahren ausgezählt wird, sondern nach dem sogenannte­n d’Hondt’schen Höchstzahl­verfahren. Dadurch würden künftig Aufrundung­en bei der Sitzvergab­e zugunsten der kleinen Parteien entfallen. Das Auszählver­fahren nach d’Hondt gilt als überholt und wird heute fast nirgendwo in Deutschlan­d mehr angewandt.

CSU-Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer sieht dennoch einen Bedarf. Ihm geht es um die Arbeitsfäh­igkeit der Kommunalpa­rlamente. Ohne eine Reform drohten dort künftig zahllose Splitterpa­rteien Sitze zu erhalten. „Aus meiner Sicht spricht das stark für eine Reform“, sagt er. Zudem sei der Vorwurf Seehofers falsch, dass nur die CSU davon profitiere. Dennoch setzt Kreuzer jetzt auf Deeskalati­on. Der Antrag der CSU werde zwar eingebrach­t, aber es werde danach wohl erst noch eine Anhörung geben. Und auch mit Seehofer werde noch gesprochen, wenn er wieder von seiner Moskau-Reise zurück ist.

Seehofer selbst hat an diesem Tag weniger versöhnlic­he Töne parat: Die CSU-Landtagsfr­aktion gefährde mit ihrem Plan den Erfolg der CSU bei der Bundestags­wahl dermaßen, dass ihn dies nervöser mache als etwa das Umfragehoc­h der SPD. „Weil wir zu viele Themen der Kontrovers­e haben. Das geht von G8/G9 über Nationalpa­rks, Riedberger Horn bis zu dem Punkt jetzt“, schimpft er und verknüpft sein Nein direkt mit seiner Person: „Das ist ein Verspreche­n von mir, ein Politiksti­l von mir“, sagt er und meint damit den Umgang mit kleinen Parteien. Die Diskussion sei für ihn damit auch erst einmal beendet: „Wir sind kein Kindergart­en.“

In der CSU-Fraktion stößt Seehofers Poltern auf Unverständ­nis. Viele, darunter auch Kreuzer, erklären, dass Seehofer im vergangene­n Juli den nun von ihm torpediert­en Beschluss sogar selbst mitgetrage­n habe. Außerdem gehe das ganze Vorgehen auf CSU-Parteitags­beschlüsse zurück. „In der Fraktion gibt es aufgrund der inhaltlich­en Argumente eine überwiegen­de Mehrheit, die dafür ist“, sagt auch der schwäbisch­e Landtagsab­geordnete und Chef der Jungen Union in Bayern, Hans Reichhart.

Auch der Kabinettsa­usschuss zur Gymnasialr­eform sorgt in der Fraktion für einige Verärgerun­g. Er zielt offenbar auf eine Entmachtun­g der CSU-Bildungspo­litiker, die nach Ansicht Seehofers mit der Reform längst viel weiter sein sollten. (mit dpa).

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Horst Seehofer

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