Wie es den Schleckerfrauen heute geht
Wirtschaft Auch frühere Mitarbeiterinnen des Drogerieunternehmens verfolgen den Prozess gegen ihren ehemaligen Firmenchef
Landkreis Günzburg Der Schock saß tief: Vor fünf Jahren ging die Drogeriemarktkette Schlecker in die Insolvenz. Auch alle Filialen im Landkreis Günzburg wurden geschlossen. Die Mitarbeiterinnen mussten sich neue Jobs suchen. Jetzt steht Anton Schlecker vor Gericht. Und mit ihm seine Familie. Sie sollen ein Vermögen beiseitegeschafft haben, ehe ihr Unternehmen pleiteging.
Evelyne Sendler aus JettingenScheppach hat 16 Jahre lang bei der Drogeriemarktkette gearbeitet. Als sie vor fünf Jahren von der Insolvenz erfuhr, hatte sie sofort einen Gedanken: „Da stimmt etwas nicht.“Sie habe nicht glauben können, so erzählt sie heute im Gespräch mit unserer Zeitung, dass von dem immensen Vermögen der Unternehmerfamilie nichts mehr übrig sein soll. Evelyne Sendler selbst hat ihren Job nicht verloren – sie hatte bereits einige Jahre zuvor gekündigt. Davor war sie 16 Jahre lang an mehreren Standorten angestellt: Ihre Arbeit bei der Drogeriemarktkette führte sie über Thannhausen, Münsterhausen und Jettingen nach Burgau. Die Arbeit sei nicht einfach gewesen, erinnert sie sich. „Man hat an uns Mitarbeitern gespart“, klagt sie.
Einige Mitglieder der SchleckerFamilie hat sie kennengelernt. „Nett und freundlich“seien sie gewesen, erinnert sich Evelyne Sendler. Den Kontakt zu einigen Kolleginnen hat sie nach ihrer Kündigung gehalten. Sie weiß daher, dass viele der sogenannten Schlecker-Frauen von der Nachricht der Insolvenz völlig geschockt waren. Schlecker ist für Evelyne Sendler heute kein Thema mehr. Den Prozess um den einstigen Drogeriemarktkönig verfolgt sie nicht. „Ich habe mit Schlecker abgeschlossen“, macht sie klar.
Auch Erna Baur hat abgeschlossen. 29 Jahre lang hat sie für Schlecker gearbeitet, am Ende war sie Verkaufsleiterin in Leipheim. Sie denkt gerne daran zurück. „Ich hatte eine gute Zeit, ich hatte einen guten Arbeitsplatz“, erinnert sie sich. Natürlich sei auch für sie die Insolvenz ein Schock gewesen. „Das haben wir Mitarbeiter nicht kommen sehen.“Vorwürfe möchte sie der Schlecker-Familie nicht machen.
Felicitas Schmid aus Offingen ist es nicht egal. „Ich hätte nie gedacht, dass einen das psychisch so runterziehen kann“, sagt sie über die Schlecker-Pleite. Von 1998 bis zum Ladenschluss im Jahr 2012 war sie in der Offinger Filiale angestellt. Wie der eigene Laden sei der Drogeriemarkt gewesen. „Es war immer ein schönes Arbeiten. Ich habe auch gut verdient, nach Tarif“, erzählt Schmid. „Und dann kamen die XLLäden. Das wollten vor allem die Schlecker-Kinder. Sie haben die Mitarbeiter der kleinen Läden ausgestellt und in den XL-Läden eingestellt, bei deutlich weniger Gehalt.“
Felicitas Schmid ist sich sicher: Hätte man nicht die XL-Läden favorisiert, sondern die kleinen Läden modernisiert, dann gäbe es den Schlecker heute noch. Neue Böden, Wände und die Umstellung auf moderne Bestellsysteme hätte es gebraucht. Irgendwann sei dann keine Ware mehr gekommen, die Kundschaft ausgeblieben und die Umsätze eingebrochen – „der Anfang vom Ende“, sagt sie rückblickend.
Nach der Pleite hatte sie es schwer. „Wir Frauen ab 50 sind nicht leicht vermittelbar. Außerdem hatten wir den Eindruck, dass bestimmte Firmen keine ehemaligen Schlecker-Mitarbeiter einstellen wollen“, erzählt die Offingerin. Über ein halbes Jahr lang habe sie Bewerbungen geschrieben. Heute arbeitet sie bei einer anderen Drogeriemarktkette in Günzburg.
Den Prozess verfolgt Felicitas Schmid in den Medien. „Wenn das Ehepaar Schlecker mit dem Taxi bei Gericht vorfährt, denkt man sich schon seinen Teil“, sagt sie. Schließlich wisse doch jeder, dass die Familie Luxus-Autos und eine Villa besitze. „Und mir haben sie die letzten vier Monatsgehälter nicht mehr gezahlt“, ärgert sich Schmid. „Ich hoffe, dass alle vier Schleckers ihre gerechte Strafe kriegen.“Bis heute findet sie das Aus der Kette schade für die ehemaligen Angestellten.
Auch Melanie Maidorn-Blüher aus Burgau bedauert, dass es Schlecker nicht mehr gibt. Wäre die Kette nicht abgewickelt worden, wäre sie heute noch da, ist sich die 38-Jährige sicher. Sie war sehr gerne dort, „es war ein freies Arbeiten“, und sie konnte die Familie gut mit dem Job in Einklang bringen. Angefangen hatte sie im März 1999 mit einem Ferienjob – und blieb. Im Dezember 2008 kam dann die erste Kündigung und der Wechsel zu Schlecker XL. An der Burgauer Zeisiggasse war eine der ersten der neu gestalteten Filialen, die sie mit eröffnete. In Zusmarshausen übernahm sie eine eigene Zweigstelle, 2011 bekam sie ihren ersten Bezirk und wurde Bezirksleiterin. Anton Schlecker und seine Frau hat sie immer mal wieder gesehen, und das nicht nur auf den Bildern, die in den Büros der Zweigstellen hingen. Sie hat sie bei deren Besuchen in Filialen als kompetent wahrgenommen, aber dass etwas mit dem Unternehmen nicht stimmt, habe ab einem gewissen Zeitpunkt jeder erkennen müssen. „Bestellte Ware kam teils über Wochen nicht, oder die falsche.“Auch seien die Entwicklungen hin zu modernerem Einkaufen eine ganze Weile verschlafen worden, die Modernisierung und das XL-Konzept seien zu spät gekommen.
Zwar empfindet sie das Verhalten der Schlecker-Familie zum Schluss als „sehr egoistisch“, die Mitarbeiter seien den Chefs wohl egal gewesen. Aber es sei auch ein Problem, dass es offenbar eine Gesetzeslücke gibt, sodass die Schleckers so viel Geld aus dem Unternehmen für eigene Zwecke herausziehen konnten. Einen Groll verspürt sie nicht auf ihre früheren Arbeitgeber, den Prozess findet sie unnötig. Sie war gerne in der Firma, sie hat Schönes erlebt – und ihren heutigen Mann dort kennengelernt.