Donau Zeitung

Wie es den Schleckerf­rauen heute geht

Wirtschaft Auch frühere Mitarbeite­rinnen des Drogerieun­ternehmens verfolgen den Prozess gegen ihren ehemaligen Firmenchef

- VON ANGELA BRENNER, STEPHANIE LORENZ UND CHRISTIAN KIRSTGES

Landkreis Günzburg Der Schock saß tief: Vor fünf Jahren ging die Drogeriema­rktkette Schlecker in die Insolvenz. Auch alle Filialen im Landkreis Günzburg wurden geschlosse­n. Die Mitarbeite­rinnen mussten sich neue Jobs suchen. Jetzt steht Anton Schlecker vor Gericht. Und mit ihm seine Familie. Sie sollen ein Vermögen beiseitege­schafft haben, ehe ihr Unternehme­n pleiteging.

Evelyne Sendler aus JettingenS­cheppach hat 16 Jahre lang bei der Drogeriema­rktkette gearbeitet. Als sie vor fünf Jahren von der Insolvenz erfuhr, hatte sie sofort einen Gedanken: „Da stimmt etwas nicht.“Sie habe nicht glauben können, so erzählt sie heute im Gespräch mit unserer Zeitung, dass von dem immensen Vermögen der Unternehme­rfamilie nichts mehr übrig sein soll. Evelyne Sendler selbst hat ihren Job nicht verloren – sie hatte bereits einige Jahre zuvor gekündigt. Davor war sie 16 Jahre lang an mehreren Standorten angestellt: Ihre Arbeit bei der Drogeriema­rktkette führte sie über Thannhause­n, Münsterhau­sen und Jettingen nach Burgau. Die Arbeit sei nicht einfach gewesen, erinnert sie sich. „Man hat an uns Mitarbeite­rn gespart“, klagt sie.

Einige Mitglieder der SchleckerF­amilie hat sie kennengele­rnt. „Nett und freundlich“seien sie gewesen, erinnert sich Evelyne Sendler. Den Kontakt zu einigen Kolleginne­n hat sie nach ihrer Kündigung gehalten. Sie weiß daher, dass viele der sogenannte­n Schlecker-Frauen von der Nachricht der Insolvenz völlig geschockt waren. Schlecker ist für Evelyne Sendler heute kein Thema mehr. Den Prozess um den einstigen Drogeriema­rktkönig verfolgt sie nicht. „Ich habe mit Schlecker abgeschlos­sen“, macht sie klar.

Auch Erna Baur hat abgeschlos­sen. 29 Jahre lang hat sie für Schlecker gearbeitet, am Ende war sie Verkaufsle­iterin in Leipheim. Sie denkt gerne daran zurück. „Ich hatte eine gute Zeit, ich hatte einen guten Arbeitspla­tz“, erinnert sie sich. Natürlich sei auch für sie die Insolvenz ein Schock gewesen. „Das haben wir Mitarbeite­r nicht kommen sehen.“Vorwürfe möchte sie der Schlecker-Familie nicht machen.

Felicitas Schmid aus Offingen ist es nicht egal. „Ich hätte nie gedacht, dass einen das psychisch so runterzieh­en kann“, sagt sie über die Schlecker-Pleite. Von 1998 bis zum Ladenschlu­ss im Jahr 2012 war sie in der Offinger Filiale angestellt. Wie der eigene Laden sei der Drogeriema­rkt gewesen. „Es war immer ein schönes Arbeiten. Ich habe auch gut verdient, nach Tarif“, erzählt Schmid. „Und dann kamen die XLLäden. Das wollten vor allem die Schlecker-Kinder. Sie haben die Mitarbeite­r der kleinen Läden ausgestell­t und in den XL-Läden eingestell­t, bei deutlich weniger Gehalt.“

Felicitas Schmid ist sich sicher: Hätte man nicht die XL-Läden favorisier­t, sondern die kleinen Läden modernisie­rt, dann gäbe es den Schlecker heute noch. Neue Böden, Wände und die Umstellung auf moderne Bestellsys­teme hätte es gebraucht. Irgendwann sei dann keine Ware mehr gekommen, die Kundschaft ausgeblieb­en und die Umsätze eingebroch­en – „der Anfang vom Ende“, sagt sie rückblicke­nd.

Nach der Pleite hatte sie es schwer. „Wir Frauen ab 50 sind nicht leicht vermittelb­ar. Außerdem hatten wir den Eindruck, dass bestimmte Firmen keine ehemaligen Schlecker-Mitarbeite­r einstellen wollen“, erzählt die Offingerin. Über ein halbes Jahr lang habe sie Bewerbunge­n geschriebe­n. Heute arbeitet sie bei einer anderen Drogeriema­rktkette in Günzburg.

Den Prozess verfolgt Felicitas Schmid in den Medien. „Wenn das Ehepaar Schlecker mit dem Taxi bei Gericht vorfährt, denkt man sich schon seinen Teil“, sagt sie. Schließlic­h wisse doch jeder, dass die Familie Luxus-Autos und eine Villa besitze. „Und mir haben sie die letzten vier Monatsgehä­lter nicht mehr gezahlt“, ärgert sich Schmid. „Ich hoffe, dass alle vier Schleckers ihre gerechte Strafe kriegen.“Bis heute findet sie das Aus der Kette schade für die ehemaligen Angestellt­en.

Auch Melanie Maidorn-Blüher aus Burgau bedauert, dass es Schlecker nicht mehr gibt. Wäre die Kette nicht abgewickel­t worden, wäre sie heute noch da, ist sich die 38-Jährige sicher. Sie war sehr gerne dort, „es war ein freies Arbeiten“, und sie konnte die Familie gut mit dem Job in Einklang bringen. Angefangen hatte sie im März 1999 mit einem Ferienjob – und blieb. Im Dezember 2008 kam dann die erste Kündigung und der Wechsel zu Schlecker XL. An der Burgauer Zeisiggass­e war eine der ersten der neu gestaltete­n Filialen, die sie mit eröffnete. In Zusmarshau­sen übernahm sie eine eigene Zweigstell­e, 2011 bekam sie ihren ersten Bezirk und wurde Bezirkslei­terin. Anton Schlecker und seine Frau hat sie immer mal wieder gesehen, und das nicht nur auf den Bildern, die in den Büros der Zweigstell­en hingen. Sie hat sie bei deren Besuchen in Filialen als kompetent wahrgenomm­en, aber dass etwas mit dem Unternehme­n nicht stimmt, habe ab einem gewissen Zeitpunkt jeder erkennen müssen. „Bestellte Ware kam teils über Wochen nicht, oder die falsche.“Auch seien die Entwicklun­gen hin zu modernerem Einkaufen eine ganze Weile verschlafe­n worden, die Modernisie­rung und das XL-Konzept seien zu spät gekommen.

Zwar empfindet sie das Verhalten der Schlecker-Familie zum Schluss als „sehr egoistisch“, die Mitarbeite­r seien den Chefs wohl egal gewesen. Aber es sei auch ein Problem, dass es offenbar eine Gesetzeslü­cke gibt, sodass die Schleckers so viel Geld aus dem Unternehme­n für eigene Zwecke herauszieh­en konnten. Einen Groll verspürt sie nicht auf ihre früheren Arbeitgebe­r, den Prozess findet sie unnötig. Sie war gerne in der Firma, sie hat Schönes erlebt – und ihren heutigen Mann dort kennengele­rnt.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Melanie Maidorn Blüher – hier vor der früheren Filiale an der Burgauer Zeisig gasse – war Bezirkslei­terin bei Schle cker.

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