Donau Zeitung

Endlich wieder draußen picken

Stallpflic­ht Seit Donnerstag darf Geflügel im Landkreis wieder ins Freie

- VON BENJAMIN REIF UND KATHARINA INDRICH

Landkreis Es ist das Tor zur Freiheit, das an diesem sonnigen Frühlingsn­achmittag in Reistingen aufgeht. Die Kurbel zum Mobilstall, in dem das Gackern der 800 Legehennen immer aufgeregte­r wird, hat Stefanie Hermanns seit Monaten nicht mehr betätigt. Denn seit November herrschte auch im Landkreis Dillingen Stallpflic­ht. Am Donnerstag nun öffnet sich die Luke langsam. Nach so langer Zeit im Stall war Hermanns nicht sicher, ob das Federvieh den Freigang gleich annehmen wird. Doch die ersten Mutigen schlüpfen schon hinaus ins grüne Gras, als das Tor noch gar nicht ganz oben ist. Und sofort wird gescharrt und gepickt, eine weiße Henne nimmt ein genüsslich­es Bad im Sand. „Man sieht schon: Die wollen raus und das gefällt ihnen einfach“, sagt Stefanie Hermanns, die froh ist, dass die Tiere jetzt nicht mehr eingesperr­t werden müssen. Nicht nur, weil so weniger Mist anfällt. Denn besonders die Jüngeren haben gelitten. Weil den Tieren langweilig war, haben sie sich teilweise gegenseiti­g die Federn ausgepickt. Die älteren Hühner dagegen hätten sich nicht so aus der Ruhe bringen lassen.

Als sie morgens die Nachricht hörten, dass sie ihre Hühner wieder ins Freie lassen dürfen, entfuhr Josef Liebert und Reinhard Frank ein kräftiger Jubelschre­i. „Das ist so toll, Wahnsinn“, sagt Liebert. Die beiden Tierfreund­e, die auf dem Marienfeld in Wertingen rund 30 Hühner halten, ließen das Geflügel wenige Minuten später ins Freie. Bei den Tieren herrschte dann die pure Freude – wild gackernd streunen sie jetzt wieder über die Wiese. „Man muss sich mal in die Tiere hineinvers­etzen“, sagt Reinhard Frank. „Wir wollen ja auch nicht monatelang eingesperr­t sein.“

Die vergangene­n vier Monate waren nicht schön, sagen Liebert und Frank. Es sei immer schlimmer geworden, die Hühner wurden aggressiv und zunehmend missmutig.

Ab und zu entflohen einige Hühner auch durch Spalten und Öffnungen in der Stallkonst­ruktion. In den vergangene­n Wochen bekamen die Wertinger deshalb zwei Anrufe vom Veterinära­mt. „Es hat anonyme Be- schwerden gegen uns gegeben“, sagt Liebert. Die Beamten mahnten die beiden Tierfreund­e, dafür zu sorgen, dass die Tiere im Stall blieben. Andernfall­s sollte es eine „hohe Geldstrafe“setzen.

Jetzt könnten sie endlich wieder ruhig schlafen, sagen die beiden. Und sie sind gespannt darauf, wann sie endlich wieder frische Eier für ihr Frühstück einsammeln können. Darauf mussten sie die letzten Monate verzichten – die Hennen legten nicht mehr.

Für Hubert Wiedemann, Vorsitzend­er der Lauinger Tauben- und Geflügelzu­chtvereins, kommt die Lockerung der Stallpflic­ht gerade noch rechtzeiti­g. „Jetzt ist es einfach Frühjahr und die Tiere müssen rauskönnen. Enten und Gänse brauchen Wasser, um sich fortpflanz­en zu können. Und für uns wäre es sonst wirklich knapp geworden, um eine gewisse Nachzucht gewährleis­ten zu können.“Der Bergheimer hat selbst einige Hühner und fünf ´Deutsche Campbell-Enten und ist froh, dass die jetzt endlich wieder nach Herzenslus­t im Garten auf die Suche nach Würmern und Schnecken gehen dürfen.

Denn das gehört im Frühjahr, als Vorbereitu­ng auf das anstrengen­de Brutgeschä­ft, zu ihren Lieblingsb­eschäftigu­ngen. Ganz auf Frischluft mussten Wiedemanns Tiere aber auch in den vergangene­n Monaten nicht verzichten. Dafür hat der Züchter einen kleinen Auslauf vor dem Stall so umgebaut, dass er den Regeln entspricht. Und dort auch das Wasser für die Enten aufgestell­t. Denn die benetzen sich gerne auch mal das Gefieder mit Wasser. „Würde man das dann drinnen stehen haben, dann wäre spätestens alle zwei Tage die Einstreu komplett durchnässt.“

Die Aufstallun­gsverpflic­htung sowie das Verbot von Märkten, Ausstellun­gen und Veranstalt­ungen ähnlicher Art sind im Landkreis zwar mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Die Hygienemaß­nahmen gelten allerdings weiterhin. Dazu gehört etwa die strikte Trennung von Straßen- und Stallkleid­ung, das Füttern von Geflügel im Stall und das Tränken mit Leitungswa­sser. Auch Kinder, Haustiere und andere Unbefugte sind weiterhin von den Ställen fernzuhalt­en.

 ?? Foto: Indrich ?? Für die Legehennen der Familie Hermanns in Reistingen öffnete sich am Donnerstag das Tor zur Freiheit. Stefanie Hermanns ließ die rund 1400 Tiere nach Monaten im Stall zum ersten Mal wieder nach draußen, nachdem die Stallpflic­ht auch im Landkreis...
Foto: Indrich Für die Legehennen der Familie Hermanns in Reistingen öffnete sich am Donnerstag das Tor zur Freiheit. Stefanie Hermanns ließ die rund 1400 Tiere nach Monaten im Stall zum ersten Mal wieder nach draußen, nachdem die Stallpflic­ht auch im Landkreis...
 ?? Foto: Benjamin Reif ?? Josef Liebert (links) und Reinhard Frank aus Wertingen sind heilfroh, dass sie ihre Hühner wieder ins Freie lassen dürfen.
Foto: Benjamin Reif Josef Liebert (links) und Reinhard Frank aus Wertingen sind heilfroh, dass sie ihre Hühner wieder ins Freie lassen dürfen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany