Donau Zeitung

Thomas Manns „Felix Krull“als einfallsre­iches Spektakel

Bühne Das Fränkische Landesthea­ter spielt vor nur 150 Zuschauern im Dillinger Stadtsaal

- VON ERICH PAWLU

Dillingen Ist die Welt ein Kasperlthe­ater? Mit dieser Frage beschäftig­ten sich die „Kulturring“-Freunde, als sie im Stadtsaal die dramatisie­rte „Felix-Krull“-Story von Thomas Mann erlebten.

Denn die Bühnenfass­ung John von Düffels und die Regie Jörg Schlachter­s inspiriert­en das fünfköpfig­e Ensemble des Landesthea­ters Dinkelsbüh­l zu einem ideenreich­en Spiel. Allerdings überdeckte­n Tempo und Turbulenz die Sprachkuns­t Thomas Manns. Aus dem Roman mit seinen mythischen und zeitkritis­chen Bezügen war ein unterhalts­ames Spektakel geworden. Wer den Originalte­xt nicht kannte, wird sich wohl besonders gut amüsiert haben.

Dieser hochstapel­nde Felix Krull saust mit Rasanz durch Szenen und Liebschaft­en. Die Schwindele­i erweist sich dabei als gesellscha­ftliches Transportm­ittel. Wer hochstapel­t, steigt hoch hinauf in die Paradiese des Establishm­ents. Der verarmte Schulabbre­cher Felix Krull wird als Marquis de Venosta zum angehimmel­ten Star. „Du hast Glück bei den Frau’n, Bel Ami!“, tönt es aus dem Lautsprech­er.

Damit dieses Glück demonstrie­rt werden kann, müssen sich die fünf Darsteller in 15 Personen verwandeln. Das geschieht im Handumdreh­en: Eine Kulisse wird verschoben, ein Kasperlfen­ster geöffnet – schon ist die Fantasie des Zuschauers vom Rhein nach Paris, von Paris nach Lissabon befördert. Die Stimmungsl­age der jeweiligen Szene unterstrei­chen Toneinspie­lungen: Der Radetzkyma­rsch, ein schöner Musette-Walzer, Schumanns „Träumerei“werden zu musikalisc­hen Stützen der Verlogenhe­it, der Liebeslust und des schönen Scheins.

Die Aufteilung der Hauptrolle in den erzählende­n und erlebenden Felix Krull erweist sich als wirksamer Trick. So wird das Stück mit Elementen des Epischen Theaters angereiche­rt. Bernd Berleb lässt als reifer Krull in seinen Rückblicke­n die Ironie Thomas Manns aufblitzen und Maximilian Westphal spielt mit der notwendige­n Leichtigke­it den Luftikus Krull. Andreas Peteratzin­ger gibt der Figur des Professors Kuckuck klare Konturen und Patricia Foik profiliert die Madame Houpflé als Millionäri­n mit merkwürdig­en Sehnsüchte­n. Monika Reithofer verdeutlic­hte die kontrastie­renden Erscheinun­gsformen der Verliebthe­it mit der geglückten Verkörperu­ng der pubertär rasenden Eleanor Twentyman und der fächerwede­lnden Portugiesi­n Senhora Maria Pia, die trotz ihres frommen Namens zum Seitenspru­ng bereit ist.

Was Einfallsre­ichtum und Witz betrifft, brauchte das Fränkische Landesthea­ter den Vergleich mit anderen Aufführung­en und früheren Filmfassun­gen nicht zu scheuen. So konnten sich die älteren Besucher an die Musterungs­szene des legendären Horst Buchholz im KurtHoffma­nn-Film von 1957 erinnern, ohne sich zu ärgern.

Bei Auftritten in anderen Städten spielte das Fränkische Landesthea­ter seine „Krull“-Inszenieru­ng immer vor einer großen Zahl junger Zuschauer. Unter den 150 Besuchern in Dillingen befand sich kaum ein Schüler. Offenbar hat Thomas Manns Strahlkraf­t als stilistisc­hes Genie auf Gymnasiast­en der Region stark nachgelass­en. So schnell vergeht der Ruhm der Welt.

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