Schmerzjammer in der Herzkammer
Hintergrund Viele CSU-Abgeordnete wollten oder wollen kein G9. Wird es Widerstand geben?
München Die „Tapferkeit vor dem Freund“war noch nie sehr ausgeprägt in der CSU-Landtagsfraktion, die sich selbst gerne als die „Herzkammer“der Partei bezeichnet. Dem Ministerpräsidenten und seinen Mitstreitern in großer Runde zu widersprechen, kann für die eigene politische Karriere schließlich unangenehme Folgen haben. Gegen seine innere Überzeugung einem Vorhaben zuzustimmen, macht aber auch nicht wirklich Spaß. Was also wird die schrumpfende Truppe der G 9-Gegner tun, wenn es ab nächste Woche ernst wird mit der Entscheidung über die Zukunft des Gymnasiums?
Der Groll, dass überhaupt wieder angefangen wurde, über eine mögliche Rückkehr zu einer neunjährigen Gymnasialzeit zu reden, sitzt bei einigen CSU-Abgeordneten tief. Die Älteren im Landtag erinnern sich an den Ärger, den die Einführung des G 8 mit sich gebracht hatte. Manch einer fragt: Soll das jetzt alles umsonst gewesen sein? Andere zweifeln an der Notwendigkeit, etwas zu ändern. Das Gymnasium, so sagen sie, sei doch längst kein Thema mehr gewesen in den Versammlungen und Bürgersprechstunden. Wieder andere sorgen sich um die Kosten: Das zusätzliche Geld, das jetzt fürs Gymnasium und dann notwendigerweise auch für andere Schularten ausgegeben wird, werde in Zukunft an anderer Stelle fehlen. Das ist der stille Schmerzjammer in der Herzkammer.
Dass daraus in den beiden Wochen vor der Osterpause offener Widerstand gegen die Rückkehr zu einem neuen G9 werden könnte, erwartet allerdings offenbar niemand in der CSU-Fraktion. Das Thema sei durch, heißt es auf mehrfache Nachfrage. Ministerpräsident Horst Seehofer wolle das neue G9 ebenso wie Kultusminister Ludwig Spaenle. Und seit auch noch Finanzminister Markus Söder gesagt habe, dass das Geld für die Gymnasialreform da sei, hätten auch viele hartnäckige Zweifler eingelenkt. Es sei deshalb bestenfalls noch mit „Rückzugsgefechten“zu rechnen. „Das Gymnasium“, so sagt ein erfahrener Abgeordneter, „wird geschluckt werden, aber nur höchst widerwillig“.
Letzte Unsicherheiten aber bleiben – allerdings nicht unbedingt in der Sache, sondern im Atmosphärischen. Das Verhältnis zwischen Seehofer und der Regierungsfraktion hat in den vergangenen Wochen einen neuen Tiefpunkt erreicht: Der Streit um einen dritten Nationalpark, die Hängepartie um eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen, das Zerwürfnis wegen der von der Fraktion geforderten Reform des Kommunalwahlrechts zugunsten der CSU, die anhaltende Personaldiskussion in der Partei und das unbefriedigende Verhältnis zur Schwesterpartei CDU im Jahr der Bundestagswahl – all dies drückt auf die Stimmung.
Spätestens in der Fraktionssitzung am 5. April wird sich zeigen, ob es Seehofer und seinen Mitstreitern gelingt, den Druck aus dem Kessel zu nehmen. Nach mehreren vorbereitenden Beratungen soll an diesem Tag die Entscheidung zur Gymnasialreform fallen. Bereits am heutigen Samstag tagt der Kabinettsausschuss.