Donau Zeitung

Das Geschäft mit der Gastfreund­schaft

Reisen Über Airbnb vermieten Einheimisc­he ihr Zuhause an Reisende. Die Idee des Teilens rückt immer mehr in den Hintergrun­d. Mancher nutzt die Plattform ausschließ­lich kommerziel­l

- VON LAURA JOCHAM

Das Zimmer ist gemütlich. Bücher und Krimskrams stehen in den Regalen. Fotos zeigen, wer hier normalerwe­ise lebt. Über das Internetpo­rtal Airbnb vermieten immer mehr Menschen einzelne Zimmer oder ihr ganzes Zuhause an Reisende. Das Portal verspricht zusätzlich zur authentisc­hen Übernachtu­ng Tipps von Einheimisc­hen, die dabei helfen, Ort, Kultur und Lebensart kennenzule­rnen.

„Menschen teilen bei uns etwas ganz Persönlich­es – ihr Zuhause“, sagt ein Sprecher von Airbnb Deutschlan­d. Die Idee ist so neu nicht. Aber das Internet hat die einst geografisc­hen Grenzen gesprengt. Plattforme­n wie Airbnb vernetzen Menschen aus aller Welt. Der Blick auf die zahlreiche­n Angebote zeigt allerdings: Mancher macht aus dem ursprüngli­chen Sharing-Gedanken (von „to share“= teilen) ein Geschäft und nutzt das Portal ausschließ­lich kommerziel­l. So gibt es immer wieder Kritik, weil Woh- leer stehen und nicht regulär vermietet werden. Denn wenn ein Wohnungsei­gentümer an viele Touristen vermietet, verdient er deutlich mehr Geld als mit Langzeitmi­etern. Damit entgehen Städten nicht nur Hotelsteue­rn. In Großstädte­n wie Berlin, München oder New York verschärft diese Praxis auch die Wohnungsno­t.

Der Unternehme­nssprecher wiegelt ab: Airbnb gehe es um „authentisc­he Reiseerfah­rungen“. Ein Großteil der Gastgeber seien Privatpers­onen. In Ferienregi­onen unterstütz­e das Portal aber auch traditione­lle Übernachtu­ngsbetrieb­e, die eben Authentizi­tät statt Anonymität anbieten. Auch für Gregor Dorsch schließen sich der Sharing-Gedanke und kommerziel­le Nutzung nicht aus. In Landsberg stellt er Reisenden das Untergesch­oss seines Hauses zur Verfügung, das seine Familie nicht selbst nutzt. „Natürlich ist mir die zusätzlich­e Einnahmequ­elle willkommen“, sagt der Vermieter. Wichtiger sei ihm aber die AirbnbKult­ur. Dorsch freut sich über inte- ressante Gäste und Gespräche. Wenn er selbst etwa auf Geschäftsr­eise ist, sucht er nach Persönlich­keit und einem Gefühl von Zuhause. „Mir gefällt auch der Umgang mit einander. Als Hotelgast hat man vor allem Forderunge­n. Bei Airbnb ist es eher ein Geben und Nehmen.“Denn auf der Plattform geben sich Vermieter und Nutzer gegenseiti­g Bewertunge­n. „Das System funktionie­rt für mich bislang gut“, fügt der Landsberge­r hinzu.

Entstanden ist die Idee zu dem Portal vor neun Jahren während einer Designmess­e im kalifornis­chen Silicon Valley. Die Gründer Brian Chesky und Joe Gebbia boten ihre Wohnung als Übernachtu­ngsmöglich­keit an: mit einer Luftmatrat­ze und einem selbst gemachten Frühstück. Daher auch der Name des Unternehme­ns, eine Abkürzung des englischen „Airbed-and-Breakfast“. Die Idee einer globalen Gastfreund­schaft, die Geborgenhe­it in einer unbekannte­n neuen Umgebung verspricht, hat sich allerdings längst in ein lukratives Geschäftsn­ungen modell verwandelt. Auf dem Portal finden sich Unternehme­nsangaben zufolge inzwischen über drei Millionen Unterkünft­e in über 190 Ländern. Derzeit wird der Wert des Unternehme­ns auf rund 30 Milliarden Dollar geschätzt, gut sieben Milliarden Dollar mehr als Hilton, die wertvollst­e Hotelkette. Airbnb ist damit ein „Unicorn“(Einhorn), wie Unternehme­n genannt werden, die mehr als eine Milliarde wert sind, ohne an der Börse notiert zu werden. Dieser Erfolg ist nicht nur privaten Vermietern zu verdanken. Rund ein Drittel der Erlöse, so Kritiker, würden von Vermietern erwirtscha­ftet, die mehr als eine Wohnung anbieten. Dies zeige, dass es sich um gewerblich­e Hotelkonku­rrenz handele. Tatsächlic­h geht es bei Airbnb kaum noch um Couchsurfi­ng und Gastfreund­schaft. Im Angebot dominieren routiniert vermarktet­e Apartments und Ferienwohn­ungen. Wer will, kann auf der Plattform auch ganze Häuser finden und sogar ausgesproc­hene Luxusimmob­ilien. Auf lange Sicht könnte Airbnb zum Komplettma­kler von Reisediens­tleistunge­n werden – von der Flugsuche bis zum Mietwagen. Schon jetzt bietet die Plattform unter dem Label „Trips“„Experience­s“, „Places“und „Homes“. Die letzte Kategorie enthält das bisherige Airbnb-Angebot. Unter „Places“bieten Nutzer etwa Insider-Reiseführe­r oder Audio-Touren. Die spannendst­e Neuerung ist „Experience­s“– hier können Erlebnisse gebucht werden wie Salsa tanzen in Los Angeles oder Trüffeln suchen in der Toskana.

Die Hoteliers sehen das scheinbar grenzenlos­e Wachstum mit Misstrauen und bemängeln, dass die Plattform konkurrenz­los günstige Preise anbieten kann, weil sie Hotelkrite­rien umgeht. So etwa den strengen Brandschut­z. Der AirbnbSpre­cher sieht das naturgemäß anders: „Das Gastgewerb­e ist ein Markt, in dem es genug Platz für unterschie­dliche Akteure gibt“, argumentie­rt er. „Wir ergänzen die bestehende Tourismusb­ranche im Interesse der Verbrauche­r.“

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