Donau Zeitung

Klein Kanada im Karwendel

Mautstraße­n im Tölzer Land

- VON BERND F. MEIER

Wenn Thomas Michl frühmorgen­s zur Arbeit fährt, hängen noch Nebelfetze­n über dem Isartal. Hin und wieder springen Rehe über die Fahrbahn. Michl ist Mautner an der Forststraß­e zwischen Vorderriß und Wallgau. Über zwölf Kilometer windet sich die Forststraß­e am Berghang entlang. Die Strecke entlang der Isar ist eine von etwa einem halben Dutzend Mautstraße­n in Südbayern. Erst seit den 1960er Jahren ist sie ausgebaut und wird seitdem als gebührenpf­lichtige Forststraß­e geführt, erzählt Rudolf Plochmann, Leiter des Forstbetri­ebs Bad Tölz. Die Route selbst ist viel älter: Pferdegesp­anne waren dort vor Jahrhunder­ten auf unbefestig­ter Piste unterwegs. Handelswar­en aus Österreich und Italien wurden außerdem mit Holzflößen auf der Isar flussabwär­ts bis München transporti­ert. Die Isarstreck­e liegt zwischen den Kocheler Bergen und dem Karwendelg­ebirge, das zu den am dünnsten besiedelte­n Gebieten in Mitteleuro­pa zählt. Reisende erleben Natur pur. „Wir sind hier in Klein-Kanada“, sagt Mautner Michl. Das Tal gilt als eine der letzten wilden Flusslands­chaften in Deutschlan­d. Von den schäumende­n Fluten werden Bäume und Sträucher entwurzelt und mitgerisse­n, bei sinkendem Wasserstan­d bleiben sie am Ufer liegen.

Natur auf sich wirken lassen

Plochmann rät, an der Mautstraße auch mal Pause zu machen und hinunter zum Fluss zu gehen. „Lassen Sie die Natur auf sich wirken. Entdecken Sie die unterschie­dlichen Farben des Wassers, seine Strömungen und die stillen Seitenarme.“Von zehn Parkplätze­n entlang der Route ist der Zugang für Besucher zum Wildfluss möglich. Weitere Trampelpfa­de durch den Auenbereic­h haben die Forstleute mit Findlingen abgesperrt. Das Ökosystem im Naturschut­zgebiet Oberes Isartal soll bewahrt werden. „Ab Ostern kommen die ersten Besucher ins Tal“, sagt Michael Schödl vom Landesbund für Vogelschut­z in Bayern. Der Biologe aus Ohlstadt erinnert an die sensible Natur: „Im Frühjahr sind die Kiesbänke Brutgebiet der gefährdete­n Flussregen­pfeifer und der vom Aussterben bedrohten Flussuferl­äufer.“Deshalb sei zu dieser Zeit besondere Umsicht geboten, um dort keine Vogelneste­r zu zerstören.

Wildcampen untersagt

So reizvoll es auch sein mag, mit einem Wohnmobil über Nacht in der Wildnis zu bleiben oder sein Zelt aufzuschla­gen wie in kanadische­n oder schwedisch­en Wäldern – beides ist im Naturschut­zgebiet strikt untersagt. Für die Caravaner gibt es ausgewiese­ne Nachtparkp­lätze in Fall und am Walchensee im Weiler Einsiedl. Natur pur im Oberen Isartal – so ganz stimmt das nicht. Ein Teil des Isarwasser­s und mehrerer Gebirgsbäc­he werden über ein komplexes System von Kanälen und Wassertunn­eln in den Walchensee abgezweigt. „Nur ein Fünftel der Isar gelangt in den meisten Monaten bis in das wilde Flusstal“, berichtet Biologe Schödl. Der große Rest des Wassers sorgt für den ausreichen­den Pegelstand des Walchensee­s, dessen Wasser die Turbinen eines Wasserkraf­twerks antreibt.

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Fotos: Bernd F. Meier Das Isartal zwischen Vorderriß und Wallgau liegt in einer der wildesten Naturlands­chaften Europas.
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Lebt am Isar Fluss: die gefleckte Schnarrsch­recke.

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