Donau Zeitung

Justiz ermittelt gegen Türkei

Es geht um Spionage auf deutschem Boden

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Spitzelakt­ionen, schwarze Listen und Drohungen – jetzt hat der Generalbun­desanwalt Ermittlung­en gegen den türkischen Geheimdien­st MIT aufgenomme­n. Der Dienst steht im Verdacht, Anhänger des islamistis­chen Predigers Fetullah Gülen in Deutschlan­d auszuforsc­hen. Die Behörde bestätigte am Dienstag auf Anfrage von NDR, WDR und Süddeutsch­er Zeitung, dass ein Ermittlung­sverfahren wegen des Verdachts der Spionage eingeleite­t wurde. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) warnte die Türkei gestern davor, die Ausforschu­ngen fortzusetz­en.

Türkeistäm­mige Politiker in Deutschlan­d sind schon lange überzeugt, dass nicht nur der türkische Geheimdien­st in Deutschlan­d spitzelt. Ali Ertan Toprak (CDU) hat bereits im Gespräch mit unserer Zeitung darauf verwiesen, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe „die türkeistäm­migen Deutschen ganz offen dazu aufgerufen, die Gegner seiner Politik auszuspion­ieren“. Und genau dies geschehe jetzt im großen Stil.

Ankara behauptet, dass Gülen hinter dem gescheiter­ten Putschvers­uch vom Juli 2016 steckt. Seit der Niederschl­agung gab es Massenverh­aftungen von vermeintli­chen oder tastsächli­chen Gülen-Anhängern. Für Kritiker wie Toprak geht

Der türkische Geheimdien­st hat sich verrechnet

es Erdogan jedoch in Wahrheit darum, jeden Widerstand gegen die AKP-Regierung zu brechen.

Fast schon kurios mutet an, dass es der MIT selber war, der eine Liste mit Namen angebliche­r Anhänger des in den USA im Exil lebenden Predigers Gülen an den Bundesnach­richtendie­nst (BND) übergeben hatte. Der MIT hoffte darauf, dass deutsche Kollegen Amtshilfe leisten würden. Ein Trugschlus­s. Denn der BND übermittel­te die Liste an die Sicherheit­sbehörden in den Bundesländ­ern. Dort gehen nun in der Regel die Polizeibeh­örden auf die in der Liste erwähnten Personen und Institutio­nen zu, um sie über den Spionageve­rdacht zu informiere­n statt sie auszuspion­ieren. Gleichzeit­ig wurden sie darauf hingewiese­n, dass bei ihrer Einreise in die Türkei eine Verhaftung drohen könnte. Die Liste soll Namen von mehr als 300 in Deutschlan­d lebenden angebliche­n Gülen-Anhängern enthalten.

Auch Ali Toprak erhielt über Facebook Warnungen wie „Ich habe Dich gemeldet“oder „Wir warten auf Dich“. Toprak: „Jeder, der gegen die AKP öffentlich Stellung bezieht, stehe auf der Liste und wird als Terrorist bezeichnet“.

Zur Nervosität Ankaras trägt bei, dass der Ausgang des Referendum­s zur Einführung eines autoritäre­n Präsidials­ystems am 16. April völlig ungewiss scheint. Eine Nervosität, die sich auf die Atmosphäre bei der in Deutschlan­d für Türkeistäm­mige angelaufen­en Stimmabgab­e für das Referendum überträgt. (mit afp)

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Foto: dpa Eine Deutsch Türkin stimmt in Mainz über das Referendum ab.

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