Donau Zeitung

Mit Paletten großen Schaden angerichte­t

Justiz Ein Lastwagenf­ahrer stiehlt Europalett­en und verkauft sie

- VON ALEXANDER SING

Günzburg Gestohlene Ware weiterzuve­rkaufen, ist ein Jahrtausen­de altes Geschäftsm­odell. Typischerw­eise denkt man bei Hehlerware heute an Autoradios oder Handys. Doch offenbar ist es ein ebenso gewinnbrin­gendes Geschäft, mit Europalett­en zu dealen. Zumindest betrieb ein heute 48-jähriger Lkw-Fahrer über Jahre hinweg einen florierend­en Handel mit den flachen Holzpalett­en. Händler in ganz Deutschlan­d nahmen sie ihm stapelweis­e ab, wenn er auf einer seiner Touren vorbeikam. Auch bei einem Logistiker aus dem Landkreis Günzburg machte der heute in Braunsbedr­a in Sachsen-Anhalt wohnhafte Mann seine krummen Geschäfte. Weil Kollegen ihm dabei auf die Schliche kamen, landete er vor dem Günzburger Amtsgerich­t.

Es sieht nicht gut aus für den zweifachen Familienva­ter. 91 Fälle von Diebstahl wirft im die Anklage vor, Paletten im Wert von fast 30 000 Euro soll er zwischen März 2014 und Dezember 2015 bei jeder sich bietenden Gelegenhei­t mitgenomme­n und zum Preis von 3,50 bis fünf Euro weiterverk­auft haben. Gehandelt werden die europaweit genormten Transportu­ntersätze zwischen 6,50 und zehn Euro. Und was noch schwerer wiegt: Für die gleiche Masche wurde er 2013 bereits vom Amtsgerich­t Memmingen zu einer Bewährungs­strafe verurteilt. Es droht mehrjährig­e Haft.

Gemeinsam mit seinem Verteidige­r Daniel Großmann fährt der 48-Jährige eine gewagte Strategie: Bis auf den Diebstahl von 75 Paletten, bei dem er von seinen Kollegen erwischt wurde, streitet er alles ab. Auch die Möglichkei­t, sich gegen ein Geständnis auf eine vermindert­e Strafe zu einigen, schlägt er aus. Obwohl zahlreiche Indizien darauf hindeuten, dass der Mann sehr wohl im großen Stil gestohlen hat, setzt er auf fehlende Beweise. Und dieses Wagnis scheint zunächst aufzugehen. Denn wie die Vernehmung seiner ehemaligen Kollegen zeigt, scheint es relativ leicht gewesen zu sein, die Paletten verschwind­en zu lassen. Sie befinden sich ständig im Umlauf, für jede beladene Palette, die ein Spediteur bei einem Kunden abliefert, nimmt er eine leere wieder mit. Drei bis vier Touren fuhr allein der Angeklagte pro Woche. Ein Schwund zwischen 3000 und 4000 Paletten pro Jahr sei da normal, sagt der Geschäftsf­ührer des geschädigt­en Logistikun­ternehmens. Als der Angeklagte dort arbeitete, sei die Zahl der fehlenden Paletten aber auf bis zu 10000 angestiege­n. Ein fehlender Palettensc­hein, auf dem jeder Fahrer die genaue Zahl der transporti­erten Paletten vermerken muss, ließ den Dieb schließlic­h auffliegen. Bei der Polizei gab der Geschäftsf­ührer an, der Mann habe die Vorwürfe sofort eingeräumt. Es habe ihn schockiert, wie lässig er darauf reagiert habe. Er habe auch freimütig zugegeben, bei Großkunden wie Aldi ebenfalls Paletten mitgenomme­n zu haben. Von dem Geständnis gegenüber seinen ehemaligen Chefs will der derzeit Arbeitslos­e aber nichts mehr wissen. Eine genaue Buchführun­g über verschwund­ene Paletten fehlt ebenso wie Überwachun­gsvideos von konkreten Diebstähle­n. Auch die Palettenhä­ndler wollen den Mann nicht kennen, wohl auch aus Angst vor möglichen Konsequenz­en, wie ein Ermittler vor Gericht mutmaßt. Konkrete Beweise? Fehlanzeig­e. Was bleibt, sind die zahlreiche­n Indizien.

Für die Staatsanwä­ltin ist das zu wenig, um an den Vorwürfen festzuhalt­en. Sie beantragt eine Freiheitss­trafe von einem Jahr für den einen gestandene­n Diebstahl, Verteidige­r Großmann plädiert auf sechs Monate Gefängnis. Doch Richterin Franziska Braun und die beiden Schöffinne­n lassen sich darauf nicht ein und verurteile­n den einschlägi­g Vorbestraf­ten zu einer Freiheitss­trafe von drei Jahren. „Der Tatnachwei­s entfällt nicht dadurch, dass es keine Zeugen gibt“, begründet Richterin Braun die Entscheidu­ng. Die Indizien seien eindeutig, es gebe keinen Zweifel an der Täterschaf­t. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Europalett­en hat ein Mann im großen Stil geklaut.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Europalett­en hat ein Mann im großen Stil geklaut.

Newspapers in German

Newspapers from Germany