Mit Paletten großen Schaden angerichtet
Justiz Ein Lastwagenfahrer stiehlt Europaletten und verkauft sie
Günzburg Gestohlene Ware weiterzuverkaufen, ist ein Jahrtausende altes Geschäftsmodell. Typischerweise denkt man bei Hehlerware heute an Autoradios oder Handys. Doch offenbar ist es ein ebenso gewinnbringendes Geschäft, mit Europaletten zu dealen. Zumindest betrieb ein heute 48-jähriger Lkw-Fahrer über Jahre hinweg einen florierenden Handel mit den flachen Holzpaletten. Händler in ganz Deutschland nahmen sie ihm stapelweise ab, wenn er auf einer seiner Touren vorbeikam. Auch bei einem Logistiker aus dem Landkreis Günzburg machte der heute in Braunsbedra in Sachsen-Anhalt wohnhafte Mann seine krummen Geschäfte. Weil Kollegen ihm dabei auf die Schliche kamen, landete er vor dem Günzburger Amtsgericht.
Es sieht nicht gut aus für den zweifachen Familienvater. 91 Fälle von Diebstahl wirft im die Anklage vor, Paletten im Wert von fast 30 000 Euro soll er zwischen März 2014 und Dezember 2015 bei jeder sich bietenden Gelegenheit mitgenommen und zum Preis von 3,50 bis fünf Euro weiterverkauft haben. Gehandelt werden die europaweit genormten Transportuntersätze zwischen 6,50 und zehn Euro. Und was noch schwerer wiegt: Für die gleiche Masche wurde er 2013 bereits vom Amtsgericht Memmingen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Es droht mehrjährige Haft.
Gemeinsam mit seinem Verteidiger Daniel Großmann fährt der 48-Jährige eine gewagte Strategie: Bis auf den Diebstahl von 75 Paletten, bei dem er von seinen Kollegen erwischt wurde, streitet er alles ab. Auch die Möglichkeit, sich gegen ein Geständnis auf eine verminderte Strafe zu einigen, schlägt er aus. Obwohl zahlreiche Indizien darauf hindeuten, dass der Mann sehr wohl im großen Stil gestohlen hat, setzt er auf fehlende Beweise. Und dieses Wagnis scheint zunächst aufzugehen. Denn wie die Vernehmung seiner ehemaligen Kollegen zeigt, scheint es relativ leicht gewesen zu sein, die Paletten verschwinden zu lassen. Sie befinden sich ständig im Umlauf, für jede beladene Palette, die ein Spediteur bei einem Kunden abliefert, nimmt er eine leere wieder mit. Drei bis vier Touren fuhr allein der Angeklagte pro Woche. Ein Schwund zwischen 3000 und 4000 Paletten pro Jahr sei da normal, sagt der Geschäftsführer des geschädigten Logistikunternehmens. Als der Angeklagte dort arbeitete, sei die Zahl der fehlenden Paletten aber auf bis zu 10000 angestiegen. Ein fehlender Palettenschein, auf dem jeder Fahrer die genaue Zahl der transportierten Paletten vermerken muss, ließ den Dieb schließlich auffliegen. Bei der Polizei gab der Geschäftsführer an, der Mann habe die Vorwürfe sofort eingeräumt. Es habe ihn schockiert, wie lässig er darauf reagiert habe. Er habe auch freimütig zugegeben, bei Großkunden wie Aldi ebenfalls Paletten mitgenommen zu haben. Von dem Geständnis gegenüber seinen ehemaligen Chefs will der derzeit Arbeitslose aber nichts mehr wissen. Eine genaue Buchführung über verschwundene Paletten fehlt ebenso wie Überwachungsvideos von konkreten Diebstählen. Auch die Palettenhändler wollen den Mann nicht kennen, wohl auch aus Angst vor möglichen Konsequenzen, wie ein Ermittler vor Gericht mutmaßt. Konkrete Beweise? Fehlanzeige. Was bleibt, sind die zahlreichen Indizien.
Für die Staatsanwältin ist das zu wenig, um an den Vorwürfen festzuhalten. Sie beantragt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für den einen gestandenen Diebstahl, Verteidiger Großmann plädiert auf sechs Monate Gefängnis. Doch Richterin Franziska Braun und die beiden Schöffinnen lassen sich darauf nicht ein und verurteilen den einschlägig Vorbestraften zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. „Der Tatnachweis entfällt nicht dadurch, dass es keine Zeugen gibt“, begründet Richterin Braun die Entscheidung. Die Indizien seien eindeutig, es gebe keinen Zweifel an der Täterschaft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.