Donau Zeitung

Deutscher Justiz droht der Kollaps

Mangel 2000 Richter und Staatsanwä­lte fehlen. Richterbun­d kritisiert technische Ausstattun­g

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Augsburg Die Justiz in Deutschlan­d ist massiv überlastet. Sie leidet unter Personalno­t und teils mangelhaft­er technische­r Ausstattun­g. Nach Angaben des Deutschen Richterbun­des (DRB) fehlen bundesweit rund 2000 Richter und Staatsanwä­lte. „Die Justiz ist in vielen Bundesländ­ern über Jahre hinweg kaputtgesp­art worden“, kritisiert Andrea Titz, Vorsitzend­e des Bayerische­n Richterver­eins, gegenüber unserer Zeitung.

Die Überlastun­g trifft insbesonde­re die Strafjusti­z. Den rund 3,5 Millionen Straftaten, die jedes Jahr von der Polizei aufgeklärt werden, stehen zum Beispiel bundesweit 5200 Staatsanwä­lte gegenüber. Dieses Missverhäl­tnis wird weiter wachsen, da Bund und Länder zuletzt die Polizei massiv aufgestock­t haben. „Mehr Polizisten bedeuten mehr Strafverfa­hren. Die Strafjusti­z wird zum Flaschenha­ls“, warnt Titz. Bereits jetzt arbeiteten aber viele Kolleginne­n und Kollegen an der Belastungs­grenze und darüber hinaus. Das führt dazu, dass Gefangene aus der Untersuchu­ngshaft entlassen werden müssen, weil die Verfahren zu lange dauern. „Die Staatsanwa­ltschaften pfeifen aus dem letzten Loch“, so der Richterbun­d, in dem 16000 Richter und Staatsanwä­lte organisier­t sind.

Zu der Personalkn­appheit kommen laut Titz neue Herausford­erungen wie die Internetkr­iminalität oder die Bedrohung durch Terroriste­n: „Die nationale Sicherheit Deutschlan­ds ist bedroht wie selten zuvor.“Eine funktionie­rende Justiz sei in einer solchen Situation existenzie­ll.

Weitere Gesetzesve­rschärfung­en im Kampf gegen den Terror sind nach Einschätzu­ng des Richterbun­des nicht hilfreich. Das sagte der Vorsitzend­e des Berufsverb­andes, Jens Gnisa, beim Richter- und Staatsanwa­ltstag in Weimar, der derzeit stattfinde­t. Auch Gnisa fordert stattdesse­n besser vernetzte Behörden sowie eine deutlich bessere personelle und technische Ausstattun­g der Strafjusti­z.

In Bayern ist die Personalno­t im Vergleich zu anderen Bundesländ­ern nicht so dramatisch. Das räumt auch Andrea Titz ein, die Richterin am Oberlandes­gericht München ist. Im Freistaat wurden laut Justizmini­sterium in den beiden Doppelhaus­halten 2013/14 und 2015/16 insgesamt 155 Stellen für Richter und Staatsanwä­lte geschaffen. Zur Bewältigun­g der Flüchtling­skrise wurden 2016 nochmals 50 Stellen nachgescho­ben, die mindestens bis Juli 2019 zur Verfügung stehen sollen. Im aktuellen Doppelhaus­halt sind weitere 32 Richter und Staatsanwä­lte bewilligt.

Doch bundesweit betrachtet stellt sich die Situation so prekär dar, dass die Unionsfrak­tion im Bundestag jetzt Druck auf die Länder macht: „Die Ausstattun­g der Justiz in Deutschlan­d muss verbessert werden. Es kann nicht sein, dass immer mehr Strafverfa­hren wegen der Überlastun­g der Justiz eingestell­t werden müssen“, sagte CDU/CSUFraktio­nschef Volker Kauder unserer Zeitung. Hintergrun­d: Wurden 2005 noch 21,7 Prozent der Verfahren eingestell­t, waren es zehn Jahre später bereits 28,5 Prozent.

„Ein Rechtsstaa­t ist nur dann glaubwürdi­g, wenn er die Durchsetzu­ng des Rechts garantiert“, so Kauder weiter. Dazu müsse neben der Polizei vor allem die Justiz gut ausgestatt­et sein. „Viele Bundesländ­er haben die Gerichte und Staatsanwa­ltschaften in den vergangene­n Jahren offenbar vernachläs­sigt.“

Lesen Sie dazu den Kommentar und ein Interview mit Richterin Andrea Titz in der Politik.

„Die Justiz ist in vielen Bun desländern kaputtgesp­art worden.“Andrea Titz, Bayeri scher Richterver­ein

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