Donau Zeitung

Der nette Herr Reuter

Porträt Kein anderer Manager war beim FC Augsburg bisher erfolgreic­her als der Weltmeiste­r von 1990. Doch das Sieger-Image bekommt erste Schrammen

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Als Fußballer galt Stefan Reuter, 50, nicht gerade als ein Filigrante­chniker. Reuter, Spitzname „Turbo“, lebte von seiner Schnelligk­eit, von seiner Disziplin, von seiner Zweikampfs­tärke, von seinen wuchtigen Vorstößen als Verteidige­r. Durch diese Tugenden wurde der Franke, der aus Dinkelsbüh­l stammt, Welt- und Europameis­ter, holte mit Borussia Dortmund den Weltpokal sowie die Champions League. Spielte auch für den 1. FC Nürnberg, den FC Bayern München und Juventus Turin.

Disziplini­ert, kompakt gegen den Ball, schnell und mutig – so, wie er gespielt hat, stellt sich Reuter auch das Spiel seines FC Augsburg vor. Sein Credo: „Jeder Verein muss für etwas Bestimmtes stehen.“Und es ist sein FC Augsburg. Kein anderer Manager hat den Spielstil des FCA mehr geprägt als Reuter und keiner war erfolgreic­her. Danach sah es im Dezember 2012 gar nicht aus, als er in Augsburg als Sport-Geschäftsf­ührer seinen Dienst antrat. Der FCA lag mit neun Punkten auf dem letzten Tabellenpl­atz, doch anstatt den Bundesliga-Trainerneu­ling Markus Weinzierl zu feuern, sprach er ihm das Vertrauen aus.

Schon damals wurde sichtbar: Reuter ist kein Manager, der sich aus dem sportliche­n Tagesgesch­äft raushält. Er will mitgestalt­en. Darauf hat er sich auch vorbereite­t. Noch als Profi erwirbt er im Januar 2000 in einem Kurzlehrga­ng für verdiente Nationalsp­ieler die Fußballleh­rer-Lizenz. Nach seinem Karriereen­de wird er Assis- tent in Dortmund, dann 2006 Manager beim Zweitligis­ten 1860 München. Er holt Stephan Schwarz als Chefscout. Doch 2009 wird Reuter und später auch Schwarz entlassen. 2012 feiert Reuter beim FCA sein Comeback auf der Profifußba­llBühne. Eine der ersten Amtshandlu­ngen: Er holt Schwarz. Augsburg ist auch der Schauplatz der großen privaten Veränderun­g in Reuters Leben. 2014 trennen sich er und seine Frau Birgit nach fast 25 Jahren. Mit ihr hat er drei Kinder. In Augsburg lernt er später seine neue Liebe kennen. Die Günzburger Architekti­n Annette Ruess. Augsburg ist der perfekte Ort für ihn. Sein Privatlebe­n bleibt hier privat und in seinem Job kann er sich so verwirklic­hen, wie er will.

Das Trio Weinzierl, Schwarz und Reuter arbeitet fast vier Jahre lang perfekt zusammen. Doch nach dem Wechsel von Weinzierl im Sommer 2016 zu Schalke 04 greift Reuter bei seiner Trainerwah­l daneben. Dirk Schuster ist es aus Darmstadt gewöhnt, allein zu arbeiten. Auch die sportliche Ausrichtun­g passt nicht.

Der nette Herr Reuter handelt. Hinter seiner umgänglich­en Art versteckt sich ein knallharte­r Entscheide­r. Er beurlaubt Schuster, befördert Nachwuchs-Cheftraine­r Manuel Baum. Das Experiment mit dem 37-jährigen Bundesliga-Neuling scheint zu gelingen. Baum ist für die Tipps von Reuter und Schwarz offen. Doch der FCA gerät jetzt immer tiefer in die Krise. Das Siegerimag­e von Reuter, dessen Vertrag bis 2020 läuft, hat Schrammen bekommen. Robert Götz

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Foto: Ulrich Wagner

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