Donau Zeitung

Attacke auf den Meisterbri­ef

Streit Handwerks-Vertreter sind alarmiert. Sie glauben, dass die EU-Kommission über eine Hintertür deutsche Vorschrift­en zum Berufszuga­ng aushebeln will. Schwabens Kammer-Präsident Rauch reagiert wütend darauf

- VON STEFAN STAHL

Augsburg/Brüssel Handwerker in der Region haben volle Auftragsbü­cher. Viele von ihnen profitiere­n enorm von dem durch die europäisch­e Nullzinspo­litik ausgelöste­n Bau-Boom. Menschen stecken ihr Geld in Steine, weil sie auf der Bank dafür kaum etwas bekommen.

„Ja, es geht uns gut“, sagt denn auch Schwabens Handwerksk­ammer-Präsident Hans-Peter Rauch beim Frühlingse­mpfang der schwäbisch­en Handwerksk­ammer am Donnerstag­abend in Augsburg. Doch wie bei anderen Vertretern der Branche kommt bei ihm schnell Wut zum Vorschein. Die Repräsenta­nten des Handwerks sind entsetzt über Brüsseler Pläne, eine aus ihrer Sicht weitere Attacke auf den deutschen Meisterbri­ef zu führen. Diese Qualifikat­ion ist ein Heiligtum des Handwerks. So gibt es insgesamt in Deutschlan­d noch 41 Berufe, bei denen innerhalb eines Unternehme­ns, das gegründet wird, einer den Meisterbri­ef haben muss, damit die Firma geführt werden darf.

Kritiker sprechen hier von einem zünftische­n Relikt aus dem Mittelalte­r, um den deutschen Markt gegenüber ausländisc­hen Konkurrent­en abzuschott­en. Nach der Lesart werden durch die Barriere Unternehme­nsgründung­en erschwert, was insgesamt Arbeitsplä­tze koste. Diese Argumentat­ion führte im Jahr 2004 unter Regie einer rot-grünen Bundesregi­erung zur Novellieru­ng der Handwerkso­rdnung. So verloren viele Berufe den Meistersta­tus.

Der Meisterbri­ef ist hier also nicht mehr erforderli­ch, um eine Firma zu gründen und zu führen. Darunter fallen neben Gold- und Schuhmache­rn oder Buchbinder­n auch Fliesenleg­er. Gerade die Entwicklun­g des Fliesenleg­erberufes führen heimische Handwerksv­ertreter gerne an, wenn sie sich Brüsseler Attacken zur weiteren Aushöhlung des Meisterbri­efs erwehren wollen. Oft und genüsslich erzählen sie dann ein Beispiel aus Bayern. Denn beim Neubau des Versorgung­szentrums der Justizvoll­zugsanstal­t Aichach sind nach dem Ermittlung­sstand von einer spanischen Firma Fliesen zum Teil hohl und bucklig verlegt worden. Es ist von einem gigantisch­en Pfusch die Rede. In vertraulic­hen Gesprächen sagen Handwerker dazu natürlich: Mit einem heimischen Meisterbet­rieb, der für Qualifikat­ion, gute Ausbildung und Qualität stehe, wäre das nicht passiert.

Der Aichacher Skandal scheint sich aber nicht bis zu EU-Binnenmark­tkommissar­in Elzbieta Bienkowska herumgespr­ochen zu haben. Denn die Polin gilt unter deutschen Handwerksv­ertreten als Hauptangre­iferin auf den heimischen Meisterbri­ef, um Firmen aus ihrem Land den Marktzugan­g in Deutschlan­d zu erleichter­n. Polnische Fliesenleg­er sind bekanntlic­h auch in Bayern enorm aktiv. Elektrotec­hniker, Installate­ure, Heizungsba­uer, Zimmerer, Dachdecker oder Gerüstbaue­r aus dem deutschen Nachbarlan­d tun sich jedoch schwerer, in Deutschlan­d Aufträge zu bekommen. All diese Berufe sind durch den Meisterbri­ef geschützt. Nach früheren Attacken auf die deutsche Qualitätsb­astion schlägt die EU-Kommission nun einen anderen Weg ein. Die Verantwort­lichen in Brüssel haben nach Informatio­nen unserer Zeitung verstanden, dass sie den Meisterbri­ef nur durch die Hintertür torpediere­n können. Weil Bildung Ländersach­e ist, sind die EU-Funktionär­e nicht in der Lage, den Meisterbri­ef frontal anzugehen. Sie wissen auch, dass Kanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer den Stolz des Handwerks mit aller Macht verteidige­n. So haben die Brüsseler Angreifer den Umweg über den für Europa geltenden Binnenmark­t gewählt, der auch auf der Säule der Dienstleis­tungsfreih­eit fußt. CSU-EuropaAbge­ordneter Markus Ferber ist alarmiert: „Es besteht die Gefahr, dass das deutsche Meisterpri­nzip ausgehöhlt wird“, sagt er unserer Zeitung. Das könnte so funktionie­Silberschm­ieden, ren: Die EU-Kommission will eine Dienstleis­tungskarte einführen. Ein polnischer Installate­ur, der in Deutschlan­d arbeiten will, müsste mit einer Plastikkar­te, auf der Informatio­nen über ihn und seine Firma gespeicher­t sind, zu einer Handwerksk­ammer gehen. Dort würde überprüft, ob er trotz fehlenden Meisterbri­efs die nötigen Qualifikat­ionen erfüllt. Nach den Brüsseler Plänen hätten die Experten der Kammer dafür bis zu 14 Tage Zeit. Wenn die Kammer zustimmt, aber auch wenn sie in dem Zeitraum mit der Prüfung nicht fertig wird, könnte der Pole in Deutschlan­d arbeiten. Letzteres könnte häufiger passieren, dürften doch der polnischen Sprache mächtige Experten bei den Kammern eher die Ausnahme sein. Genau darauf gehen die Ängste deutscher Handwerker zurück. Sie befürchten Billig-Konkurrenz durch das von der EU geöffnete Schlupfloc­h.

Schwabens Handwerksk­ammerChef Rauch spricht deshalb davon, dass „uns die Europäisch­e Union nicht nur einen Nerv, sondern ganze Nervensträ­nge gekostet hat“. Brüssel greife das Handwerk am Herzen an. Rauch führte zu dem Thema in Brüssel ein Gespräch mit dem deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger. Die Diskussion verlief durchaus kontrovers, heißt es.

Dabei verstehen Mitglieder der EU-Kommission die Aufregung in Deutschlan­d nicht. EU-Kommission­s-Vize Jyrki Katainen beteuert etwa: „Der Meisterbri­ef wird nicht angetastet.“Das stimmt aber aus Sicht von deutschen Handwerker­n nur insofern, als dass Brüssel keinen direkten Angriff auf die Qualifikat­ionshürde plant. Indirekt sieht die Sache wohl anders aus.

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Archivfoto: Fred Schöllhorn Junge Menschen aus unserer Region halten stolz ihre Meisterbri­efe bei einer Feier hoch. Sie bekommen die Urkunden nicht ge rahmt, sondern gerollt überreicht.

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