Donau Zeitung

Das ändert sich an den Schulen

Bildung Bayerns Schüler machen künftig wieder in neun Jahren Abitur. Doch die Reform betrifft nicht nur das Gymnasium. Was das für Familien im Freistaat bedeutet

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Es soll bei den Kleinsten ansetzen und über Generation­en halten: das neue Bildungspa­ket für die Schulen in Bayern. Auf Familien mit Kindern kommt eine ganze Reihe von Änderungen zu. Wir erklären die wichtigste­n Punkte:

In den kommenden Wochen müssen bayerische Viertkläss­ler und ihre Eltern entscheide­n, auf welche weiterführ­ende Schule sie gehen. Was ändert sich in der fünften Klasse des Gymnasiums?

Dass die angehenden Fünftkläss­ler wieder neun Jahre Zeit fürs Abitur haben, steht fest. Beim Stoff der fünften Klasse aber ändert sich nichts. Die Schüler sollten sich erst einmal in der neuen Schulart zurechtfin­den, heißt es aus dem Kultusmini­sterium. Deshalb wird der Lehrplan auch erst in der sechsten Klasse mit neuen Inhalten angereiche­rt. Die zweite Fremdsprac­he lernen Schüler von der sechsten bis zur 13. Klasse und damit ein Jahr länger als bisher.

Wer will, kann auch künftig nach acht Jahren Abitur machen und die elfte Klasse auslassen. Wann muss man das entscheide­n?

Schüler, die im neuen System lernen, müssen sich in der achten Klasse festlegen. Wer die kürzere Variante wählt, überspring­t später die elfte Jahrgangss­tufe. In den zwei Schuljahre­n zuvor besucht der Schüler Zusatzmodu­le am Nachmittag, um den Stoff quasi vorzulerne­n.

Ist die Entscheidu­ng für einen Weg bindend?

Nein. Kultusmini­ster Ludwig Spaenle (CSU) betonte gestern in München, dass Schüler jederzeit wieder „aus dem fahrenden Bus aussteigen“und sich kurzfristi­g doch noch für die längere Variante entscheide­n können.

Was lernt ein Schüler in der elften Klasse, wenn man sie einfach so weglassen kann?

Die neue Elfte soll Schülern vor allem helfen, ihre eigenen Interessen und den späteren Berufsweg auszuloten. Das sogenannte Projektsem­inar zur Studien- und Berufsorie­ntierung wandert von der zwölften in die elfte Klasse. Außerdem machen Schüler Praktika, schnuppern in Studiengän­ge hinein – oder sie entscheide­n sich für ein Auslandsja­hr. Im Ministeriu­m denkt man über ein Stipendien­programm nach, um ihnen den Aufenthalt finanziell zu erleichter­n.

Ein fester Bestandtei­l des alten G8 war der Nachmittag­sunterrich­t. Wie sieht es nach der Reform aus?

Vor allem in der Unter- und Mittelstuf­e haben die Schüler am Nachmittag wieder weitgehend frei. Der verpflicht­ende Nachmittag­sunterrich­t sei für viele Schüler eine Belastung gewesen, heißt es aus dem Kultusmini­sterium. Jetzt sollen sie wieder Zeit haben, zum Sport oder in die Musikprobe zu gehen. Auch Wahlfächer sollen so wieder mehr Zulauf bekommen.

Viele Eltern sind berufstäti­g. Müssen sie sich nach anderen Betreuungs­möglichkei­ten umsehen, wenn der Nachmittag­sunterrich­t wegfällt?

Das hängt von der Schule ab. Jedes Gymnasium kann einen Antrag auf sogenannte gebundene oder offene Ganztagskl­assen stellen. Im gebundenen Ganztag verteilt sich der Pflichtunt­erricht auf den ganzen Tag, dazwischen gibt es Stunden zur freien Verfügung. Im offenen Ganztag bietet die Schule nach dem Unterricht Mittags- und Hausaufgab­enbetreuun­g bis in den Nachmittag hinein an. Bisher, so betont ein Spredie cher des Kultusmini­steriums, sei jeder Antrag auf ein Ganztagsan­gebot genehmigt worden.

In der achten Klasse müssen Schüler sich entscheide­n

Digitale Bildung und Informatik sollen zum Pflichtfac­h werden, egal, ob der Schüler einen sprachlich­en, naturwisse­nschaftlic­hen oder einen anderen Ausbildung­szweig wählt. Müssen Eltern ihre Kinder jetzt allesamt mit Tablets für den Unterricht ausstatten?

Anscheinen­d nicht. Dem Kultusmini­sterium zufolge stehen in den Schulen schon jetzt rund 370000 Rechner. Zudem hat die CSU deutlich gemacht, dass der Freistaat die Schulen G9-gerecht ausbauen will. Dazu könnte auch die digitale Ausstattun­g zählen.

Die große Mehrheit der Schüler und Eltern hat sich ein neunstufig­es Gymnasium gewünscht. Wählen dann überhaupt noch Schüler die achtstufig­e Variante?

Das könne man ohne empirische Basis nicht seriös beantworte­n, schrieb Kultusmini­ster Ludwig Spaenle kürzlich in einem internen Papier an die CSU-Fraktion. Die Partei will nach eigenen Angaben aber genügend Anreize bieten, damit Schüler die Kurzvarian­te wählen. Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) sagt: „Das muss im zweistelli­gen Bereich liegen und nicht im einstellig­en.“

Das Gymnasium ist zwar das Herzstück der Schulrefor­m, doch die Pläne gehen noch tiefer. Sie setzen schon bei Kleinkinde­rn an. Was bedeutet das?

Die Regierung verpflicht­et sich zu einem „bedarfsger­echten Ausbau der Betreuungs­angebote“. Allerdings ist das Reformpapi­er hier sehr unkonkret. Oder wie es die SPD sagt: „Nur lauwarme, nicht mal heiße Luft.“Das Sozialmini­sterium werde ein „Konzept zur Stärkung der frühkindli­chen Bildung entwickeln und vorlegen“, heißt es nur.

Auch Kinder mit sonderpäda­gogischem Förderbeda­rf sollen vom Bildungspa­kt profitiere­n. Wie?

Förderschu­len bekommen die meisten der rund 850 zusätzlich­en Lehrerstel­len, die die Reform für andere Schularten vorsieht. In Bayern gibt es rund 350 Förderzent­ren, davon etwa 160 mit staatliche­m Träger. Sie sollen in den nächsten drei Jahren 250 Lehrer erhalten. An den Regelschul­en will die Regierung 2019 und 2020 je 100 zusätzlich­e Stellen für die Inklusions­arbeit genehmigen.

 ?? Foto: Friso Gentsch, dpa ?? Aufgemerkt! Im reformiert­en Bildungssy­stem erwarten Schüler viele Neuerungen – und zwar an allen Schulen.
Foto: Friso Gentsch, dpa Aufgemerkt! Im reformiert­en Bildungssy­stem erwarten Schüler viele Neuerungen – und zwar an allen Schulen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany