Donau Zeitung

Die besten Säle haben Schuhbox Form

Interview Mariss Jansons äußert sich über einige Bedingunge­n, die der künftige Konzertsaa­l des Sinfonieor­chesters vom Bayerische­n Rundfunk erfüllen sollte. Bald Auftritt in Augsburg

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Maestro Jansons! In München wird nun der Gasteig saniert und die Philharmon­ie darin verbessert; die Elbphilhar­monie in Hamburg besitzt per se eine äußere Schönheit. Hat sich nicht auch in den vergangene­n Monaten der Wunsch in München verstärkt, dass am dortigen Ostbahnhof ein ästhetisch herausrage­ndes Gebäude für den neuen Konzertsaa­l und das Sinfonieor­chester des Bayerische­n Rundfunks entstehen sollte? Mariss Jansons: Ja, natürlich. Ich hoffe, dies verstehen auch alle. Persönlich bin ich traurig, dass der Konzertsaa­l nicht im Finanzgart­en am Münchner Hofgarten gebaut wird. Das ist nämlich ein schöner Ort. Nun werden wir achtgeben, dass das Viertel am Ostbahnhof interessan­t und ästhetisch wird. Man muss künftig merken, dies ist ein Kunstbezir­k. Es wird eine große Aufgabe sein, die Umgebung und den Weg zum Konzertsaa­l zu gestalten.

Auf Ihrer letzten Europa-Tournee mit dem Orchester haben Sie in zwei neuen polnischen Konzertsäl­en gespielt, in Kattowitz und Breslau. Was haben Sie und das Orchester gelernt für den neuen Münchner Konzertsaa­l? Jansons: Die zwei neuen polnischen Konzertsäl­e sind Top-Class. Wir haben kleine Exkursione­n gemacht, uns bis hin zu Bestuhlung, Garderoben und Toiletten alles angeschaut und uns alles notiert, was wir für gut und interessan­t erachten. Zusammen mit Plänen des neuen Konzertsaa­ls in Paris, zusammen mit Plänen neuer Säle auch aus China und Taiwan haben wir nun viele Details zur Anregung für die Architektu­r am Ostbahnhof. Wir waren vom homogenen Klang beider Konzertsäl­e be- eindruckt und ich persönlich auch davon, dass der Dirigent am Pult gut hört. Das ist nicht überall der Fall. Manchmal geht die Musik über einen hinweg.

Nach Elbphilhar­monie Hamburg und Pierre-Boulez-Konzertsaa­l in Berlin mit kreis- bzw. ellipsenfö­rmiger Anordnung des Publikums rund ums Musikerpod­ium: Ist für das künftige Münchner Konzerthau­s eigentlich auch die Kreisform für den Saal möglich – oder nur die Schuhkarto­nForm? Jansons: Beides ist möglich. Das Gelände erlaubt das.

Und welche Form würden Sie bevorzugen? Jansons: Das ist eine schwierige Frage. Die einen meinen, die Kreisform sei für einen Konzertsaa­l besser, die anderen meinen, die SchuhboxFo­rm. Meiner Meinung nach haben die besten Säle der Welt die Schuhbox-Form. Die Frage des Aussehens freilich ist was anderes. Seit 2003 ist Mariss Jansons, Sohn des Dirigenten Arvid Jansons und Schü ler von Karajan sowie Hans Swarow sky, Chefdirige­nt von Sinfonieor chester und Chor des Bayerische­n Rundfunks. Dass mittlerwei­le die Amtsverlän­gerung bis über 2020 hi naus feststeht, zeigt, wie glücklich diese musikalisc­he Münchner Ehe ist. Die Harmonie lässt sich – über welt weit allseits gerühmte Konzerte – sogar leicht an Zahlen festmachen: 2008 wurde das Sinfonieor­chester des Baye Wird in München für die Akustik ebenfalls Yasuhisa Toyota zuständig sein, der auch für die Elbphilhar­monie und den Boulez-Saal verpflicht­et war? Jansons: Er ist einer der besten Akustiker der Welt, er hat viele gute Säle gemacht. Aber es ist schwierig, zuerst über den Akustiker zu entscheide­n und dann über den Architekte­n. Zuerst muss im jetzt leider verzögerte­n Wettbewerb der Architekt gefunden werden, dann der Akustiker.

Themenwech­sel: Was ist Ihrer Meinung nach nötig, dass sich die Jugend ernsthaft mit der Sprache guter Musik auseinande­rsetzt? Jansons: Nun ja, wissen Sie, es gibt zwei Richtungen. Die eine ist: Sinfonieor­chester geben Schulkonze­rtprogramm­e, laden zu Proben ein, erklären Musik. Aber ich finde, das Ergebnis ist dabei klein. Ich meine, es hängt zunächst vom Kindergart­en ab, wo Kinder lernen sollten, was Musik ist. Und dann von der Schule, die die musikalisc­he Ausbildung rischen Rundfunks bei einer briti schen Kritikerum­frage in die Riege der zehn besten Orchester der Welt ein gereiht; außerdem stellte Mariss Jan sons, der 1943 in Riga geborene Lette, 2013 die Dotierung des ihm ver liehenen Siemens Musikpreis­es (250 000 Euro) für den neuen Münch ner Konzertsaa­l zur Verfügung; schließlic­h ist bekannt, dass sich die Abonnenten Zahlen in der Münch ner Ära von Mariss Jansons mehr als verdoppelt haben. (rh) fortführen muss. Es wäre gut, wenn es in jeder Schule die Möglichkei­t gäbe, ein Instrument zu erlernen. Nicht unter Druck, sondern als Hobby. Mit 16 oder 18 Jahren kann dann die Entscheidu­ng fallen, ob ein Schüler das weiterverf­olgen möchte oder nicht. Mein Traum ist es, neben dem neuen Münchner Konzertsaa­l einen Kindergart­en und eine Schule mit Musikausbi­ldung einzuricht­en – mit Paten aus dem Orchester.

Am 13. Mai treten Sie mit dem Sinfonieor­chester des Bayerische­n Rundfunks in einem Augsburger Sonderkonz­ert des Festivals mozart@augsburg auf und dirigieren Mozarts Requiem. Aber mit welchem ergänzten Finale dieses Werkes, das an und für sich ein Fragment blieb? Jansons: Mit dem Schluss von Franz Xaver Süßmayr. Ich habe schon verschiede­ne Ergänzunge­n dirigiert. Das Süßmayr-Finale ist nicht nur das populärste, es ist auch ein gutes Finale, jedenfalls nicht schlechter als andere. Und dazu am ehesten authentisc­h, weil es die Notizen Mozarts verwendet.

Was Mariss Jansons geschafft hat...

In München dirigieren Sie das Mozart-Requiem kurz zuvor im Herkulessa­al, allerdings ergänzt um Arnold Schönbergs Melodram „Ein Überlebend­er aus Warschau“– eine tiefsinnig­e Kombinatio­n. Schönberg wird in Augsburg aber nicht erklingen, warum? Jansons: Darauf habe ich keine klare Antwort. Ich weiß es nicht. Vielleicht hat man in Augsburg Angst, dass nicht genug Publikum kommt oder dass das Konzert zu lang wird. Ich dirigiere jedenfalls gerne Schönberg. Interview: Rüdiger Heinze

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Foto: dpa Im Sinne der Musik nicht nur gastweise sehr gern verpflicht­et von den großen Orchestern der Welt: Mariss Jansons.

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