„Wir haben alle geweint“
TV Show Heinrich Popow wurde ein Bein amputiert. Er hat zwei Mal Gold bei den Paralympics gewonnen – und rührt nun Fernsehzuschauer
Köln Heute werden wahrscheinlich wieder rund vier Millionen Menschen zuschauen. Viele von ihnen werden klatschen und jubeln, andere werden eine Träne verdrücken oder weinen. So oder so: Kalt lassen die Auftritte von Heinrich Popow in der RTL-Show „Let’s Dance“niemanden (20.15 Uhr). „Wir haben alle geweint“, sagte Moderatorin Sylvie Meis am vergangenen Freitag nach dem Contemporary des zweimaligen Paralympics-Sieger mit seiner Tanzpartnerin Kathrin Menzinger: „Was Ihr mit uns macht, ist kaum zu beschreiben.“
Die Kamera zeigte weinende Menschen im Publikum. Als erster deutscher Teilnehmer der Show mit einer Bein-Prothese steigt Popow mehr und mehr zum Publikumsliebling auf. Er hat es nicht nur geschafft, in drei Sendungen nicht rausgewählt zu werden. Am vergangenen Freitag bekam er unter zwölf Teilnehmern die drittmeisten JuryPunkte. Auch deshalb, weil der Tanz zum Radiohead-Song „Creep“(zu deutsch: Ekel) in der ThemenShow der 90er Jahre in Popows Augen auch seine Geschichte darstellte.
„In den 90er Jahren habe ich keine kurze Hose getragen, weil ich mich geschämt habe“, sagt der 33-Jährige, dem im Alter von neun Jahren wegen eines Tumors in der Wade das linke Bein amputiert werden musste. Heute hat der gebürtige Kasache, der 2012 über 100 Meter und 2016 im Weitsprung Paralympics-Gold gewann, damit kein Problem mehr. „Ich bin stolz, ein Creep und Weirdo (Sonderling und Kauz) zu sein.“Es sei sowieso seine größte Stärke, „dass er sich nicht verstellt und so ist, wie er ist“, sagt Kathrin Menzinger. Die dreifache Showtanz-Weltmeisterin hat schon in sieben Staffeln in Deutschland und Österreich mehr oder weniger prominenten Menschen versucht, das Tanzen beizubringen. Wie weit es für die beiden noch gehen kann, wie lange sie noch Freitag für Freitag vor Millionen Menschen tanzen dürfen, ist offen.
„Mein Hauptziel habe ich schon erreicht“, sagt er: „Die Leute zu sensibilisieren. Berührungsängste und den Ekel vor der Amputation abzubauen. Rausfliegen will ich natürlich auf keinen Fall. Aber irgendwann ist die Zeit für mich gekommen. Und Mitleidspunkte will ich nicht.“Mit den 25 von 30 möglichen Jury-Zählern vom vergangenen Freitag sei er „wahrscheinlich auf dem Hoch der Bewertung angekommen. Contemporary hat nichts mit Technik zu tun. Und wenn ich beim Ausdrucks-Tanz verkackt hätte, hätte ich was falsch gemacht.“Nun aber müsse er „ackern mit der Technik. Deshalb werde ich punktemäßig vielleicht im Mittelfeld rumlaufen.“Das sieht Menzinger anders. Popow ist sogar ein Favorit, glaubt die 28-Jährige, die 2005 den ehemaligen Fußball-Profi Hans Sarpei zum Sieg führte. „Ich sehe uns ganz, ganz weit oben“, sagt sie: „Alles ist möglich. Auch ohne Mitleidspunkte.“(dpa)