Donau Zeitung

Zwei Minuten für eine Untersuchu­ng beim Arzt?

Abklärungs­pauschale Der Dillinger Chefarzt Dr. Geisser hält nichts von der Regelung. Er plädiert für andere Lösungen

- VON KATHARINA INDRICH

Dillingen Seit drei Tagen tut der verstaucht­e Finger weh. Auch am Wochenende wird es nicht besser. Und so marschiert der Mann schließlic­h in die Notaufnahm­e des Krankenhau­ses. Fälle wie dieser sind selten, aber es gibt sie immer wieder. Seit Anfang April gibt es deshalb eine sogenannte Abklärungs­pauschale. Ärzte in den Notaufnahm­en sollen zunächst kurz abchecken, ob der Patient überhaupt eine Notfallbeh­andlung braucht oder ambulante Hilfe reicht. Doch die neue Regelung stößt auf viel Kritik.

Auch Dr. Wolfgang Geisser, Chefarzt für Anästhesie und Intensivme­dizin am Dillinger Kreiskrank­enhaus, ist nicht begeistert davon. „Das wird uns jetzt gesetzlich übergestül­pt und geht völlig am Problem vorbei“, sagt Geisser. Fakt sei: Auch in die Dillinger Notaufnahm­e kommen immer mehr Patienten. „Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g wirft uns vor, wir würden Patienten behandeln, die wir nicht behandeln sollten. Aber wir rufen die Leute ja nicht, die kommen einfach“, sagt Geisser. Die Gründe, warum Patienten gleich in die Notaufnahm­e fahren, seien vielfältig. Einige wüssten nicht, wie man einen niedergela­ssenen Arzt erreicht. Heute hätten diese vielfältig­e Dienstmode­lle. Dass man, wenn der eigene Hausarzt nicht mehr erreichbar ist, die 116 117 wählen kann, sei immer noch vielen nicht bekannt. Doch selbst wenn die Patienten einen niedergela­ssenen Arzt erreichen, komme es vor, dass sie am Ende in der Notaufnahm­e landen. Etwa weil der Arzt gerade keinen Termin frei hat. „Da verstaucht sich zum Beispiel einer das Sprunggele­nk. Der Hausarzt schickt ihn zu einem niedergela­ssenen Chirurgen zum Röntgen, da kriegt er aber nicht so schnell einen Termin. Und so kann es sein, dass er schließlic­h zu uns kommt, weil er nicht so lange warten will.“Man versorge die Patienten dann so gut, wie es geht, sagt der Mediziner. „Wo klar ist, dass sie eigentlich zu einem niedergela­ssenen Arzt gehören, versuchen wir es ihnen zu sagen. Aber wir lassen sie nicht stehen.“

Problemati­sch werde es in der Notaufnahm­e dann, wenn ohnehin schon viele Menschen da seien. „Patienten, die nicht zu uns gehören, verlängern die Wartezeit für alle.“Da entstünden unter den Wartenden schon einmal Spannungss­ituationen, die zu unschönen Szenen führen, sagt Geisser.

Innerhalb von zwei Minuten abzuklären, ob ein Patient tatsächlic­h in die Notaufnahm­e gehört, das sei ohnehin kaum möglich. „Schließlic­h gehört dazu eine Anamnese und eine basiskörpe­rliche Untersuchu­ng, das ist unmöglich umzusetzen.“Und selbst wenn es das wäre, hätten die Patienten dann mitunter lange gewartet, nur um nach zwei Minuten wieder weggeschic­kt zu werden. „Das kann es nicht sein.“Geisser fordert vielmehr, dass das System der niedergela­ssenen Notfallver­sorgung und die krankenärz­tliche Notfallver­sorgung stärker miteinande­r arbeiten. „Man müsste eine gemeinsame Versorgung hinkriegen, die ordentlich vergütet ist.“So sollen am Wochenende und nachts an der Kreisklini­k bald Notfallpra­xen die Notaufnahm­e entlasten. „Das ist ein erster Schritt. Da können wir die rüberschic­ken, die nicht im Rahmen der Klinik versorgt werden müssen.“

Am Augsburger Klinikum hat diese Bereitscha­ftspraxis, die mit niedergela­ssenen Ärzten besetzt ist, auch die ganze Woche über außerhalb der üblichen Sprechstun­denzeiten geöffnet. Das, glaubt Geisser, sei in Dillingen nicht darstellba­r. Allerdings könnte es für die Stoßzeiten ein gangbares Modell sein.

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