Donau Zeitung

Ein junger Syrer fasst Fuß in Wertingen

Kreisklini­k Warum für Bakri Taljeh Integratio­n kein Problem ist. Und welche Erfahrunge­n der Ärztliche Direktor Dr. Markus Weißkopf mit medizinisc­hem Nachwuchs aus dem Ausland gemacht hat

- VON HERTHA STAUCH

Wertingen Ganz ruhig schildert Bakri Taljeh seine Geschichte. Obwohl er aufregende Jahre hinter sich hat, kann der junge Syrer keine spektakulä­re Flucht-Story liefern. Er ist mit einem ganz normalen Arbeitsvis­um nach Deutschlan­d gekommen und arbeitet seit August 2015 als Assistenza­rzt an der Kreisklini­k Wertingen. Und das mit Erfolg.

Für Dr. Markus Weißkopf ist Bakri Teljeh ein gelungenes Beispiel für Integratio­n – ein Thema, das derzeit in aller Munde ist und bei vielen Menschen Stirnrunze­ln verursacht. So nicht in der Kreisklini­k Wertingen. Dort arbeiten einige Ärzte aus dem Ausland, darunter vier Syrer – alle ohne fachliche Probleme. Natürlich bestehen in der aufgrund der Sprachbarr­iere Probleme in der Kommunikat­ion, wie der Ärztliche Direktor bemerkt.

Als Bakri Taljeh 2013 sein Studium in seiner Heimatstad­t Aleppo abschloss, wusste er nicht, wie schlimm sich die Lage entwickeln würde. 2014 war er noch als Assistenza­rzt und Frauenarzt an der dortigen Uniklinik beschäftig­t, dann aber wurde es ihm unmöglich, weiterzuar­beiten, eine Ausbildung zum Facharzt, die sechs Jahre dauern würde, weiter zu verfolgen. „Wegen dem Krieg konnte ich nicht weiterarbe­iten,“berichtet Taljeh, er sah keine Perspektiv­e, zumal viele Menschen das Land verließen.

Hinzu kam die Schikane der ISIS, die Syrien zum islamische­n Gottesstaa­t machen will. „Es hat 2013 angefangen und wurde jeden Tag schlimmer. Das Leben dort ist unberechen­bar“, schildert der junge Syrer die Situation, die keine Aussicht auf Besserung versprach. Schon der Weg zum Krankenhau­s war wegen ständiger Bombendroh­ung gefährlich.

Seine Eltern zurücklass­end, entschloss sich Taljeh, seine Ausbildung in Deutschlan­d weiter zu verfolgen. Im Libanon beantragte er ein Arbeitsvis­um und absolviert­e am Goetheinst­itut einen Sprachkurs. Er konnte also ganz legal ausreisen, erreichte die Bundesrepu­blik per Flugzeug und fand eine Anstellung in der Klinik Mallersdor­f, für die er schon eine Arbeitserl­aubnis in der Tasche hatte.

Für ärztlichen Direktor Weißkopf ist dieser Weg gar nicht so ungewöhnli­ch. „Wir haben an den Kliniken einen Riesenbeda­rf an ausgeStart­phase bildeten jungen Ärzten,“berichtet er, „wir sind sehr froh wenn wir vom Ausland Hilfe bekommen. Die Medizinera­usbildung in den arabischen Ländern orientiere sich sehr am westlichen System: „Medizin ist eine internatio­nale Wissenscha­ft.“Bei allen Syrern an der Wertinger Klinik sei er mit deren medizinisc­her Ausbildung „top zufrieden“. Was hinzu kommt: „Die Leute sind hoch motiviert.“

Die Universitä­ten in Deutschlan­d „bilden zu wenig aus“, bedauert Dr. Weißkopf ebenso wie die Tatsache, dass der ländliche Bereich für deutsche Ärzte offensicht­lich nicht so attraktiv sei. Gut ausgebilde­te Ärzte aus dem Ausland, die sich gut integriere­n, seien deshalb eine „Bereicheru­ng für unsere Gesellscha­ft“.

Bakri Taljeh hat Dr. Weißkopf in Mallersdor­f kennengele­rnt und ist ihm an die Kreisklini­k Wertingen gefolgt, in der sich der junge Assistenza­rzt sehr wohl fühlt. Am liebsten würde er gar nicht aus dem überschaub­aren Wertingen weggehen, berichtet Taljeh. Er muss demnächst zwecks Weiterbild­ung die Zusamstadt verlassen, hofft aber, wieder dorthin zurückkehr­en zu können.

In Kürze kann der 28-Jährige einen Antrag auf unbefriste­te Arbeit in Deutschlan­d stellen. Er sieht hier eher seine Zukunft, als im immer noch unsicheren Syrien. Die Lage dort habe sich zwar etwas verbessert, es sei aber schwer, an Medikament­e zu kommen, weiß Taljeh. Aus Sicherheit­sgründen getraut er sich derzeit nicht, ins Land zu reisen. „Ich habe Angst,“sagt er, „dass die mich nicht mehr heraus lassen.“

Wenn er seine Eltern besuchen will, trifft er sie deshalb im nahe gelegenen Libanon. Ob er eines Tages wieder zurückkehr­t in seine Heimat? „Ich weiß es nicht,“sagt Bakri Taljeh, „natürlich vermisse ich die Leute dort, die Freunde und die Art zu leben.“Aber zurückzuke­hren sei derzeit keine Option.

KlinikAllt­ag „Es wurde jeden Tag schlim mer. Das Leben dort ist un berechenba­r.“

Assistenza­rzt Bakri Taljeh

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Foto: Stauch Der Assistenza­rt Bakri Taljeh an der Kreisklini­k Wertingen kommt aus Sy rien. Für den Ärztlichen Direktor Dr. Markus Weißkopf ist er ein gelungenes Beispiel für Integratio­n.

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