Zwischen Genuss und Plackerei
Versuch Die Redakteure Simone Bronnhuber und Berthold Veh haben eine Arbeitswoche lang auf ihre Autos verzichtet. Das ging einen Tag besser, am anderen schlechter. Ihr Fazit
Landkreis Die Radel-Woche hat es für mich in sich, obwohl es am Ende der fünf Arbeitstage gerade einmal 91 Kilometer sind, die ich mit dem Drahtesel zurückgelegt habe. Irgendwie fühle ich mich an jedem Morgen – für geübte Radler mag das lächerlich klingen – wie vor einer Etappe bei der Tour de France. Und was für den Tour-Radler der berüchtigte Mount Ventoux ist, das ist für mich der Weg nach oben vom Steinheimer Loch oder der Anstieg am Judenberg in Wertingen. Da brennt es ordentlich in den Oberschenkeln. Und eines ist sicher: Wenn ich es angesichts des Jubiläums „200 Jahre Fahrrad“nicht großspurig in unserer Zeitung angekündigt hätte, dann wäre ich spätestens am dritten Arbeitstag wieder aufs Auto umgestiegen. Aber man lernt dazu. In der Früh ist es noch lausig kalt. Es braucht Handschuhe. Und der Fahrradhelm, den ich immer wieder vergesse, ist angesichts der Unfallgefahr mit Nachdruck zu empfehlen. Bei der Abfahrt in Steinheim komme sogar ich auf 42 Stundenkilometer. Am dritten Tag steige ich auf eine Jogginghose und Turnschuhe um, die Arbeitskleidung und Halbschuhe nehme ich in einer Tasche auf dem Sattel mit. Auf gar keinen Fall sollte man das Deo zu Hause vergessen.
Der Weg zur Arbeit ist mühsamer. Zur Redaktion der Donau-Zeitung sind es von Höchstädt acht Kilometer, zur Wertinger Zeitung 13 Kilometer. Mit dem Auto brauche ich morgens in der Regel nicht mal eine Viertelstunde, mit dem Rad sind es 30 Minuten, abends dagegen nur um die 22 Minuten. Den Weg in die Zusamstadt durchs Donauried bewältige ich in 40 Minuten. Weil donnerstags der Wind auf dem Rückweg so stark ist, kämpfe ich fast eine Stunde. Aber zumindest komme ich an den fünf Tagen kein einziges Mal in den Regen. Unangenehm wird es für Radler nur in den Ortsdurchfahrten Höchstädt, Dillingen, Steinheim und auch Wertingen. Da konkurriert man auf der Straße mit Autos. Es ist gut, dass der Landkreis und die Stadt Dillingen jetzt auf der alten B16 in Steinheim und Dillingen ein Sicherheitskonzept für Radfahrer umsetzen. Zur Ehrenrettung der Autofahrer ist zu sagen: Alle sind rücksichtsvoll gefahren und haben auf den Radler Rücksicht genommen. Was jeden Tag ein Ärgernis ist: Die vielen Lkw, die mitten durch Höchstädt fahren, obwohl es den sogenannten Lückenschluss gibt. Vermutlich liegt es an den Navigationsgeräten.
Am Mittwochnachmittag habe ich übrigens geschummelt. Ich wollte wegen Handwerkern sofort nach Hause – und ließ mich deshalb mit dem Auto abholen. Als Buße habe ich beim Rückweg den Zug genommen. Auch das dauert länger – von der Haustür eine halbe Stunde bis zur Redaktion in Dillingen. Fazit: Radfahren bringt viele schöne Erlebnisse – jetzt zum Beispiel eine intensivere Erfahrung der Natur im Frühling. In der Morgenkonferenz fühlte ich mich richtig aufgedreht und motiviert. Als Verkehrsmittel auf dem Weg zur Arbeit ist das Rad aber für mich nicht geeignet. Zum Glück hatte ich nur zwei Termine in Dillingen, einen dritten im Kesseltal hatte ich verlegt. Jetzt freue ich mich auf mein Auto. Radeln will ich aber im Urlaub. Berthold Veh
Vorweg möchte ich ein Dankeschön stellen. Danke an alle, die mich am Stadtberg in Dillingen hupend, winkend und lachend angefeuert haben. Ich habe es geschafft und das jeden einzelnen Tag. Ohne abzusteigen. Der Anstieg ist durchaus machbar, aber mit zwei Rucksäcken, einer Kamera-Tasche, einer dem Schminkbeutel und der Wasserflasche eine echte Herausforderung. Erst recht am Morgen. Denn mein erstes Fazit ist klar: Ich brauche, bis ich richtig wach und vor allem fit bin. Die autofreie Woche zwang mich, eine Stunde früher als gewohnt aufzustehen (das war übrigens mein persönlicher Kampf an jedem Tag), und entsprechend schwer fiel mir das Radeln am Morgen.
Aber: Der Tag fängt besser an und hört entspannter auf. Ich habe es genossen, die Vögel morgens auf meinem Weg zwitschern zu hören, jeden Tag schien zudem schon sehr früh die Sonne, auch wenn es teils sehr kühl war. Und so manche Sorge habe ich mit jedem Kilometer weggestrampelt. Schon vor Arbeitsbeginn stellt sich deshalb ein Gefühl von Zufriedenheit ein – was sich aber schnell in Stress umwandelte. Denn ich habe jeden Tag meine Sportklamotten gegen „normale“ Kleidung getauscht. Sie können sich vorstellen, wie mein Schreibtisch ausgesehen hat.
Ich habe versucht, jeden Tag einen anderen Weg in die Arbeit zu nehmen – von Aislingen aus mal über Lauingen durch die Stadt, ein anderes Mal an der Donau entlang, über Holzheim auf dem Radweg oder querfeldein über die Nusseralm. So schwankte meine zu leistende Kilometerzahl einfach zwischen zwölf und 15 Kilometern. Ein Termin in Blindheim, Besorgungen in einem Supermarkt in Lauingen, Erledigungen in Dillingen und eine kleine Radtour mit dem Hund sind meine Bilanz von Samstag bis inklusive Karfreitag. Insgesamt bin ich damit rund 150 Kilometer gefahren.
Hätte ich nicht auf mein Auto verzichten müssen, wären es wesentlich mehr Kilometer. Denn Hand aufs Herz: Schnell fährt man wegen der vergessenen Butter noch zum Supermarkt im nächsten Dorf, auch der Besuch bei Oma, die nur rund 750 Meter entfernt wohnt, wird mit dem Auto erledigt. Aus Bequemlichkeit und Routine. Ich bin es gewohnt, immer ein Auto zu haErsatz-Jacke, ben – seit ich einen Führerschein besitze. Und das ist wahrer Luxus, was ich in der autofreien Woche ganz bewusst für mich festgestellt habe.
Ich wurde auch bestätigt, dass das Leben und Arbeiten auf dem Land ohne Auto wesentlich schwerer wäre – und, ich würde sagen, für mich auch nicht machbar ist: Im Aschberg, meiner Heimat, gibt es nun mal keine Zug-Anbindung. Zwar fahren regelmäßig Busse in alle Richtungen – aber das auch nur während der Schulzeit. Und ganz ehrlich: So schön es an der frischen Luft ist, so herrlich die Sonnenaufgänge am frühen Morgen sind und so wunderbar man den Kopf nach der Arbeit auf dem Rad beim Heimfahren freibekommt: Es reicht nach einer Woche. Ich muss dringend Getränke einkaufen, Kübelpflanzen für den Balkon wollte ich schon lange besorgen, die andere Oma (20 Kilometer einfach) freut sich auch mal wieder über einen Besuch, und eine Stunde länger schlafen ist ebenfalls nicht ganz verkehrt. Kurzum: Ich brauche mein Auto. Und mein Fahrrad. Simone Bronnhuber
Morgens war es teils sehr kühl