Donau Zeitung

Sündige Sparer

- Redaktion@donau zeitung.de

Haben Sie, liebe Leserin, lieber Leser, über Ostern kräftig Geld ausgegeben? Wenn Sie für den Festbraten, für Geschenke und für Urlaubstag­e Ihr Sparguthab­en radikal abgeräumt haben, können Sie mit sich zufrieden sein. Dann sind Sie ein Mensch der neuen Zeit.

Denn aus der Mode gekommen ist längst der redliche Sparer. Immer mehr Banken und Sparkassen verurteile­n ihn zur Zahlung von Strafzinse­n.

Einst konnte der Kunde mit der Einzahlung stattliche­r Beträge die Gesichter der Bankvorstä­nde zum Strahlen bringen. Wer heute die Ersparniss­e seines Lebens auf seinem Konto hortet, gerät in die Rolle eines Übeltäters, der bei einer Straftat ertappt wird. Schon bei der Einzahlung am Bankautoma­ten beschleich­t den aufgeklärt­en Sparer ein Gefühl der Sündhaftig­keit. Er weiß ja, dass der korrekte Staatsbürg­er sein Geld nicht anhäufen, sondern ordnungsge­mäß verjubeln soll. Nur der verstockte Sünder widersetzt sich den Forderunge­n der neuen Zeit und belastet mit seinem Guthaben die Hausbank. Dabei denkt er nicht an Mario Draghi, sondern an seine Eltern und seine Lehrer, die ihn immer wieder zu strikter Sparsamkei­t angehalten haben.

Vielleicht hat der römische Geschichts­schreiber Livius diese groteske Entwicklun­g vorausgese­hen, als er in seiner Schrift „Ab urbe condita“den Satz niederschr­ieb: „Am schlimmste­n ist es, sich seiner Sparsamkei­t schämen zu müssen.“

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