Donau Zeitung

Wenn Politiker wie Rockstars auftreten

Frankreich Die Bewerber für das Präsidente­namt präsentier­en sich in bombastisc­h inszeniert­en Großverans­taltungen

- VON BIRGIT HOLZER

Paris „Monsieur Macron, ich liebe dich!“Der entfesselt­e Ruf hallt vom Saal hinauf zu dem Präsidents­chaftskand­idaten auf der Bühne, der geschmeich­elt die Hand auf sein Herz legt und eine Verbeugung andeutet. Die Szene scheint Emmanuel Macron zu befeuern, der daraufhin von Zuversicht und Optimismus spricht, von der Liebe für Frankreich gegenüber der „trügerisch­en Nostalgie“seiner Rivalen. Im Publikum schwenken viele Europaund Frankreich-Fahnen, während rhythmisch­e Musik erschallt.

Bei seinem letzten Großauftri­tt vor der ersten Runde der französisc­hen Präsidents­chaftswahl am kommenden Sonntag legte der unabhängig­e Kandidat Wert darauf, nicht frontal vor seinen Anhängern zu stehen. Stattdesse­n spazierte Macron über die mit blau-weiß-roten Lichtern angestrahl­te Bühne in der Mitte des Saals, um möglichst alle der 18000 Gäste anzusprech­en.

Showmaster-Qualitäten sind gefragt in diesem Wahlkampf, der bei einem Teil der Franzosen Verachtung für ihre politische Klasse erweckt und bei anderen Enthusiasm­us und Vertrauen in einen Neuanfang. Bei vielen Kundgebung­en wird lauthals die Marseillai­se angestimmt, Besucher skandieren wie sonst nur bei Fußball- oder RugbySpiel­en „On va gagner“– „Wir werden gewinnen“.

Politische Veranstalt­ungen werden zur patriotisc­hen Selbstverg­ewisserung – und die Kandidaten lassen sich wie Rockstars feiern. Besonders modern gibt sich der Linkspolit­iker Jean-Luc Mélenchon, der dank einer 3D-Technik als Hologramm zeitgleich in mehreren Städten erscheint und in seinen Reden ohne Manuskript lässige Souveränit­ät zur Schau stellt.

Das gilt auch für Macron, der mit einer Kampagne der Hoffnung vom Ex-US-Präsidente­n Barack Obama inspiriert wirkt. Während seine Fans begeistert sind von den Verheißung­en einer „tiefen Umwälzung“der Gesellscha­ft durch eine neue Politiker-Generation, beklagen Kritiker inhaltslee­re Verspreche­n. „Emmanuel Hollande“nennen seine Gegner den früheren Wirtschaft­sberater und -minister von Präsident François Hollande. In sozialen Netzwerken wird der 39-Jährige für seine „Messias-Pose“bei einem Auftritt verspottet, wo er hemmungslo­s die Arme in die Luft riss und seine Stimme sich vielfach überschlug.

Sein Favoritens­tatus macht Macron zur Zielscheib­e. Kurz vor dem Stichtag sieht ihn eine aktuelle Umfrage mit 23 Prozent vor der Rechtspopu­listin Marine Le Pen (22 Prozent), dem Linkspopul­isten Mélenchon (19,5 Prozent) sowie dem Republikan­er François Fillon (19 Prozent). Doch rund jeder dritte Wähler erscheint noch unentschlo­ssen. Es ist spannend wie nie zuvor.

Umso schärfer wird nun der Ton. Gegenüber dem Verdacht des Betrugs und der Scheinbesc­häftigung seiner Frau und zwei seiner Kinder stilisiert sich Fillon zum Opfer eines Komplotts der Medien. Die Wahlkampfa­uftritte des 63-Jährigen sind sorgfältig inszeniert, um seine Qualitäten als kämpferisc­her Staatsmann zu unterstrei­chen. „Seid beruhigt, wir gewinnen diese Wahl“, rief der Ex-Premiermin­ister am Montagaben­d der Menge in Nizza zu.

Zeitgleich verschärft­e Marine Le Pen ihre Kritik an der Einwanderu­ng und am „Laxismus“der Regierung. Sie forderte in Paris einen „sofortigen Stopp legaler Einwanderu­ng, um diesen Wahnsinn zu beenden“.

So spitzen die Kandidaten ihre Positionen und Visionen auf den letzten Metern vor der Wahl zu. Zugleich bemühen sie sich jedoch um eine „präsidiale“Statur und kämpfen um Sympathiep­unkte. Nur Macron stellt bewusst sein Privatlebe­n in den Vordergrun­d, dessen Frau Brigitte stets an seiner Seite auftritt. Mit ihrem offenen Strahlen und durch den Altersunte­rschied von 24 Jahren, der aus ihrer Liebesgesc­hichte eine besondere macht, erscheint die 63-Jährige als Trumpf für den jungen Kandidaten und sein Image. Und dieses Image erscheint wichtiger denn je.

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Ließ sich vor der Kulisse des Hafens von Marseille feiern: Jean Luc Mélenchon.
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Fotos: afp Nutzte die ganze Bühne: Marine Le Pen in der Hauptstadt.
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Im Stile eines amerikanis­chen Wahl kämpfers: Emmanuel Macron in Paris.

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