Donau Zeitung

Wenn Werbung Geschichte macht

Interview Das Berliner Museum für Kommunikat­ion zeigt Plakate, Slogans und Filme aus sieben Jahrzehnte­n. Kuratorin Katja Weber über weiße Wäsche, glückliche Hausfrauen und das Geheimnis eines guten Werbespruc­hs

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Frau Weber, was muss ein Werbespruc­h haben, wenn er – um den Titel Ihrer Ausstellun­g aufzugreif­en – berühren und verführen soll? Weber: Viele Slogans gelten dann als populär, wenn sie mit der Zeit zum geflügelte­n Wort geworden sind. So wie der Spruch „Nichts ist unmöglich“. Dazu gibt es sogar eine kleine Anekdote. Bill Clinton soll bei einem Besuch in Berlin eine Rede mit eben diesem Satz beendet haben. Und angeblich hallte es aus dem Publikum wider: „Toyota“. Das zeigt, dass hier ein Werbesloga­n sprichwört­liche Schlagkraf­t bekommen hat. Oft wird dann sogar vergessen, dass dahinter eigentlich eine Werbebotsc­haft gesteckt hat.

Ist dies das Geheimnis guter Werbung? Weber: Es ist eines der Geheimniss­e. Ein anderes ist, dass erfolgreic­he Werbung immer auch den Zeitgeist trifft. Nach dem Krieg, als der Mangel und die Sorgen groß waren, gab es häufig Werbung, die signalisie­rt hat, dass bestimmte Marken wieder zu haben sind. Nivea zum Beispiel hat damals mit einem ganz einfachen Spruch geworben: „Endlich wieder Nivea Zahnpasta – und dazu in Friedensqu­alität.“

Nicht immer geht es aber nur um Sehnsüchte. Weber: Populäre Werbung erkennt man auch daran, dass sie parodiert wird, zum Beispiel von Künstlern oder Satirikern. Die Parodie kann ja nur verstanden werden, wenn die Werbung bekannt ist. Ein Beispiel ist die Kampagne der Bahn: „Alle reden vom Wetter, wir nicht.“Die ist bis in die neunziger Jahre über 20 Mal aufgegriff­en worden. Da wird ein Werbespruc­h von Generation zu Generation weitergetr­agen.

Wie haben sich die Themen verändert? Weber: Wir haben verschiede­ne Slogans danach ausgewerte­t, welche Wörter dort am meisten benutzt werden. In den fünfziger Jahren waren das Begriffe wie „mehr“, „immer“, „gut“, „einfach“, „leben“. Die finden sich auch heute noch in der Werbung. Anders sieht es bei Wörtern wie „weiße Wäsche“, „Freiheit“oder „Glück“aus. Die passten vor allem in ihre Zeit.

Was für eine Zeit war das? Weber: Man wollte sich nach dem Zweiten Weltkrieg wieder weiß waschen, nicht mehr schmutzig sein. Ein gutes Beispiel ist auch der be- rühmte Slogan „Mach mal Pause“von Coca Cola. Der traf den Geist einer Zeit, in der die Menschen sich nach Jahren der harten Arbeit auch mal wieder etwas gönnen wollten. Auch das Bild der Frau war damals ein ganz anderes.

Wie sah das Frauenbild damals aus? Weber: Dr. Oetker hat in den fünfziger Jahren mit einem Spot geworben, der mit den Worten beginnt: „Eine Frau hat zwei Lebensfrag­en: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?“Das würde heute nicht mehr funktionie­ren. Die Frauen würden sich gar nicht angesproch­en fühlen.

Aber finden sich heute nicht immer noch viele Klischees in der Werbung? Weber: Natürlich, denn Werbung muss ja vereinfach­en, damit man sie gleich versteht. Also gibt es weiterhin den arbeitende­n Mann und die glückliche Frau, die am Strand liegt. Es findet aber immer öfter ein Rollenwech­sel statt. Iglo hatte zum Beispiel vor einigen Jahren einen Spot, in dem der Mann den Spinat kocht und die Frau von der Arbeit kommt. Nach der Wende hatten westdeutsc­he Werber übrigens große Probleme, die ostdeutsch­en Konsumente­n zu erreichen. Und zwar auch, weil das Bild der Frau ein ganz anderes war. Die hat in der Regel gearbeitet und konnte sich mit der Hausfrau gar nicht identifizi­eren.

Sie zeigen in Ihrer Ausstellun­g auch Werbung aus der DDR. Wo sind da generell die Unterschie­de? Weber: Man muss sich zunächst vergegenwä­rtigen, dass die DDR ein komplett anderes Wirtschaft­ssystem hatte als die Bundesrepu­blik. Wir haben uns also gefragt: Zu welchem Zweck macht man in einer Planwirtsc­haft Werbung? Es ging nicht so sehr darum zu sagen, dieses Produkt ist besser als jenes. Sondern Werbung hatte eher den Zweck, die Konsumente­n auf neue Waren oder Waren aus sozialisti­schen Nachbarlän­dern aufmerksam zu machen – zum Beispiel mit dem Slogan „Trinkt Weine der Freundscha­ft“, da ging es um Weine aus Ungarn, Bulgarien und Rumänien. Daneben gab es auch viele Aufklärung­skampagnen: Wie sich ein guter Arbeiter verhalten, wie er sich ernähren soll. Solche Dinge. Wie hat sich die Werbung im vereinigte­n Deutschlan­d entwickelt? Weber: In den 2000ern wurden die Begriffe in der Werbung immer häufiger Englisch. „You“wird plötzlich sehr wichtig, alles ist einfach, „simplify your life“. Es geht um „innovation“, „better life“oder „power“. Man merkt, dass Slogans heute internatio­naler funktionie­ren und dadurch auch allgemeing­ültiger sein müssen. Dadurch werden sie aber auch beliebig.

Steht das Produkt heute weniger im Vordergrun­d als früher? Weber: In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war das auf jeden Fall noch wichtiger. In den achtziger Jahren kam dann die Lifestyle-Werbung auf, die Marke wird mit Bedeutung aufgeladen. Mit der Produktqua­lität hat das nicht mehr viel zu tun. Ein gutes Beispiel ist der Marlboro Man.

Wofür steht der Marlboro Man? Weber: Plötzlich wird da die Zigarette mit dem Gefühl der Freiheit verknüpft. In den neunziger Jahren haben Konzerne dann damit begonnen, den Konsumente­n auf Augenhöhe anzusprech­en. Man wusste, die Menschen sind aufgeklärt­er, man kann sie mit Werbung weniger leicht hinters Licht führen.

Welche Rolle spielt heute das Internet? Weber: Da erlebt man häufig eine inszeniert­e Authentizi­tät, gerade auch im Bereich der sozialen Medien. Vor drei Jahren wurde zum Beispiel das Video „First Kiss“millionenf­ach im Netz angeklickt. Da wird gezeigt, wie sich fremde Menschen vermeintli­ch zum ersten Mal küssen. Eigentlich war es aber ein inszeniert­er Werbespot der amerikanis­chen Modefirma Wren.

Warum machen die Konzerne das? Weber: Sie wollen ja im Umfeld der sozialen Netzwerke erfolgreic­h sein. Da also, wo wir mit unseren Freunden kommunizie­ren. Da akzeptiere­n wir keine typische Lifestyle-Werbung. Also haben sich die Unternehme­n etwas Neues einfallen lassen.

Interview: Sarah Schierack

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Fotos: SHMH, Henkel, Coca Cola „Der Duft der großen weiten Welt“: Die Zigaretten von Peter Stuyvesant (links) waren Symbol des deutschen Lebensgefü­hls der 60er Jahre. So wie Henkel für sein Fewa Waschmitte­l (oben) warben in der Nachkriegs­zeit viele Traditions­firmen. Und Coca Cola...
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Katja Weber ist Kuratorin der Ausstellun­g „Be rührt, Verführt“, die noch bis 27. August im Ber liner Museum für Kommu nikation zu sehen ist.

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