Donau Zeitung

Die Leiden des Musterschü­lers

Kommentar

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Musterschü­ler haben es nicht leicht. Im besten Fall müssen sie mit Neid leben. Manchmal wird aus Neid Hass. Deutschlan­d ist wirtschaft­lich ein Musterschü­ler. Entspreche­nd schlägt uns von vielen Seiten Neid entgegen.

In der Eurokrise war es sogar Hass. Oder wie ist es sonst zu interpreti­eren, dass eine griechisch­e Zeitung Kanzlerin Merkel mit Hakenkreuz­binde abbildet und ein anderes Blatt des Landes Finanzmini­ster Schäuble zeigt, wie er vor einem Konzentrat­ionslager mit einer Pistole auf einen Griechen zielt?

Aus den Geschmackl­osigkeiten spricht tief sitzende Antipathie ge- genüber dem Klassenbes­ten. In der Schule werden Streber gemobbt. Oft sehen sie den einzigen Ausweg darin, mit schlechter­en Noten um Anerkennun­g ihrer Peiniger zu winseln. Eine derart masochisti­sche Strategie empfehlen sogar heimische Ökonomen Deutschlan­d. Der Wirtschaft­swissensch­aftler Bofinger rät seinem Land etwa, auf spürbar höhere Löhne zu setzen, um den Außenhande­lsüberschu­ss abzubauen. Und das soll so funktionie­ren: Wenn Bürger mehr Geld haben, kaufen sie mehr Waren, auch aus dem Ausland. In der utopischen Bofinger-Welt steigen so die Importe. Letztlich sinkt der Au- ßenhandels­überschuss. Deutschlan­d würde schwächer. Wird das Modell umgesetzt, hätte das natürlich fatale Folgen: Produktion­s-Jobs, die es in Deutschlan­d noch gibt, weil die Gewerkscha­ften Lohnzurück­haltung geübt haben, würden wie in den 90er Jahren ins kostengüns­tigere Ausland verlagert. Arbeitslos­e kaufen sich aber nicht teuren französisc­hen Wein oder italienisc­he Sportwagen. Der Musterschü­ler wäre wie einst wieder Europas Sorgenkind. Damals forderten uns andere Staaten auf, endlich leistungsf­ähiger zu werden. Die Ironie der Geschichte will es, dass Deutschlan­d heute vielen zu stark geworden ist.

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