Donau Zeitung

Willkommen Wolf?

Natur Die Population des geschützte­n Tieres wächst in Deutschlan­d stark. Das zeigt ein Blick nach Niedersach­sen. Auch in Bayern wird Meister Isegrim erwartet. Welche Folgen das hat

- VON JÖRG SIGMUND »Kommentar

Freyung Noch heißt ihn eine Mehrheit der Bevölkerun­g willkommen. Noch haben in Bayern erst einige Einzelgäng­er die Wälder durchstrei­ft. Noch ist keines der Tiere im Freistaat besonders auffällig geworden. Und dennoch gehen Experten davon aus, dass sich dies schon in naher Zukunft ändern könnte. So ist jedenfalls das Fazit eines Symposiums des Bayerische­n Jagdverban­des in Freyung, das große Beutegreif­er, wie den Wolf, zum Thema hatte.

Der Blick geht nach Niedersach­sen. 2012 wurde in der Lüneburger Heide erstmals wieder ein weiblicher Wolf, eine Fähe, bestätigt. Jetzt, fünf Jahre später, leben im niedersäch­sischen Flachland acht Rudel, zwei weitere Paare und Einzelwölf­e. Die Zuwachsrat­en seien beachtlich, sagt Peter Pabel, Förster in der Göhrde, dem größten zusammenhä­ngenden Mischwaldg­ebiet Norddeutsc­hlands im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Der 54-Jährige beobachtet die „fasziniere­nde, geschützte Tierart“seit langem. Pabel hat dabei festgestel­lt, dass etwa das Rotwild mit dem Wolf „recht gut klar kommt“. Die Rotwildver­bände, also die Rudel, würden größer, seien aufmerksam­er, wechseln schneller den Standort und formen – kommt ihnen ein Wolf zu nahe – eine „Wagenburg“zur Verteidigu­ng. Pabel: „Ein starkes Alttier geht dann auf den Angreifer zu, um ihn zu vertreiben.“Anders sehe es beim kleineren Damwild aus. Hier seien die Bestände nach der Rückkehr von Meister Isegrim gesunken. Das heißt, Damwild wird für den Wolf leichter zur Beute.

Der Wolf ist scheu und geht dem Menschen aus dem Weg. Falsch, sagt Pabel. Der Wolf habe sich längst angepasst und erobere sich seine Lebensräum­e zurück, wenngleich es in der Göhrde bisher keine Aggression gegen Menschen gegeben habe. Der Förster hat eine weitere interessan­te Beobachtun­g gemacht. So gehe der Wolf „völlig lässig“mit Jagdgesell­schaften, etwa auf Drückjagde­n, bei denen Rot-, Dam- oder Rehwild den Schützen zugetriebe­n werden, um. „Der Wolf schaut sich manchmal das ganze Spektakel in nicht einmal 20 Meter Entfernung neben einem Jäger an.“

Die Stimmung in der Bevölkerun­g und vor allem in Reihen der Nutztierha­lter habe sich in Niedersach­sen inzwischen verändert. Vor allem deshalb, weil der Wolf jede leichte Möglichkei­t nutze, Beute zu machen – eben auch bei den häufig ungenügend geschützte­n Nutztieren wie Schafen. Vertreiben, sagt Pabel, lasse er sich dabei kaum.

Rund 500 Wölfe gebe es mittlerwei­le in Deutschlan­d und die Population wachse stark, betont Axel Heider, Leiter der Abteilung Forstwirts­chaft im Bundesland­wirtschaft­sministeri­um. Er hält eine Obergrenze von 250 Tieren für denkbar. Dies setzte allerdings auch die Bereitscha­ft voraus, Wölfe der Wildbahn zu entnehmen, also zu erlegen. Heider: „Eine Reduzierun­g des Bestandes darf nicht tabuisiert werden.“Vor allem in Wohngebiet­en sei der Wolf nicht zu tolerieren.

Heider weiß um die Problemati­k. In allen EU-Mitgliedss­taaten mit Wolfsvorko­mmen gebe es Konflikte zwischen Wolfsbefür­wortern meist aus dem städtische­n Bereich und Gegnern wie Weidetierh­altern oder Jägern. Prävention­smaßnahmen hält Heider für unverzicht­bar, auch wenn sie keinen absoluten Schutz bieten würden. „Seien wir ehrlich und sagen den Bürgern, wo in etwa die Zielgröße liegt, bis zu der sich der Wolf in Deutschlan­d ausbreiten und wieder heimisch werden soll.“

In Schweden gibt es bereits Ausnahmere­geln, nach denen eine streng kontrollie­rte Jagd auf den Wolf möglich ist. In dem skandinavi­schen Land beläuft sich der Bestand auf etwa 380 Tiere, sagt Michael Schneider. Der gebürtige Unterfrank­e ist Beamter der Bezirksreg­ierung in der schwedisch­en Provinz Västerbott­en und sich unter anderem mit den großen Beutegreif­ern wie Bär, Wolf oder Luchs befasst. Eine dichte Bärenpopul­ation – in Schweden gibt es rund 2800 Braunbären – verlangsam­e die Ausbreitun­g des Wolfes, sagt Schneider. „Das könnte“, fügt er Augen zwinkernd hinzu, „eine Lösung für Bayern sein.“Für Bayern? Bekanntlic­h war Braunbär Bruno im Juni 2006 in der Nähe der Rotwand im Spitzingse­egebiet erlegt worden. Er war nach 170 Jahren der erste Bär, der in Deutschlan­d in freier Wildbahn auftrat und während seiner Streifzüge zum „Problembär­en“wurde.

Zurück zum Wolf. Während Förster Pabel bei der Rückkehr von Meister Isegrim für Bayern eine ähnliche Entwicklun­g wie in Niedersach­sen vorhersagt, spricht Beate Jessel von einem Erfolg für den Natur- und Artenschut­z. Die Präsidenti­n des Bundesamte­s für Naturschut­z macht sich für eine stärkere Unterstütz­ung der Weidetierh­altung stark und setzt auf eine „bessere Akzeptanz des Wolfes in der Bevölkerun­g“. Bayerns Jägerpräsi­dent Jürgen Vocke wiederum fordert einen „gesellscha­ftlichen Konsens“, sollte der Wolf tatsächlic­h nach Bayern kommen. Er hält ein Wolfsmanag­ement für zwingend erforderli­ch. Eine Willkommen­skultur alleine reiche nicht. Vocke: „Wenn sich die Schäden durch den Wolf massiv häufen, müssen wir auch über jagdliche Maßnahmen nachdenken.“

Der Wolf geht völlig lässig mit Jagdgesell­schaften um

 ?? Foto: Peter Steffen, dpa ?? Der Wolf ist wieder da. Noch ist das Tier beim Großteil der Bevölkerun­g willkommen, denn es gibt erst einige Einzelgäng­er. Doch das kann sich ändern.
Foto: Peter Steffen, dpa Der Wolf ist wieder da. Noch ist das Tier beim Großteil der Bevölkerun­g willkommen, denn es gibt erst einige Einzelgäng­er. Doch das kann sich ändern.

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