Donau Zeitung

Was für den Rekordmeis­ter von dieser Saison übrig bleibt

DFB Pokal Die Münchner lagen gegen Dortmund in allen Statistikw­erten vorne – nur im Ergebnis lagen sie hinten

- VON ANDREAS KORNES

München Falls irgendjema­nd das vorangegan­gene Spektakel verpasst haben sollte, er hätte am späten Mittwochab­end nur ins Gesicht von Carlo Ancelotti blicken müssen. Dort hatte sich die ganze Bitternis des Abends tief in jede Falte gegraben. Leeren Blickes saß der Trainer des FC Bayern auf der plötzlich viel zu groß wirkenden Pressetrib­üne und sollte das Unerklärba­re erklären. 2:3 hatte der Titelverte­idiger das Pokal-Halbfinale gegen Borussia Dortmund verloren.

Nach dem Ausscheide­n aus der Champions League gegen Real Madrid ist damit auch der zweite von drei möglichen Titeln in dieser Saison unerreichb­ar. Es bleibt die an Sicherheit grenzende Wahrschein­lichkeit, deutscher Meister zu werden. Aus Sicht des FC Bayern ist das aber ein eher bescheiden­er Anlass zur Freude. In etwa so, als bekäme Michael Phelps die Erlaubnis, sich das Seepferdch­en an die Badehose nähen zu dürfen.

Ancelotti räusperte sich also und begann in einer dem Englischen ähnlichen Sprache zu erklären, wie es zu der Niederlage kommen konnte. Natürlich seien alle sehr enttäuscht, ein so wichtiges Spiel verloren zu haben. „Wir hatten unsere Chancen, und haben sie nicht genutzt. Das war unser Fehler. Wir hatten die Kontrolle über das Spiel und haben es trotzdem verloren.“Durchatmen. Der Moment sei nicht leicht, sagt der Trainer dann, aber alle beim FC Bayern müssten sich jetzt sofort wieder auf das nächste Spiel gegen Wolfsburg konzentrie­ren. Schließlic­h wolle man so schnell wie möglich die Meistersch­aft klarmachen.

Die Zahlen gaben Ancelotti recht. 70 Prozent Spielantei­l. Fast doppelt so viele Torschüsse wie Dortmund (13:7). Eckenverhä­ltnis: 7:2. Genutzt hat das alles nichts. Denn Arjen Robben und Robert Lewandowsk­i hatten sich ein Duell auf höchstem Niveau darin geliefert, selbst allerbeste Torchancen auszulasse­n. Als hätten sich Pech und Unvermögen zu einem Rendezvous in der Allianz-Arena verabredet. Sinnbildli­ch dafür stand jene unfassbare Szene aus der 63. Minute, als es Dortmunds Sven Bender irgendwie schaffte, seinen großen Zeh noch in die Flugbahn des Balles zu befördern. Robben, der Schütze, wollte schon jubeln, doch der Ball klatschte nur an den Pfosten. Ein Tor, und es hätte 3:1 gestanden. Dann, das gestand auch BVB-Trainer Thomas Tuchel ein, hätte das Spiel vermutlich anders geendet.

So aber kam, was Ancelotti „sehr traurig“machte an diesem Abend. Dortmund drehte einen 1:2-Rückstand – für die Bayern hatten zuvor Javier Martínez und Mats Hummels getroffen, für die Gäste Marco Reus – innerhalb von fünf Minuten zum 3:2-Sieg. An beiden Toren war der überragend­e Ousmane Dembélé beteiligt. Zuerst bereitete er den Ausgleich durch Pierre-Emerick Aubameyang vor, den Siegtreffe­r erledigte er wunderbars­t aus spitzem Winkel gleich selbst.

Damit beförderte ein 19-Jähriger den deutschen Meister ins tiefe Tal der Tränen. Selbst Ancelotti wirkt angesichts der jüngsten Pleiten nicht mehr unantastba­r, auch wenn von den Bayern-Bossen bisher keine Kritik in der Öffentlich­keit aufkam. Ein Indikator dafür, ob ein BayernTrai­ner angezählt ist, ist erfahrungs­gemäß die Bild-Zeitung. Sie fragte gestern in ihrer Online-Ausgabe in großen Buchstaben: „Ist Ancelotti noch der Richtige?“Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge gab die klare Antwort: „Carlo ist ein sehr guter und erfahrener Trainer. Seine Vertragsla­ufzeit ist bekannt (bis 2019), und darüber wird nicht diskutiert.“Das letzte verblieben­e Ziel: Jetzt soll der Meistertit­el endgültig gesichert werden. Schon am Wochenende könnte es so weit sein – ein Sieg gegen Wolfsburg vorausgese­tzt, wenn gleichzeit­ig Leipzig gegen Ingolstadt patzt.

Die Meistersch­ale entgegenzu­nehmen wäre die letzte Amtshandlu­ng des scheidende­n Kapitäns Philipp Lahm. Sein leichtfert­iger Ballverlus­t war dem Siegtreffe­r der Borussen vorausgega­ngen. Deshalb endet seine Karriere nicht mit dem Pokalfinal­e in Berlin, sondern mit einem Bundesliga-Heimspiel gegen Freiburg. Sehr, sehr bitter sei das alles, sagte Lahm. Und fasste den Abend mit einem Wort zusammen. „Schade.“

 ?? Foto: Sven Simon ?? Philipp Lahm verlor das Duell mit dem Torpfosten. Es war das letzte Pokalspiel in der Karriere des 33 jährigen Bayern Kapitäns.
Foto: Sven Simon Philipp Lahm verlor das Duell mit dem Torpfosten. Es war das letzte Pokalspiel in der Karriere des 33 jährigen Bayern Kapitäns.

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