Donau Zeitung

Kampf gegen die tödlichen Keime

Interview In einer Kasseler Klinik werden jetzt alle Patienten untersucht, ob sie an antibiotik­aresistent­en Bakterien erkrankt sind. Am Augsburger Klinikum geht man nicht so weit

-

Multiresis­tente Keime gelten als gefährlich bis tödlich. Das MarienKran­kenhaus Kassel will nun zur Sicherheit alle Patienten auf die Bakterien testen, die nicht auf die Behandlung mit Antibiotik­a ansprechen. Ist eine solche Standardun­tersuchung auch im größten Klinikum des Bezirkes Schwaben, in Augsburg, vorgesehen? Dr. Monika Schulze: Wir versorgen circa 90000 Patienten pro Jahr stationär. Von diesen untersuche­n wir seit 2006 all jene mit bestimmten Risikofakt­oren auf multiresis­tente Keime. Alle Patienten flächendec­kend zu analysiere­n, wird nicht empfohlen, weil dies sehr aufwendig wäre und auch in falsche Sicherheit wiegt. Wir können nur auf einige wenige Erreger untersuche­n. Wichtiger ist dagegen, dass unser Personal klare Hygienevor­schriften einhält – wie etwa Händedesin­fektion, Kittelpfle­ge, das Desinfizie­ren etwa von Blutdruckm­essgeräten, die ja immer wieder bei anderen Patienten eingesetzt werden. Damit reduziert sich das Infektions­risiko hinsichtli­ch vieler Keime. Welche Patienten werden bei Ihnen untersucht? Schulze: Besonders gefährlich­e Erreger wie etwa die sogenannte­n gramnegati­ven hochresist­enten Bakterien (MRGN) handeln sich Patienten oft im Ausland ein. Diese sind übrigens viel häufiger als der Multiresis­tente Staphyloco­ccus Aureus (MRSA), der einfach nur bekannter ist. Daher haben wir insbesonde­re Patienten im Fokus, die vorher im Ausland medizinisc­h behandelt worden sind. Zudem jene, die Antibiotik­a nehmen, aus der Tierzucht kommen oder bei denen schon einmal ein multiresis­tenter Keim bekannt war oder ist. Ebenfalls gefährdet sind chronisch Pflegebedü­rftige mit offenen Wunden oder jene, die in den letzten Monaten schon in einem Krankenhau­s gewesen sind. Die genannten Risikokrit­erien wiesen circa 14000 unserer 90000 stationäre­n Patienten auf. Bei diesen ließ sich in 0,5 Prozent der Fälle MRSA nachweisen.

Welche Abteilunge­n sind im Besonderen von den Keimen gefährdet? Schulze: Häufig sind etwa Intensivst­ationen betroffen, weil dort besonders schwer kranke Patienten versorgt werden.

Wie viele Patienten sterben jährlich in Deutschlan­d an multiresis­tenten Keimen? Schulze: Deutschlan­dweit infizieren sich etwa 30000 Menschen jährlich mit multiresis­tenten Keimen. Wie viele tatsächlic­h daran sterben, ist schwer zu sagen. Denn viele dieser Menschen sind ohnehin schon vorher schwer krank oder sehr alt gewesen, sodass sich gar nicht genau sagen lässt, woran sie letztlich wirklich gestorben sind.

Wie viele Menschen sterben pro Jahr in etwa am Klinikum Augsburg an multiresis­tenten Keimen? Schulze: Das lässt sich ebenfalls schwer sagen, aus den gleichen Gründen. Warum sind diese Keime so schwer zu bekämpfen? Schulze: Das Problem ist, dass die Bakterien resistent gegen Antibiotik­a sind. Diese haben sich ihre Resistenze­n wahrschein­lich über Jahre durch den ungezielte­n Einsatz von Antibiotik­a bei Menschen, aber auch in der Landwirtsc­haft und Nahrungsmi­ttelproduk­tion bei Tieren gebildet.

Gibt es einen Lichtblick bei der Behandlung dieser Keime in der Zukunft? Schulze: Es gibt tatsächlic­h Lichtblick­e. Zum einen wurden neue Antibiotik­a entwickelt, gegen die es bislang keine oder nur wenige Resistenze­n gibt. Zum anderen stagnieren derzeit die Zahlen zumindest bei MRSA-Infektione­n in Deutschlan­d – auch hier am Klinikum Augsburg. Warum das so ist, ist nicht genau geklärt.

Interview: Markus Bär

O

Dr. Monika Schulze ist Oberärztin und seit dem Jahr 2003 Leiterin des Bereiches Hygiene und Umweltmedi­zin am Klinikum Augsburg.

 ?? Foto: Nobert Försterlin­g, dpa ?? Im Labor können sogenannte multiresis­tente Keime nachgewies­en werden.
Foto: Nobert Försterlin­g, dpa Im Labor können sogenannte multiresis­tente Keime nachgewies­en werden.
 ??  ?? Monika Schulze
Monika Schulze

Newspapers in German

Newspapers from Germany