Wer hat Lust auf ein Spitzenamt?
Ehrenamt Viele Menschen engagieren sich für eine symbolische Entschädigung im Sport. Der Bedarf aber ist viel größer. Vor allem in Führungsämtern. Ein aktuelles Beispiel aus dem Fußball
Augsburg „Gesucht: Frau, die ins Wasser springt. Durchstarter. Schlagkräftiger Nachwuchs.“Mit solchen Slogans auf den entsprechenden Plakaten wirbt der Bayerische Landes-Sportverband (BLSV) für das Thema Ehrenamt. Denn der Mangel an Freiwilligen scheint gerade im Sport groß. Das zumindest ist der erste Eindruck.
Dabei gibt es in Deutschland 31 Millionen Menschen, die sich quer durch alle sozialen Schichten für sportliche, kulturelle, politische oder soziale Aufgaben engagieren. Dies geschieht unentgeltlich oder bestenfalls für eine symbolische Aufwandsentschädigung. Beträge wie jene 5,5 Millionen Euro für einen Werbevertrag, mit denen Franz Beckenbauer für sein „Ehrenamt“als Chef des Organisationskomitees zur Fußball-WM 2006 entlohnt wurde, sind an der Basis utopisch – und obendrein kein Beweggrund. Motive für Ehrenamtliche sind vielmehr die Begeisterung für einen Sport, das Miteinander in einem Verein, Menschen kennenzulernen oder ihnen zu helfen, Anerkennung zu finden und vielleicht sogar beruflich davon zu profitieren.
„Die Suche nach Freiwilligen ist oft mühsam“, bedauert Robert Häfele, der selbst aus dem Bahnradsport kommt und sich als Leiter der BLSV-Geschäftsstelle in Augsburg von Berufs wegen täglich mit dem Ehrenamt beschäftigt. „Jemand für ein dauerhaftes Funktionärsamt zu begeistern, bedarf Überzeugungsarbeit“, erklärt Häfele, „mindestens genauso problematisch ist es aber, wenn Leute zu sehr an ihrem Amt kleben und andere erst gar niemand mitarbeiten lassen.“
Durch solche Fälle entsteht dann der Eindruck, dass niemand mitarbeitet und das Ehrenamt ausstirbt, erklärt Dieter Habermann. „Das stimmt aber so nicht, vielmehr steigt die Zahl der Freiwilligen sogar an.“Der Mittelfranke ist Verbands-Ehrenamtsreferent beim Bayerischen Fußball-Verband (BFV) und beschäftigt sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit dem Thema. Lange gehörte Habermann der Kommission unter dem Vorsitz des Augsburger „Ehrenamtspioniers“Hermann Güller an, 2014 hat er dann Güllers Nachfolge angetreten. Habermanns Credo lautet: „Jammern hilft nicht weiter, wir müssen selbst aktiv werden.“Allzu oft würden Vereinsverantwortliche darauf warten, dass Mitarbeiter sich selbst antragen und Aufgaben übernehmen. Doch das sei nun einmal nicht die Regel.
„Die Leute müssen angesprochen werden“, weiß Habermann. Eine Untersuchung der Uni Berlin habe gezeigt, dass 24 Prozent der Vereinsmitglieder zur Mitarbeit in irgendeiner Form bereit wären, dass aber acht Prozent noch gar nie auf eine Tätigkeit angesprochen wurden. Wie es gehen kann, hat Habermann bei einem Pilotprojekt in Erlangen selbst erfahren. Dabei wurde an Vereinsmitglieder ein Fragenkatalog verschickt, ob und in welcher Form sie sich eine ehrenamtliche Mitarbeit vorstellen könnten. „Der letzte Punkt, dass gar keine Mitarbeit gewünscht ist, wurde so gut wie gar nicht angekreuzt. Das ist schon erstaunlich“, fühlt sich Habermann in seiner Meinung bestärkt, dass Bereitschaft für ein Ehrenamt vorhanden ist. Andererseits macht es einen Unterschied, ob jemand bei der Organisation eines Vereinsfestes, bei einem Turnier oder als Fahrer für Kinder und Jugendliche einige Stunden mithilft – oder eben Verantwortung an der Spitze trägt. „Es hängt unheimlich viel dran“, erklärt Viktor Merenda, Vorsitzender des FC Gundelfingen, ein Verein mit zwölf aktiven Abteilungen, mehr als 1000 Mitgliedern und eigenen Sportanlagen. Die wurden unter Merendas Leitung in den vergangenen Jahren für 800000 Euro renoviert und modernisiert. Um Zuschüsse, Darlehen, Angebote und Auftragsvergaben kümmerte sich Merenda selbst. Ein Zeitaufwand, der neben Familie und Beruf nicht zu bewältigen ist. „Für mich als Rentner ist das ein Vollzeitjob“, gesteht der 70-Jährige, „und dazu sind nach meiner Erfahrung wenige Menschen bereit. Für eine Veranstaltung oder über einen begrenzten Zeitraum finden sich mitunter hervorragende und engagierte Mitarbeiter, jahrelange Verantwortung zu tragen ist aber noch einmal eine ganz andere Geschichte.“Auch Dieter Habermann weiß, dass ein Neueinsteiger im besten Fall über einzelne Projekte oder eine überschaubare Zeit an größere Aufgaben herangeführt wird. Dabei rät er gerade Fußballvereinen, Frauen als Zielgruppe für ein Ehrenamt stärker ins Visier zu nehmen – und auch die Generation 60plus einzubinden. Ein Tipp, der genauso für Habermanns eigene (Fußball-)Reihen gilt. Denn da stehen 2018 in ganz Bayern Neuwahlen an. Seit vorgestern stellt sich zudem die Führungsfrage an der schwäbischen Spitze. Volker Wedel, seit 2006 BFV-Bezirksvorsitzender, hört ein Jahr vor Ablauf seiner Amtszeit aus „privaten und gesundheitlichen Gründen“auf. „Der Zeitpunkt kommt überraschend“, erklärt Johann Wagner, der Wedels Stellvertreter ist.
Wagner selbst hatte zuletzt erklärt, dass er sich beim Bezirkstag 2018 als Bezirkschef zur Wahl stellt. Für die Übergangszeit steht der Zusamaltheimer als kommissarischer Bezirksvorsitzender zur Verfügung: „Vorausgesetzt, dass mich der Bezirksausschuss vorschlägt und ich vom Verbandspräsidenten berufen werde.“Was in der Regel eine Formalie ist. Zumal Wagner in den vergangenen Monaten schon reichlich Personalgespräche geführt hat: „Die Mitarbeitersuche geht voran, aber gerade in den drei Kreisen sind schon noch vereinzelte Posten für die Zeit ab 2018 unbesetzt.“Im schwäbischen Fußball scheint es noch genügend Spitzenkräfte zu geben.
Viele engagieren sich
Das „Ehrenamt“wird als eine freiwillige, gemeinwohlorientierte und unentgeltliche Tätigkeit be schrieben. Aufwandsentschädi gungen sind dabei durchaus möglich. Allerdings geht der Gesetzgeber dabei von einem Umfang aus, bei dem keine Einkünfteerzielungsab sicht dahintersteckt.
Jeder Dritte in Deutschland enga giert sich ehrenamtlich. Das Bun desfamilienministerium kam bei sei ner Befragung 2014 auf 31 Millio nen Menschen. Im Sport sind es nach Studien des Allensbach Instituts 14 Millionen Ehrenamtliche.