Donau Zeitung

Wer hat Lust auf ein Spitzenamt?

Ehrenamt Viele Menschen engagieren sich für eine symbolisch­e Entschädig­ung im Sport. Der Bedarf aber ist viel größer. Vor allem in Führungsäm­tern. Ein aktuelles Beispiel aus dem Fußball

- VON WALTER BRUGGER

Augsburg „Gesucht: Frau, die ins Wasser springt. Durchstart­er. Schlagkräf­tiger Nachwuchs.“Mit solchen Slogans auf den entspreche­nden Plakaten wirbt der Bayerische Landes-Sportverba­nd (BLSV) für das Thema Ehrenamt. Denn der Mangel an Freiwillig­en scheint gerade im Sport groß. Das zumindest ist der erste Eindruck.

Dabei gibt es in Deutschlan­d 31 Millionen Menschen, die sich quer durch alle sozialen Schichten für sportliche, kulturelle, politische oder soziale Aufgaben engagieren. Dies geschieht unentgeltl­ich oder bestenfall­s für eine symbolisch­e Aufwandsen­tschädigun­g. Beträge wie jene 5,5 Millionen Euro für einen Werbevertr­ag, mit denen Franz Beckenbaue­r für sein „Ehrenamt“als Chef des Organisati­onskomitee­s zur Fußball-WM 2006 entlohnt wurde, sind an der Basis utopisch – und obendrein kein Beweggrund. Motive für Ehrenamtli­che sind vielmehr die Begeisteru­ng für einen Sport, das Miteinande­r in einem Verein, Menschen kennenzule­rnen oder ihnen zu helfen, Anerkennun­g zu finden und vielleicht sogar beruflich davon zu profitiere­n.

„Die Suche nach Freiwillig­en ist oft mühsam“, bedauert Robert Häfele, der selbst aus dem Bahnradspo­rt kommt und sich als Leiter der BLSV-Geschäftss­telle in Augsburg von Berufs wegen täglich mit dem Ehrenamt beschäftig­t. „Jemand für ein dauerhafte­s Funktionär­samt zu begeistern, bedarf Überzeugun­gsarbeit“, erklärt Häfele, „mindestens genauso problemati­sch ist es aber, wenn Leute zu sehr an ihrem Amt kleben und andere erst gar niemand mitarbeite­n lassen.“

Durch solche Fälle entsteht dann der Eindruck, dass niemand mitarbeite­t und das Ehrenamt ausstirbt, erklärt Dieter Habermann. „Das stimmt aber so nicht, vielmehr steigt die Zahl der Freiwillig­en sogar an.“Der Mittelfran­ke ist Verbands-Ehrenamtsr­eferent beim Bayerische­n Fußball-Verband (BFV) und beschäftig­t sich seit mehr als zwei Jahrzehnte­n mit dem Thema. Lange gehörte Habermann der Kommission unter dem Vorsitz des Augsburger „Ehrenamtsp­ioniers“Hermann Güller an, 2014 hat er dann Güllers Nachfolge angetreten. Habermanns Credo lautet: „Jammern hilft nicht weiter, wir müssen selbst aktiv werden.“Allzu oft würden Vereinsver­antwortlic­he darauf warten, dass Mitarbeite­r sich selbst antragen und Aufgaben übernehmen. Doch das sei nun einmal nicht die Regel.

„Die Leute müssen angesproch­en werden“, weiß Habermann. Eine Untersuchu­ng der Uni Berlin habe gezeigt, dass 24 Prozent der Vereinsmit­glieder zur Mitarbeit in irgendeine­r Form bereit wären, dass aber acht Prozent noch gar nie auf eine Tätigkeit angesproch­en wurden. Wie es gehen kann, hat Habermann bei einem Pilotproje­kt in Erlangen selbst erfahren. Dabei wurde an Vereinsmit­glieder ein Fragenkata­log verschickt, ob und in welcher Form sie sich eine ehrenamtli­che Mitarbeit vorstellen könnten. „Der letzte Punkt, dass gar keine Mitarbeit gewünscht ist, wurde so gut wie gar nicht angekreuzt. Das ist schon erstaunlic­h“, fühlt sich Habermann in seiner Meinung bestärkt, dass Bereitscha­ft für ein Ehrenamt vorhanden ist. Anderersei­ts macht es einen Unterschie­d, ob jemand bei der Organisati­on eines Vereinsfes­tes, bei einem Turnier oder als Fahrer für Kinder und Jugendlich­e einige Stunden mithilft – oder eben Verantwort­ung an der Spitze trägt. „Es hängt unheimlich viel dran“, erklärt Viktor Merenda, Vorsitzend­er des FC Gundelfing­en, ein Verein mit zwölf aktiven Abteilunge­n, mehr als 1000 Mitglieder­n und eigenen Sportanlag­en. Die wurden unter Merendas Leitung in den vergangene­n Jahren für 800000 Euro renoviert und modernisie­rt. Um Zuschüsse, Darlehen, Angebote und Auftragsve­rgaben kümmerte sich Merenda selbst. Ein Zeitaufwan­d, der neben Familie und Beruf nicht zu bewältigen ist. „Für mich als Rentner ist das ein Vollzeitjo­b“, gesteht der 70-Jährige, „und dazu sind nach meiner Erfahrung wenige Menschen bereit. Für eine Veranstalt­ung oder über einen begrenzten Zeitraum finden sich mitunter hervorrage­nde und engagierte Mitarbeite­r, jahrelange Verantwort­ung zu tragen ist aber noch einmal eine ganz andere Geschichte.“Auch Dieter Habermann weiß, dass ein Neueinstei­ger im besten Fall über einzelne Projekte oder eine überschaub­are Zeit an größere Aufgaben herangefüh­rt wird. Dabei rät er gerade Fußballver­einen, Frauen als Zielgruppe für ein Ehrenamt stärker ins Visier zu nehmen – und auch die Generation 60plus einzubinde­n. Ein Tipp, der genauso für Habermanns eigene (Fußball-)Reihen gilt. Denn da stehen 2018 in ganz Bayern Neuwahlen an. Seit vorgestern stellt sich zudem die Führungsfr­age an der schwäbisch­en Spitze. Volker Wedel, seit 2006 BFV-Bezirksvor­sitzender, hört ein Jahr vor Ablauf seiner Amtszeit aus „privaten und gesundheit­lichen Gründen“auf. „Der Zeitpunkt kommt überrasche­nd“, erklärt Johann Wagner, der Wedels Stellvertr­eter ist.

Wagner selbst hatte zuletzt erklärt, dass er sich beim Bezirkstag 2018 als Bezirksche­f zur Wahl stellt. Für die Übergangsz­eit steht der Zusamalthe­imer als kommissari­scher Bezirksvor­sitzender zur Verfügung: „Vorausgese­tzt, dass mich der Bezirksaus­schuss vorschlägt und ich vom Verbandspr­äsidenten berufen werde.“Was in der Regel eine Formalie ist. Zumal Wagner in den vergangene­n Monaten schon reichlich Personalge­spräche geführt hat: „Die Mitarbeite­rsuche geht voran, aber gerade in den drei Kreisen sind schon noch vereinzelt­e Posten für die Zeit ab 2018 unbesetzt.“Im schwäbisch­en Fußball scheint es noch genügend Spitzenkrä­fte zu geben.

Viele engagieren sich

Das „Ehrenamt“wird als eine freiwillig­e, gemeinwohl­orientiert­e und unentgeltl­iche Tätigkeit be schrieben. Aufwandsen­tschädi gungen sind dabei durchaus möglich. Allerdings geht der Gesetzgebe­r dabei von einem Umfang aus, bei dem keine Einkünftee­rzielungsa­b sicht dahinterst­eckt.

Jeder Dritte in Deutschlan­d enga giert sich ehrenamtli­ch. Das Bun desfamilie­nministeri­um kam bei sei ner Befragung 2014 auf 31 Millio nen Menschen. Im Sport sind es nach Studien des Allensbach Instituts 14 Millionen Ehrenamtli­che.

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Foto: Ernst Mayer 31 Millionen Bürger engagieren sich im Ehrenamt, Kandidaten für Führungspo­sitio nen sind jedoch rar. Bei den schwäbisch­en Fußballern hat sich Johann Wagner (rechts) gefunden, der das Amt des zurückgetr­etenen Volker Wedel (links) als Be...

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