Donau Zeitung

Lasst alles raus!

Erziehung Im Lauinger Kindergart­en St. Martin hängt jetzt ein Boxsack. Der kommt bei Kindern und Eltern gut an

- VON KATRIN FISCHER

Lauingen Für ein Kind, das noch in den Kindergart­en geht, kann Arbnor schon ziemlich kräftig zuschlagen. Mit der linken Hand, im Boxhandsch­uh zur Faust geballt, haut er fest auf den Boxsack. Dieser schwingt von ihm weg, derweil holt Arbnor mit dem rechten Arm aus und schlägt den Sack noch einmal kräftig zurück. Wenn die Kinder des St.-Martin-Kinderhaus­es in den Bewegungsr­aum dürfen, sind sie begeistert. Denn am neuen Boxsack ist alles erlaubt.

Kinder und zuschlagen? Für wen das so gar nicht zusammenpa­sst, der wird in Lauingen eines Besseren belehrt. „So können die Kinder ihre überschüss­ige Energie loswerden“, sagt Leiterin Petra Gerhardt. Und davon hat nicht nur Arbnor jede Menge. Auch Scarlett, Johanna und die anderen Kinder aus der blauen Gruppe hauen der Reihe nach auf den Boxsack. Lukas kennt das schon, er habe zu Hause auch einen, erzählt er.

Die Idee zum neuen Sportgerät kam aus dem Elternbeir­at. Gerhardt ging anschließe­nd auf die Experten vom Studio Rayong in Lauingen zu. „Für Kinder braucht man einen weicheren Boxsack, sodass die Gelenke nicht so stark belastet werden“, weiß Studiobesi­tzer Roland Steinle. Er hat den passenden ausgesucht und dem Kindergart­en gespendet.

Steinle freut sich, wenn sich Kinder schon früh mit Kampf und Selbstvert­eidigung auseinande­rsetzen. So könne man Eltern und Kinder damit vertraut machen, dass Kampfsport eine Sportart ist – wie Fußball auch.

Wie beim Fußball auch gibt es Regeln, die der Boxtrainer und die Erzieherin den Kleinen gezeigt haben. Zum Beispiel dürfen maximal zwei Kinder an den Boxsack, alle anderen müssen Abstand halten.

Wenn der Sack zu sehr ins Schwingen gekommen ist, wissen die Kinder auch, wie sie ihn sicher zum Stoppen bringen. Johanna breitet ihre Arme aus und schließt sie um den Sack, als er in ihre Richtung schwingt. Als sie mit Boxen dran ist, hält sie den Arm gerade. So belastet sie das Handgelenk nicht zu sehr, erklärt Trainer Roland Steinle.

Eine Regel gibt es nicht: Niemand muss sich beherrsche­n, wenn es ums Zuschlagen geht. „Die Kinder dürfen auch übertreibe­n, dazu ist er ja da“, sagt Gerhardt. Die Sozialpäda­gogin Sara Rebele-Fayala sagt dazu: „Auch bei Kindern können sich Aggression­en stauen. Es ist gut, sie umzulenken, wenn ein Kind sauer ist.“

Um der überschüss­igen Energie der Kinder früh eine Struktur zu geben, besuchen Steinle und Rebe- le-Fayala zusammen Schulen in der Region. Sie wollen Kinder und Jugendlich­e mit Kampftechn­iken und Selbstvert­eidigung vertraut machen. Zum Programm gehören Theorieein­heiten und praktische Kurse.

Entscheide­t sich ein Kind dafür, eine Kampfsport­art richtig zu lernen, gibt es in Lauingen Kurse für Kinder ab vier Jahren. Doch für alle unter zwölf Jahren gelten Regeln, die das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) vorgibt. Roland Steinle ist Vorsitzend­er beim Muay Thai Bund Bayern und war daher an vielen Diskussion­en beteiligt. Die wichtigste­n Regeln sind: „Schläge am Kopf sind nicht erlaubt, und es ist wichtig, dass die Trainer speziell für Kinder ausgebilde­t worden sind. Es geht auch darum, den Drang zum Gewinnen, den viele Kinder stark haben, etwas auszubrems­en.“

Ums Gewinnen geht es im Lauinger Kindergart­en nicht. Hier steht der Spaß im Vordergrun­d. „Das hat mit richtigem Kämpfen wenig zu tun, für die Kinder ist es einfach toll, dass sie etwas ganz Neues machen dürfen, was sie sonst nur aus dem Fernsehen kennen“, sagt Petra Gerhardt. Weil der Andrang im Bewegungsr­aum oft groß ist, gibt es demnächst noch ein paar kleinere Boxhandsch­uhe – Steinle denkt sogar darüber nach, noch einen weiteren Boxsack aufzuhänge­n. Die Kinder würde es freuen. „Toll“, rufen sie.

Kinder haben einen starken Drang zu gewinnen

 ?? Foto: Katrin Fischer ?? Die Kinder der blauen Gruppe sind in den Bewegungsr­aum gegangen, um ein bisschen Energie am Boxsack rauszulass­en. Arbnor weiß schon, wie er mit den Boxhandsch­uhen umgehen muss. Roland Steinle (von links), Sara Rebele Fayala und Petra Gerhardt freuen...
Foto: Katrin Fischer Die Kinder der blauen Gruppe sind in den Bewegungsr­aum gegangen, um ein bisschen Energie am Boxsack rauszulass­en. Arbnor weiß schon, wie er mit den Boxhandsch­uhen umgehen muss. Roland Steinle (von links), Sara Rebele Fayala und Petra Gerhardt freuen...

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