„Effi Briest“als groteske Farce
Theater Aktualisierte Bühnenfassung des Fontane-Romans auf der Bühne des Stadtsaals
Dillingen Die Freiheit des Einzelnen stößt in der modernen Demokratie auf klare Grenzen. Unbegrenzt frei sind nur die Theaterregisseure. Sie betrachten die vorhandene Literatur als frei verfügbare Knetmasse und formen daraus die abenteuerlichsten Skurrilitäten.
Die Freunde des Kulturrings hatten unter dieser Freiheit eine Stunde lang zu leiden. Im Stadtsaal bewies das Studio des Landestheaters Schwaben mit einer knappen „EffiBriest“-Dramatisierung, dass sich große Epik als Material für kleine Bühnenspielereien verwenden lässt.
Denn Regisseurin Pia Richter hatte das epochale Werk Theodor Fontanes in eine groteske Farce verwandelt. Nur wenige Figuren überlebten die Überführung vom Roman auf die Bühne. Sie deklamierten dort, eingesperrt in einen einzigen Raum, Bruchstücke aus FontaneDialogen und dachten nicht daran, sich mit ihren Vorbildern zu identifizieren. Weggewischt war das Adelsmilieu der Vorlage, nichts blieb von Effi Briests Verwöhntheit durch Wohlstand, ihre Eltern wurden zu dumpfen Kleinbürgern, und Effi Briests Erscheinungsbild mit schwarzer Koboldperücke und blauem Hausanzug widersprach total der Personenbeschreibung im Roman. Die Stationentechnik des Handlungsablaufs erinnerte die Fontane-Leser im Publikum zwar an Effis Kindheit, Heirat, Seitensprung und Scheidung, aber ohne Kenntnis des Milieus, der psychischen Prozesse und der komplizierten Personenkonstellationen blieb das alles nur ein oberflächlicher Faktencheck. Auch die Absicht der Regie, die Macht der Konventionen zu kritisieren, blieb in ein Worthülsen stecken. Eingeblendete Bildschirmszenen und Sprachnachrichten über Smartphone sollten suggerieren, dass sich Fontanes Geschichte in die Gegenwart übertragen lässt. Diese Intention ignorierte den preußischen Hintergrund im „Effi-Briest“-Roman, der am Ende des 19. Jahrhunderts entstand.
Die unglaubliche Oberflächlichkeit, die Verzerrung und die missglückte Umdeutung trübte auch das Engagement der Darsteller. Elisabeth Hütter gab ihrer Effi tapfer und gelegentlich Bananen futternd das Profil einer unbekümmerten Göre. Fridtjof Stolzenwald verzeichnete den Baron von Innstetten auftragsgemäß in einen simplen Rechthaber. André Stuchlik brauchte sich auch nicht um Fontane zu kümmern, als er dem Vater Briest die Konturen eines unterdrückten Hausmanns verlieh. Eine besondere Herausforderung bewältigte Hans Schnarre: Er spielte nicht nur Effis Mutter, sondern auch den Major Crampas. Warum, weiß nur die Regie. Leichter zu begreifen war das ausgetüftelte Bühnenbild Julia Nussbaumers. Die Tapetenwand im grau-weißen Rautenmuster macht den Schauplatz zu einer Haftanstalt und zu einem Aha-Erlebnis: Durch das Zuschauerhirn sollte die Erkenntnis blitzen: Hier werden die Akteure zu Häftlingen der gesellpaar schaftlichen Konventionen. Das hätte auch Fontane erkannt. Alles andere wäre ihm verschlossen geblieben. Vielleicht hätte er bei Effis stereotyper Sprechweise einen Satz aus seinem Roman zitiert: „Gott, Effi, wie du nur sprichst. Sonst sprachst du doch ganz anders.“Es ist schade, dass das hervorragend konzipierte, literarisch orientierte Jahresprogramm des Dillinger Kulturrings mit einem so verdrehten Spiel abgeschlossen wurde. Das Publikum dankte auch nur mit kurzem Beifall für das kurze Stück. Dem Autor der Bühnenfassung galt der Applaus nicht. Er wurde im Programmheft verschwiegen. Vielleicht schämt er sich.