Donau Zeitung

Von der Leyen legt sich mit der Bundeswehr an

Skandale Falscher Korpsgeist, Wegsehen, Schönreden? Was die Truppe dazu sagt

- VON SIMON KAMINSKI UND RUDI WAIS

Berlin/Augsburg So hart hat noch kein Verteidigu­ngsministe­r über die Bundeswehr geurteilt: Nach dem Skandal um einen Offizier, der monatelang ein Doppellebe­n als Soldat und Asylbewerb­er führen konnte, wirft Ursula von der Leyen der Truppe „falsch verstanden­en Korpsgeist“und „Führungssc­hwäche auf verschiede­nen Ebenen“vor. Wörtlich sagte die CDU-Politikeri­n: „Es gibt ein Dunkelfeld, das ausgeleuch­tet werden muss.“

Bei den Soldaten kommen diese ungewöhnli­ch heftigen Vorwürfe nicht gut an. Im Gespräch mit unserer Zeitung kontert der Chef des Bundeswehr­verbandes, André Wüstner: „Die Ministerin nimmt weiteren Schaden im Verhältnis zwischen Politik und Bundeswehr in Kauf, ohne genau zu sagen, auf Basis welcher Faktenlage sie kritisiert.“Nicht nur er sei von den pauschalen Vorwürfen schockiert gewesen. „Noch nie habe ich eine solche Welle von Mails erlebt. Politiker an Bundeswehr­standorten, Menschen aus der Bundeswehr und Angehörige, viele Soldaten im Auslandsei­nsatz – alle sind über diese Verallgeme­inerungen entsetzt.“Er erwarte von der Ministerin, dass sie umgehend Transparen­z schaffe, wie der Vorwurf zu rechtferti­gen sei, die gesamte Bundeswehr habe ein Problem mit Führung und Haltung.

In einem Interview im ZDF zieht von der Leyen auch Parallelen zwischen dem Fall des festgenomm­enen Offiziers Franco A. und den Ereignisse­n in zwei Kasernen im badenwürtt­embergisch­en Pfullendor­f und im thüringisc­hen Sondershau­sen, wo Soldaten Opfer von „sexualisie­rter Herabwürdi­gung“und „übelster Schikane“geworden seien. Der von der Ministerin mit der Untersuchu­ng solcher Fälle beauftragt­e Kriminolog­e Christian Pfeiffer hatte angedeutet, dass die Verfehlung­en erhebliche Ausmaße haben könnten. Das wiederum bringt Wüstner und den Bundeswehr­verband in Rage: „Herr Pfeiffer hat, noch bevor er mit seinen Untersuchu­ngen begonnen hat, von sexuellen Orgien und Vergewalti­gungen bei der Bundeswehr gesprochen. Das ist ein Unding. Dem Mann muss die Leitung der Studie entzogen werden.“

Für Ministerin von der Leyen dagegen handelt es sich bei den aktuellen Skandalen nicht um Einzelfäll­e. Überall habe es Vorgesetzt­e gegeben, die etwas gewusst und Probleme schöngered­et hätten. „Es wird weggeschau­t“, kritisiert­e sie. Und: „Die Bundeswehr hat ein Haltungspr­oblem.“So habe die Masterarbe­it

Bundeswehr­verbandsch­ef kritisiert Ministerin scharf

von Franco A. aus dem Jahr 2014 „ganz klar völkisches, dumpfes Gedankengu­t“enthalten, davon aber finde sich weder in der Personalak­te etwas noch sei der Militärisc­he Abschirmdi­enst informiert worden, der Geheimdien­st der Bundeswehr.

Nach ersten Erkenntnis­sen der Ermittler soll Franco A. eine Liste mit möglichen Anschlagsz­ielen geführt haben, auf der unter anderem die Berliner Linken-Abgeordnet­e Anne Helm stehen soll. Der als rechtsextr­em eingestuft­e Oberleutna­nt hatte sich eine falsche Identität als syrischer Flüchtling zugelegt. Nach Informatio­nen der Nürnberger Nachrichte­n weist seine Asylakte jedoch zahlreiche Mängel und Ungereimth­eiten auf. So seien seine Angaben, nach denen er bei einem Angriff der Terrormili­z IS verletzt worden sei, entgegen den Gepflogenh­eiten nicht überprüft worden. Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) hat zur Aufklärung des Falles eine Arbeitsgru­ppe im Bundesamt für Migration und Flüchtling­e in Nürnberg eingericht­et.

Welche Folgen die Attacke der Ministerin haben könnte, erläutert Simon Kaminski im Kommentar.

Newspapers in German

Newspapers from Germany