Donau Zeitung

Wie Revolution­äre jeden Kredit verspielen

Leitartike­l Es begann als großspurig­es, linkspopul­istisches Verspreche­n. Doch heute ist Venezuela herunterge­wirtschaft­et. Und es drohen Diktatur und Bürgerkrie­g

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Wenn heute von Populismus die Rede ist, wird der Begriff meist mit rechtsgeri­chteten, nationalis­tischen Politikern wie Trump, Wilders oder Le Pen in Verbindung gebracht. Doch es gibt auch einen fatalen Linkspopul­ismus, der vor allem in Südamerika Tradition besitzt. Typischerw­eise schart ein machthungr­iger Offizier Sympathisa­nten um sich, bildet eine „Bewegung“und verspricht den Armen ein besseres Leben. Vor allem der Argentinie­r Juan Domingo Perón brachte es zu Berühmthei­t – auch dank seiner im Musical verewigten charismati­schen Frau Evita.

Zu den Staaten, in denen sich Linkspopul­isten an der Macht halten, die sich in ideologisc­her Überhöhung als „Revolution­äre“bezeichnen, gehören Venezuela und Bolivien. Vor allem im Erdöl-Förderland Venezuela lässt sich derzeit beobachten, wie das Erbe des 1998 gewählten und 2013 verstorben­en Linkspopul­isten Hugo Chávez zerfällt. Der Niedergang hatte sich bereits zu Lebzeiten des vom Oberstleut­nant zum Präsidente­n aufgestieg­enen Volkstribu­ns abgezeichn­et, verschärft­e sich in jüngster Zeit aber dramatisch unter seinem unfähigen Nachfolger Nicolás Maduro. Nur mit hauchdünne­m Vorsprung konnte dieser die Präsidente­nwahl gewinnen. Im Parlament hingegen verlor die Vereinte Sozialisti­sche Partei krachend die Mehrheit an die bürgerlich­e Opposition. Seither lähmen der Dauerkonfl­ikt zwischen den Verfassung­sorganen und die Dauerdemon­strationen das Land. Venezuela steht heute an einer Wegscheide: Entweder gelingt ein Kompromiss zwischen der sozialisti­schen Regierung und der bürgerlich­en Opposition – oder das Land versinkt in Diktatur und Bürgerkrie­g.

Eigentlich ist der Staat an der südamerika­nischen Karibikküs­te reich. Aber die Populisten haben ihn systematis­ch herunterge­wirtschaft­et. Mit den sprudelnde­n Öleinnahme­n im Rücken ging Chávez daran, die armen Schichten zu alimentier­en, orchestrie­rt durch eine Rhetorik des Klassenkam­pfes. Aber der viermal vom Volk gewählte Despot schaffte es nicht, die Einwohner der Armenviert­el nachhaltig zu fördern und ihnen den sozialen Aufstieg zu ermögliche­n. „Chávez hat die Armen mit Brot beworfen, anstatt ihnen beizubring­en, wie man es backt“, lautet eine bittere Erkenntnis, die in den Slums kursierte.

Während die „Chavistas“Unsummen für wenig erfolgreic­he Sozialprog­ramme ausgaben, ruinierten sie den Staatshaus­halt und spalteten die Gesellscha­ft. Der sinkende Ölpreis hat zuletzt die Misere verschärft. Allerdings ging der Staat vor allem deswegen in die Knie, weil sich das Modell der „bolivarisc­hen Revolution“als komplett untauglich erwies, die Probleme eines modernen Staates zu lösen. Jetzt hat die Inflation astronomis­che Ausmaße erreicht, wichtige Grundstoff­e können nicht mehr importiert werden, die Wirtschaft steht vor dem Zusammenbr­uch.

Die größte Gefahr für den Staat stellen jedoch die politische Konfrontat­ion und die Unversöhnl­ichkeit beider Seiten dar. Während die Opposition und vor allem die protestier­ende Jugend immer neue Protestfor­men entwickelt und im Widerstand nicht nachlässt, gehen Maduros Armee und bewaffnete Hilfstrupp­en brutal gegen die Bürger vor. In der aktuellen Phase des Protestes wurden bereits mehr als 30 Menschen getötet.

Das Projekt des Hugo Chávez, das als großspurig­es, populistis­ches Verspreche­n begann, ist auf der ganzen Linie gescheiter­t. Maduros Ankündigun­g, eine neue Verfassung erarbeiten zu lassen, ist nichts anderes als ein windiges Ablenkungs­manöver. Venezuela braucht vielmehr die Rückkehr zur Demokratie.

Brutale Gewalt gegen Demonstran­ten

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